Wohnmobil im ADAC Crashtest: Überforderte Knautschzone

Frontalaufprall mit 56 km/h auf der ADAC Crashtest-Anlage in Landsberg ∙ Durch Anklicken des Vorschaubildes mit dem Play-Button werden Sie auf die Internetseite von YouTube weitergeleitet. Für deren Inhalte und Datenverarbeitung ist der jeweilige Seitenbetreiber verantwortlich. ∙ Bild: © ADAC/Uwe Rattay

Wie sicher sind die beliebten, zum Wohnmobil ausgebauten Kastenwagen bei einem Unfall? Der erste Crashtest zeigt: Bei einem Frontalzusammenstoß besteht ein hohes Verletzungsrisiko für die Insassen.

  • Bestand an Wohnmobilen wächst seit Jahren stark

  • Die Fahrgastzellen halten dem Aufprall nicht stand

  • Konstruktionsschwächen bei Küche und hinterer Sitzbank

Der Zusammenprall ist heftig: Mit jeweils 56 km/h krachen das voll beladene Wohnmobil und der Kombi leicht versetzt frontal zusammen. 3,5 Tonnen gegen 1700 kg. Nach dem Crash schwankt das Wohnmobil heftig, schiebt nach vorne, fällt aber nicht um. Das Testteam des ADAC Technik Zentrums in Landsberg hat einen Unfall inszeniert, wie er bei einem riskanten Überholmanöver auf der Landstraße passieren kann. Ziel des Tests: Wie sicher ist ein zum Wohnmobil ausgebauter Kastenwagen für die Insassen bei einem Frontalunfall?

Hohes Verletzungsrisiko der Insassen

Ein Wohnmobil wird gegen einen PKW gecrashed im ADAC Test- und Technikzentrum in Landsberg
Die Holzkonstruktion der Sitzbank hielt dem Crash nicht stand© ADAC/Uwe Rattay

Nach dem Crash zeigt sich ein Bild der Verwüstung: Beim Kombi ist die Frontpartie stark deformiert, bei der Fahrgastzelle wurde die maximale Belastbarkeit überschritten. Die Fahrertür ist so stark verklemmt, dass sie sich nur mit schwerem Gerät öffnen lässt – im Ernstfall würde dadurch die Rettung der Insassen erheblich erschwert.

Beim Wohnmobil sieht es nicht besser aus. Die Fahrgastzelle ist kollabiert, das Rad in den Fußraum eingedrungen, das Bodenblech gewölbt, der Fahrersitz nach hinten geneigt. Der Überlebensraum für den Fahrer hat sich erheblich verkleinert. Da der untere Teil der Lenksäule in den Fußraum geschoben wird, bewegt sich das Lenkrad nach vorne und nach oben.

Wie beim Pkw hätten es Rettungskräfte auch beim Wohnmobil sehr schwer. Hier wäre die Fahrertür ebenfalls nur mit schwerem Gerät zu öffnen. Die Beifahrertür lässt sich entriegeln, aber nur mit sehr großem Kraftaufwand aufreißen. Die hintere Schiebetür geht gar nicht auf, nur die Türen am Heck öffnen sich leicht.

Falls der Kastenwagen, wie im Crash beinahe geschehen, bei so einem Aufprall umfällt, verschärft sich die Situation. ADAC Projektleiter Andreas Ratzek: "Dann wäre es für die Retter noch problematischer, und die Insassen könnten durch umherfliegende Gegenstände verletzt werden.“

Auch so ist das Verletzungsrisiko schon sehr hoch: Der Fahrer des Wohnmobils ist vor allem am Kopf, im Brustbereich, an Beinen und Füßen gefährdet, ebenso wie der Pkw-Insasse. Die Auswertung der Dummydaten lässt schwere Verletzungen erwarten. Im schlimmsten Fall kann es sogar zu lebensbedrohlichen Verletzungen oder irreparablen Schädigungen kommen. Deutlich niedriger ist die Gefahr für den Wohnmobil-Beifahrer. Vor allem, weil sich auf seiner Seite die Fahrgastzelle kaum deformiert.

