Alpentransit: Der mühsame Weg über die Alpen

Über zwölf Millionen Pkw und knapp zweieinhalb Millionen Lkw überquerten vergangenes Jahr allein den Brenner und machen die Route zu einer der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen Europas. Der jährlich zunehmende Verkehr stellt die Infrastruktur am Brenner aber auch weiteren Transitstrecken wie Tauern und Fernpass vor große Herausforderungen und ist eine Belastung für Reisende, Spediteure und Anwohner. Beim ADAC Sommerempfang wurde das Thema mit Anton Mattle, dem Landeshauptmann von Tirol diskutiert, der Möglichkeiten und Chancen einer europaweiten Steuerung des Transitverkehrs skizzierte.
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht immer so scheint: Der alpenquerende Verkehr ist ein Thema, das uns alle betrifft. In den bevorstehenden Sommerferien zieht es wieder zahlreiche Deutsche Richtung Süden, Italien ist nach Spanien hierzulande das zweitbeliebteste Ziel für Urlaubsreisen. Auch Kurzurlauber, vor allem in Bayern, fahren gerne gen Süden nach Österreich und Italien. Selbst wer zuhause bleibt, kommt nicht am Thema vorbei. Italien ist einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands innerhalb der EU – eine Tatsache, die einen gewaltigen Warenstrom durch die Alpen mit einem Wert von über 145 Milliarden Euro auslöst.
Eine Region, die hiervon besonders betroffen ist: Tirol. Das drittgrößte Bundesland Österreichs ist nur ein 18tel so groß wie der Freistaat Bayern und muss über die Hälfte des alpenquerenden Verkehrs bewältigen. Tendenz steigend. Um die Folgen dieses Verkehrsstroms zu minimieren, sind nicht nur Österreich und Tirol seit Jahren auf der Suche nach Lösungen.

Die Sicht Tirols
Und genau diese Lösungen sind aktuell noch in weiter Ferne, wie Tirols Landeshauptmann, Anton Mattle, betonte. Nachdem Mattle die vielen Gemeinsamkeiten aller Alpenregionen hervorhob, skizzierte der Landeshauptmann die aktuelle Situation in seinem Bundesland. Während der Güterverkehr durch die Schweiz in den letzten Jahren leicht zurückging, habe seit 2005 vor allem der Lkw-Verkehr über den Brenner massiv zugenommen. Im Vergleich zu 2014 seien, so Mattle, im Jahr rund 800.000 Lkw mehr unterwegs und dies bringe die Infrastruktur in seinem Land an die Grenzen. Und nicht selten darüber hinaus.
Deshalb warb er um Verständnis für die Maßnahmen, die Tirol zur Regulierung des Verkehrs einsetze – auch um die eigene Bevölkerung zu schützen. Konkret nannte Mattle hier die Blockabfertigungen sowie das Nachtfahrverbot für Lkw. Auch sektorale Fahrverbote seien immer wieder nötig, um ein Verkehrschaos z.B. rund um Innsbruck zu verhindern. Mattle zeigte auch Verständnis für Unternehmen und Bürger in Bayern, die unter den dadurch entstehenden Rückstaus auf bayerischen Autobahnen leiden und schlug für den Lkw-Verkehr eine Lösung vor. Der Landeshauptmann warb für ein sogenanntes „Slot-System“, bei dem Speditionen einen bestimmten Zeitraum für die Überquerung des Brenners buchen können. Das mache den Lkw-Verkehr entlang der Brennerroute planbarer und minimiere so unnötige Staus aber auch Stillstand für Speditionen (und damit verbundene wirtschaftliche Verluste). Diese potenzielle Entlastung für den Brenner-Transit war zuletzt auch Thema beim Treffen zwischen Bundeskanzler Merz und dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Beide unterstützen die Variante. Doch wie Mattle beim ADAC Sommerempfang sagte, könne das Slot-System nur klappen, wenn alle betroffenen Parteien gemeinsam an einem Strang ziehen. Dazu zähle auch Italien.
Europa: Lösungen nur gemeinsam umsetzbar
Zusätzlich zum Waren-Transit belastet auch der steigende Individualverkehr durch Urlauber die Brenner-Route und damit Tirol. Hier könnten schon einfachere Mittel Erleichterung schaffen. Landeshauptmann Mattle würde sich wünschen, dass die Stoßzeiten im Reiseverkehr mehr entzerrt werden. Das betrifft sowohl die Ferienkorridore der Bundesländer als auch ein verändertes Buchungsverhalten bei den Urlaubsreisen. Würde sich der Reiseverkehr auf die gesamte Woche verteilen, statt auf die An- und Abreise am Wochenende zu fokussieren, könnte der seit Jahren ansteigende Verkehr deutlich entzerrt werden. Ein Rat, den auch der ADAC Reisenden bereits intensiv empfiehlt. Wer kann, sollte außerhalb der Stoßzeiten fahren und die Reisetage auf einen Wochentag legen, um staufreier ans Ziel zu kommen.
Mattle betonte zum Ende seines Impulsvortrags, dass alle Lösungsansätze (egal ob diese Waren- oder Reiseverkehr auf Straße oder Schiene betreffen) nur dann funktionieren, wenn die Regionen im Alpenbogen die Verkehrsprobleme ganzheitlich betrachten und zusammenhalten.

Diesen Ansatz verteidigte der Landeshauptmann auch in der anschließenden Diskussion. In teils leidenschaftlich vorgetragenen Statements präsentierte auch die Logistikbranche ihre Nöte und betonte die Notwendigkeit einer schnellen Lösung. Ob diese nun im Ausbau des Güterverkehrs auf der Schiene oder der Einführung intelligenter Steuerungselemente liege, müssen alle Akteure der betroffenen Regionen eruieren. Wie Mattle betonte, sei das gemeinsame Gespräch auf dem Sommerempfang schon einmal der erste, wichtige Schritt in die richtige Richtung.