Im Stresstest: Wie gefährlich sind E-Scooter-Akkus?
Von Jochen Krauß

E-Scooter sind inzwischen ein fester Bestandteil urbaner Mobilität. Doch wie sicher sind die Akkus, die sie antreiben? Wie sieht es mit der Brandgefahr aus? Der ADAC hat die Batterien von sechs E-Scootern vier unterschiedlicher Preisklassen überprüft.
Kann eine E-Scooter-Batterie brennen?
So wirken sich äußere Einflüsse aus
Schutzma ßnahmen für Verbraucher
Praktische Elektrokleinstfahrzeuge, so sind E-Scooter offiziell kategorisiert, werden oft für die "erste und letzte Meile" genutzt, also den Wegen zu oder weg von Bushaltestellen sowie S- und U-Bahnhöfen. Dabei werden sie nicht selten in den Fahrzeugen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) mitgenommen.
Allerdings: Nach einzelnen Meldungen zu brennenden oder explodierten E-Scootern im internationalen Raum hat sich der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) im April 2024 für ein Mitnahmeverbot von E-Scootern ausgesprochen.
Dieser Empfehlung sind bereits Nahverkehrsbetriebe mehrerer Städte, wie etwa Bremen, Düsseldorf, Kiel, Köln, Leipzig oder auch München gefolgt. Dort ist nun die Mitnahme von E-Scootern in Fahrzeugen des ÖPNV untersagt. In vielen Regionalzügen, S-Bahnen und auch Fernzügen der Deutschen Bahn ist sie jedoch weiterhin erlaubt. Selbst das Laden von E-Scootern ist in manchen Zügen nach wie vor möglich.
E-Scooter-Batterien: Modelle im Check

Für Verbraucher ist die Situation also sehr uneinheitlich. Für den ADAC Anlass genug, die verschiedenen Batteriesysteme von E-Scootern in einem Systemvergleich näher zu überprüfen und die Akkus diversen Stresstests zu unterziehen. Geht von den Akkus wirklich eine Gefahr aus? Um diese Frage zu beantworten, mussten sich sechs E-Scooter-Batterien elektrischen, klimatischen und mechanischen Prüfungen unterziehen.
Für den Systemvergleich der E-Scooter-Batterien wurden exemplarisch sechs E-Scooter aus vier Preiskategorien untersucht. Im Detail sind das ein No-Name E-Scooter – gekauft über Aliexpress (unter 200 Euro) – und zwei Einsteiger-Modelle von NIU und Xiaomi (unter 500 Euro). Die Mittelklasse (unter 1000 Euro) wird von Segway-Ninebot und Streetbooster vertreten und die Oberklasse (über 1000 Euro) bildet ein Premium-E-Scooter aus dem Hause VMAX ab.
Elektrische Prüfung: Tuning und Tiefentladung

Wie wurden die Batteriepacks der E-Scooter getestet? Nach dem Zusammenbau der einzelnen Produkte wurde mit einer Eingangsmessung geprüft, ob die Akkus die vom Hersteller versprochene Kapazität besitzen und wie groß eventuelle Abweichungen sind. Tatsächlich stellte sich heraus, dass der Batteriepack des No-Name-E-Scooters rund 20 Prozent zu wenig Kapazität besaß, nämlich 300 Wh anstelle der angegebenen 378 Wh.
Im Anschluss folgten verschiedene Tests, die Akkus in Stress versetzen: sechs Tiefenentladungen in einer Umgebungstemperatur von 15 bis 20 Grad Celsius sowie eine dreiwöchige Selbstentladung mit anschließender Dokumentation der Kapazität sowie des Innenwiderstands etwa.
Wo technisch möglich, wurden E-Scooter-Modelle durch den Austausch ihres Batteriemanagementsystems (BMS) oder mittels spezieller Apps getuned. Auch das kann einem Akku schaden. Dabei wurden im Anschluss ebenfalls Kapazität und Innenwiderstand der Akkus dokumentiert.
Zusätzlich erfolgte eine Vorher-Nachher-Prüfung der Batteriepacks mithilfe einer Wärmebildkamera, um signifikante Temperaturunterschiede während der Entladung sowie während des Ladevorgangs zu dokumentieren.
Ergebnis: Bei keinem der E-Scooter ergaben sich durch Tuning-Maßnahmen (soweit möglich) oder die Tiefenentladungen eine Veränderung an den Batteriepacks.
E-Scooter-Akkus: Die Ergebnisse im Detail

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Klimatische Prüfung: Minusgrade, Regen, Wind

Noch vor der elektrischen Prüfung mussten die sechs E-Scooter einen klimatischen Test in der Beregnungsanlage des ADAC über sich ergehen lassen. Zu diesem Zweck wurden die Roller zehn Minuten lang frontal, sowie jeweils 5 Minuten lang von beiden Seiten aus mit Wasser und Wind beregnet und auf Feuchtigkeitseintritte untersucht.
Im Anschluss wurden die Probanden zerlegt und ihre Elektronik auf Wassereintritt oder andere Schäden untersucht. Darüber hinaus wurden die E-Scooter vollgeladen für 12 Stunden bei -10 Grad Celsius gelagert und anschließend tiefenentladen. Dabei wurden die Kapazität und der Innenwiderstand dokumentiert. Erfreulich: Keiner der E-Scooter im Vergleich leistete sich irgendwelche Schwächen.
Mechanische Prüfung

