Verbrennerverbot 2035: Offener Diskurs über mehr Flexibilität beim Mobilitätswandel?

Von Redaktion Südbayern

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Heiße Diskussionen: Beim Zukunftsforum drehte sich alles um das Verbrennerverbot. Auf der Bühne (von links nach rechts): Christian Nitsche (Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks), Hubert Aiwanger (Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie), Björn Dosch (Geschäftsführer ADAC Südbayern), Katharina Schulze, (Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag), Prof. Dr. Markus Lienkamp (Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik an der Technischen Universität München) und Bettina Hölzle (Globale Politik und Außenbeziehungen sowie Politikbeauftragte Bayern der AUDI AG)
Auf der Bühne (von links nach rechts): Christian Nitsche, Hubert Aiwanger, Björn Dosch, Katharina Schulze, Prof. Dr. Markus Lienkamp und Bettina Hölzle.© ADAC Südbayern/Klaus Haag

Kaum ein Thema dominiert derzeit die verkehrspolitischen Debatten so sehr wie das geplante Verbrennerverbot ab 2035. Beim Zukunftsforum Verkehrspolitik des ADAC Südbayern diskutierten Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Industrie über die Hintergründe, den wachsenden Widerstand und mögliche Konsequenzen für Bürger, Unternehmen und den Klimaschutz.

Mobilität ist weit mehr als nur die Frage nach einer komfortablen, bezahlbaren und schnellen Fortbewegung von A nach B. Vor allem in Bayern trägt der Mobilitätssektor auch zum wirtschaftlichen Wohlstand der Bevölkerung bei. Neben den großen Automobilherstellern sorgen vor allem die Zulieferer für Arbeitsplätze in Bayern. Doch was passiert, wenn in rund neun Jahren das sogenannte Verbrennerverbot auf EU-Ebene greift und weder Pkw noch kleine Nutzfahrzeuge zugelassen werden dürfen, die lokale Emissionen verursachen? Um diese Frage drehte sich alles bei der Podiumsdiskussion im Rahmen des Zukunftsforums des ADAC Südbayern. Und wie wichtig das Thema ist, zeigte die hochkarätige Liste an Teilnehmern der Gesprächsrunde. Neben dem stellvertretenden Bayerischen Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger, fanden sich die Grünen-Fraktionschefin im Bayerischen Landtag, Katharina Schulze, die Politikbeauftragte der AUDI AG, Bettina Hölzle, Prof. Markus Lienkamp vom Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik an der Technischen Universität München und der Geschäftsführer des ADAC Südbayern, Björn Dosch, auf der Bühne ein.

Aiwanger: Technologieoffenheit statt Ideologie

Den Abend eröffnete Wirtschaftsminister Aiwanger mit einem Impulsvortrag, den er gleich für eine deutliche Kritik am geplanten Ausstieg aus der Verbrenner-Technologie auf EU-Ebene nutzte. Er bezweifelte, dass ein vollständiger Umstieg auf Elektromobilität bis 2035 technisch und infrastrukturell realisierbar sei. Städte wie München könnten eine komplette Elektrifizierung des Fahrzeugbestands seiner Einschätzung nach „nicht stemmen“, weil Stromnetze und Ladeinfrastruktur an ihre Grenzen kämen. Zudem warnte er vor energiepolitischen Abhängigkeiten - ohne Rohstoffe aus China fahre kein Elektroauto.

Gleichzeitig hob Aiwanger die wirtschaftlichen Risiken für den Standort Bayern hervor. Ein europaweites Verbot neuer Verbrenner ab 2035 würde zu einer Verlagerung der Produktion ins Ausland führen: „Das wird das Ende des Verbrenners in der Produktion in Bayern bedeuten - aber bei Weitem nicht das Ende seiner Herstellung weltweit“, sagte Aiwanger. Deshalb plädiere er vor allem für eine „Technologieoffenheit“: Man solle „die Ingenieure machen lassen“, anstatt politisch ein einziges Antriebsmodell vorzuschreiben.

Seine Kritik stützte Aiwanger auch auf sicherheitspolitische Argumente. Insgesamt forderte der bayerische Wirtschaftsminister, die „Ideologie“ aus der Debatte herauszuhalten und die Entscheidung über den passenden Antrieb dem Markt zu überlassen: Jeder solle das Fahrzeug wählen können, das „für den jeweiligen Einsatzzweck die richtige Wahl ist“.

Die Perspektive der Verbraucher

Im Anschluss an Aiwangers Impuls begann auf dem Podium eine überwiegend sachliche, stellenweise aber emotional geführte Debatte. ADAC Südbayern-Geschäftsführer Björn Dosch brachte zunächst die Verbraucherperspektive ein: Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen sei der Verbrenner für viele Menschen wirtschaftlich noch immer die günstigere Wahl, denn Anschaffungskosten und Strompreise belasteten die Wirtschaftlichkeit des Elektroautos. Lediglich mit eigener PV-Anlage könne ein E-Auto „pari“ zum Verbrenner liegen. Dosch verdeutlichte, dass die finanziellen Aspekte für viele das zentrale Hemmnis seien - noch vor technischen Fragen oder Ladeinfrastruktur.