Die beiden hinten sitzenden Mitfahrer sind hingegen einem hohen Verletzungsrisiko ausgesetzt. Da sich die Lehne des Fahrersitzes äußerst untypisch nach hinten bewegt und die Sitzkonsole der Rückbank sich wiederum sehr weit nach vorne biegt, kommen die Köpfe der Insassen dem Vordersitz gefährlich nahe. Hier drohen schwere Kopfverletzungen.

Auch weil die Holzkonstruktion unter der Sitzfläche zusammenbricht und durch das Verrutschen des Polsters der harte Rohrrahmen der Rückenlehne freigelegt wird: Beim Rückprall knallt der Kopf des Erwachsenen-Dummys direkt darauf. Auch weil sich der Gurt kaum mitbewegt, kann es zu schweren inneren Verletzungen und Blutungen kommen.

Beim Kind verhindert der Schutz durch den gut gesicherten Kindersitz, dass es noch schlimmer ausgeht.

So hat der ADAC getestet

Ein Wohnmobil wird gegen einen PKW gecrashed im ADAC Test- und Technikzentrum in Landsberg
Crash-Vorbereitungen: Das Wohnmobil wird verkabelt© ADAC/Uwe Rattay

Camping boomt seit Jahren, der Bestand an Wohnmobilen ist in Deutschland seit 2011 um rund 77 Prozent gewachsen. Besonders gefragt sind alltagstaugliche Kastenwagen: circa sechs Meter lang, zwei Meter breit, vier Sitz- und Schlafplätze, rund 600 Kilo Zuladung, zulässiges Gesamtgewicht 3,5 Tonnen.

"Diese Fahrzeuge hatten bei den Neuzulassungen zuletzt einen Anteil von rund 41 Prozent", sagt ADAC Campingexperte Martin Zöllner. Und: "Beliebt sind sie vor allem bei jungen Familien."

Tests anderer europäischer Institutionen wurden in der Vergangenheit mit teilintegrierten Wohnmobilen durchgeführt, bei denen vom Basisfahrzeug nur das Fahrerhaus aus Blech übernommen wird. Oder aber mit Vollintegrierten – hier ist nur das Fahrgestell vom Basisfahrzeug. Der ADAC Crashtest mit einem ausgebauten Kastenwagen füllt damit eine Lücke.

Für ihren Versuch wählen die ADAC Tester ein Wohnmobil auf Fiat Ducato-Basis. Mit fast 50 Prozent Anteil am Bestand und 60 Prozent bei den Neuzulassungen ist Fiat Chrysler (FCA) der Platzhirsch der Branche. Für den Crash mit einem Citroen C5, einem Auto aus der oberen Mittelklasse, wird das Wohnmobil vorschriftsmäßig beladen: Der Tisch vor der Doppelsitzbank wird abmontiert und ebenso wie Gasflaschen, Gepäck, Geschirr, Sonnenschirm und Campingstühle gut verstaut.

Natürlich sind alle Insassen angeschnallt: Im Crash handelt es sich dabei um vier mit Sensoren präparierte Dummys – Fahrer, Beifahrer und auf der Sitzbank dahinter ein Erwachsener sowie ein Kind, das mit Isofix und dem zusätzlichen Haltegurt Top Theter optimal gesichert ist.

Nicht alle Einbauten halten dem Crash stand

Ein Wohnmobil wird gegen einen PKW gecrashed im ADAC Test- und Technikzentrum in Landsberg
Nur ein Teil der Einbauten des Wohnmobils übersteht den Crash© ADAC/Uwe Rattay

Als beim Crash sehr instabil zeigt sich die Küche: Der Küchenblock löst sich komplett aus der Verankerung, die Schränke fliegen samt Inhalt durch den Innenraum. Sie waren nur mit wenigen Schrauben miteinander und nicht mit dem Fahrgestell verbunden. Die übrigen Einbauten des Wohnmobils überstehen den Unfall dagegen gut: Die beiden Doppelbetten, Bad, Schränke im Heck und die Zurrösen im Kofferraum halten den Belastungen beim Aufprall stand. Auch die Sicherheitseinrichtung der Gasanlage funktioniert und unterbricht die Versorgung. Das minimiert das Brandrisiko.