Viele E-Scooter sind im täglichen Gebrauch mit unterschiedlichsten Fahrbahnbelägen und intensiver Nutzung konfrontiert. Um diese Szenarien im Systemvergleich der Batteriepacks abzubilden, wurden die Schwingungen beim Überfahren von Kopfsteinpflaster mit dem Komfortmesssystem des ADAC erfasst und später auf dem Zweiradprüfstand nachgebildet.
Jeder der Roller wurde im Anschluss für 30 Minuten auf dem Prüfstand mit dem Kopfsteinpflasterprofil bei Höchstgeschwindigkeit betrieben. Dabei waren die E-Scooter mit Sandsäcken um etwa 80 Kilogramm beschwert. Anschließend wurden die E-Scooter wieder mit dem Fokus auf Akkus und Elektronik zerlegt.
Fazit: Sehr hohes Sicherheitsniveau
Trotz der umfassenden Tests konnten keine Brände oder gar Explosionen an den E-Scootern provoziert werden. Auch konnten nach Abschluss sämtlicher Prüfungen keine Verformungen oder anderweitige Auffälligkeiten an den verbauten Batteriepacks mit ihren Lithium-Ionen-Zellen sowie ihren Batteriemanagmentsystemen (BMS) entdeckt werden.
Der Systemvergleich der sechs E-Scooter und ihrer Batteriesysteme zeigt, dass bei dieser Fahrzeuggattung bereits heute ein sehr hohes Sicherheitsniveau besteht, das vergleichbaren Fahrzeugen mit Batteriepacks, etwa Pedelecs, kaum bis gar nichts nachsteht.
Künftig soll die Batteriesicherheit nochmals erhöht werden und in der Überarbeitung der Elektrokleinstfahrzeugverordnung den Sicherheitsstandards von Pedelecs angeglichen werden.
Aufgrund der geplanten gesetzlichen Neuerungen und des bereits heute schon geringen Risikos ist ein generelles Mitnahmeverbot im ÖPNV unverhältnismäßig.
Denn obwohl sich alle sechs Modelle im Vergleich preislich unterscheiden und die Einbausituation von Batteriepack und BMS qualitativ sehr unterschiedlich ausfallen, haben sie die elektrischen, mechanischen, sowie die klimatischen Stresstests ohne nennenswerte Beanstandungen absolviert.
Empfehlung: Brandschutztaschen beim Laden
Die größte Gefahr durch E-Scooter-Batterien entsteht während des Ladevorgangs. Wer hier im Alltag auf Nummer sicher gehen möchte, der investiert in eine hochwertige Brandschutztasche.
Diese Produkte sind sowohl für herausnehmbare Batteriepacks von E-Scootern oder Pedelecs erhältlich als auch als große Taschen für ganze Fahrzeuge. Damit kann der Batteriepack in einem sichereren Umfeld geladen oder auch eingelagert werden. Diese Taschen können das Brennen oder Explodieren der Zellen eines Batteriepacks im Ernstfall zwar nicht komplett verhindern, aber zumindest die Brandausbreitung verzögern oder im Idealfall eindämmen.
Tipps für Verbraucher
Wichtig für Verbraucher ist, dass nur E-Scooter mit einer allgemeinen Betriebserlaubnis (ABE) im Straßenverkehr geführt werden dürfen. Daher vor dem Kauf prüfen, ob der E-Scooter die gesetzlichen Anforderungen erfüllt
Eine Liste aller E-Scooter mit ABE ist beim Kraftfahrtbundesamt (KBA) erhältlich
Beim Kauf eines E-Scooters über Plattformen wie Aliexpress oder Temu ist Vorsicht geboten. Hier werden oftmals Fahrzeuge ohne ABE oder mit falschen Angaben bezüglich der Kapazität der verbauten Batteriepacks verkauft
Der E-Scooter darf ausschließlich mit dem vom Hersteller mitgelieferten Ladegerät geladen werden. Noch besser ist es, wenn das Ladegerät im E-Scooter integriert ist und direkt an die 230-V-Steckdose angeschlossen werden kann
Wer beim Laden auf Nummer sicher gehen möchte, investiert in eine Feuerschutztasche für E-Scooter oder wechselfähige Batteriepacks
Wird der E-Scooter über einen längeren Zeitraum nicht benötigt, sollte der Ladestand des Batteriepacks zwischen 30 und 70 Prozent liegen
Eine Einlagerung der E-Scooter bei Minusgraden sollte grundsätzlich vermieden werden
Von Tuningmaßnahmen absehen, da dadurch die ABE erlischt und teilweise oder ganz einzelne Schutzfunktionen des Batteriemanagementsystems außer Betrieb gesetzt werden
Ein von außen sichtbares und vollständiges Typenschild mit Angaben zu Leistung/ Spannung/ Strom der verbauten Batteriepacks sollte dauerhaltbar am E-Scooter angebracht sein
Die nutzbare Energie für den Verbraucher sollte möglichst wenig von der Bruttoenergie abweichen
Das verbaute Batteriemanagementsystem sollte alle relevanten Schutzmaßnahmen beinhalten
Es sollten keinerlei scharfkantige Metallteile, wie etwa Kühlkörper, im Installationsumfeld der Verkabelung zum Batteriepack und Batteriemanagementsystem vorhanden sein
Im Idealfall sind Batteriepack und Batteriemanagementsystem komplett von einem Metallgehäuse umgeben und vor externen mechanischen Gefahren geschützt. Unterflurige Kunststoffabdeckungen bieten nicht in jeder Situation genügend Schutz
Tuningmöglichkeiten per App oder durch Austausch des Batteriemanagementsystems sollten unterbunden werden
Fachliche Beratung: Michael Peuckert, ADAC Technik Zentrum