Politische Verlässlichkeit als Grundlage der Transformation

Große Einigkeit herrschte auf dem Podium darüber, dass die Mobilitätswende ohne klare und verlässliche Vorgaben kaum gelingen kann – allerdings gingen die Vorstellungen über deren Ausgestaltung auseinander. Die Fraktionschefin der Grünen im bayerischen Landtag, Katharina Schulze, kritisierte die politischen Kurswechsel der vergangenen Jahre deutlich. Das ständige „Hin und Her“ verunsichere sowohl Käufer als auch Hersteller. Sie verlangte stabile Rahmenbedingungen, an denen sich Industrie und Verbraucher orientieren könnten.

Industrie zwischen langfristigen Zusagen und neuer Flexibilität

Die Vertreterin der Automobilindustrie, Bettina Hölzl von Audi, betonte, dass die Branche längst weitreichende Entscheidungen getroffen habe: Werke, Produktionsstrukturen und Arbeitskräfte seien auf emissionsfreie Modelle umgestellt worden. Dennoch bräuchten die Unternehmen angesichts globaler Marktverschiebungen „Flexibilität“, etwa bei Zwischenzielen und regulatorischen Vorgaben. Grundsätzlich sei für Hölzl aber klar: „Wir wollen in Richtung Elektrifizierung - und zwar zu 100 Prozent.“

Eine wissenschaftliche Perspektive brachte Prof. Markus Lienkamp von der TU München in die Debatte ein. Er machte klar, dass das Elektroauto in den meisten Einsatzbereichen sowohl ökologisch als auch ökonomisch bereits vorn liege. Verbrenner würden künftig lediglich in Nischen eine Rolle spielen: etwa bei sehr geringen Jahreslaufleistungen oder bei bestimmten Einsatzfahrzeugen.

Wasserstoff und E-Fuels: Technologieoffenheit oder klare Prioritäten?

Auch Alternativen zum Elektromotor wie Wasserstoff oder E-Fuels wurden diskutiert. Fahrzeugexperte Lienkamp stufte Wasserstoff-Pkw als ökologisch wie ökonomisch „aussichtslos“ ein und verwies auf deutlich sinnvollere Einsatzfelder für den Treibstoff etwa in Industrie und Luftfahrt. Schulze schloss sich dieser Einschätzung an und warnte davor, eine teure, kaum genutzte Parallelinfrastruktur aufzubauen. Aiwanger widersprach entschieden: Grüner Wasserstoff könne bereits heute zu wettbewerbsfähigen Preisen hergestellt werden.

Umwelt- und Klimaschutz: Zwischen physikalischer Realität und politischer Deutung

Beim Thema Klima wurde der Ton auf dem Podium etwas schärfer. Grünen-Politikerin Schulze appellierte an die Teilnehmenden, die Klimakrise ernst zu nehmen. Die Erde erwärme sich, Starkregen, Dürren und Hochwasser seien längst Realität. Deutschland habe sich gemeinsam mit fast allen Staaten der Welt zum Schutz zukünftiger Generationen verpflichtet: „Und das bedeutet eben, CO2 einzusparen und klimaneutral zu werden.“

Aiwanger hingegen kritisierte die „Angstmacherei“; er halte es für unseriös, extreme Wetterereignisse unmittelbar mit der Frage des Antriebs zu verknüpfen. Solange der Strommix fossile Anteile enthalte, werde ein Elektroauto im Winter nachts eben auch mit Gasstrom geladen, argumentierte er. Das müsse man „ehrlich“ benennen.

Zwischen beiden Positionen versuchte Björn Dosch zu vermitteln. Aus seiner Sicht sei die Frage entscheidend, wie Elektromobilität so attraktiv werden könne, dass sich Verbraucher freiwillig für sie entscheiden. Als Vergleich führte er das Smartphone an, das sich nicht durch ein Verbot alter Handys durchgesetzt habe, sondern „weil es natürlich das bessere Angebot war“. Wichtig seien daher bessere Rahmenbedingungen, niedrigere Strompreise und verlässliche politische Vorgaben.

Konsens: Individuelle Mobilität soll erhalten werden

Am Ende des Abends stand weniger eine gemeinsame Position zu einzelnen Antriebstechnologien als vielmehr ein geteiltes Grundverständnis: Die Mobilitätswende brauche Realismus, Planungssicherheit und einen offenen Diskurs. In seinem Schlusswort betonte Rüdiger Lode, Vorstand für Verkehr, Technik und Umwelt des ADAC Südbayern das zentrale Ziel, über das auf dem Podium Einigkeit herrschte: Die individuelle Mobilität müsse erhalten bleiben - und zugleich mit der Umwelt in Einklang gebracht werden.