Das empfiehlt der ADAC den Herstellern

Ein Wohnmobil wird gegen einen PKW gecrashed im ADAC Test- und Technikzentrum in Landsberg
Richtig gesichert: Die Ladung hinten übersteht den Crash unbeschadet© ADAC/Uwe Rattay

Eine der wichtigsten Erkenntnisse des Crashtests: Die Knautschzone des Basisfahrzeugs ist zu schwach und völlig überfordert. Egal ob ein Wohnmobil auf einem Pkw oder wie im Test auf einem Nutzfahrzeug basiert: Die ADAC Ingenieure halten es für erforderlich, dass die Front so ausgelegt wird, dass sie die Energie des Aufpralls abbaut. Dadurch bliebe im Ernstfall die Fahrgastzelle als Überlebensraum stabil und würde die Insassen schützen.

Den Aufbauherstellern von Kastenwagen empfehlen die Tester dringend, an der Stabilität der Komponenten im Innenraum zu arbeiten. "Im Kofferraum sind die Schränke fest mit dem Fahrzeugrahmen verbunden, vorne in der Küche sind sie lediglich verschraubt und die Stützpfosten nur am Boden festgeklebt", berichtet Projektleiter Ratzek. "Würden die Hersteller die Pfosten etwa mit einem Gurtband zusätzlich an der B-Säule sichern, könnten sie mehr Last aushalten."

Deutlich mehr Widerstandsfähigkeit wünschen sich die Tester auch bei der Unterkonstruktion der hinteren Sitzbank, damit sie nicht, wie im Crash geschehen, zusammenbricht. Möglich wäre zum Beispiel der Einbau einer stützenden Stahlkonstruktion statt nur einer gepolsterten Holzbank.

Das Testfahrzeug ist hier nach Ansicht der ADAC Experten typisch für zum Wohnmobil ausgebaute Kastenwagen. Neun von zehn solcher Wohnmobile hätten eine bauähnliche Sitzbank, sagt Ratzek. Um diese Annahme zu verifizieren, wird der ADAC noch mit so genannten Schlittenversuchen testen, wie sich Sitzreihen anderer Hersteller unter exakt den Bedingungen des Wohnmobil-Crashs verhalten. Das Ergebnis dieser Crashversuche lesen Sie hier.

So beladen Sie Ihr Wohnmobil richtig

  • Schwere Dinge kommen nach unten, leichte nach oben. In den Oberschränken möglichst nur sehr leichtes Gepäck verstauen, beispielsweise Bekleidung.

  • Möglichst wenig im Wohnraum unterbringen. Für Getränke und andere schwere Ladung stattdessen bevorzugt den Kofferraum nutzen und diese dort mit Spanngurten an den Verzurrösen sichern.

  • Für die Küche am besten Kunststoff-Geschirr verwenden und keine Gläser oder Porzellan. Während der Fahrt nichts auf der Küchenzeile stehen lassen, sondern möglichst auch Kleinigkeiten gut verstauen.

  • Während der Fahrt den Esstisch vor der hinteren Sitzreihe beziehungsweise zwischen den hinteren Sitzreihen demontieren oder einklappen. Mitfahrer können sich bei einem Unfall sonst sehr schwer daran verletzen.

  • Beim Wohnmobilkauf darauf achten, dass das Auto über Assistenzsysteme wie einen Notbrems- und Spurhalteassistenten verfügt. Diese können zwar nicht jeden Unfall verhindern, sie verringern aber das Unfallrisiko und können helfen, schwere Verletzungen zu vermeiden.

  • Betten und Küche nur bei geparktem Fahrzeug nutzen und während der Fahrt immer angeschnallt bleiben.

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