Stellungnahme zur Verkehrsinfrastruktur in Schleswig-Holstein

© Rainer Pregla | ADAC Schleswig-Holstein e.V.

ADAC Vorstand Verkehr und Technik Lars Münchau zur Verkehrsplanung und -situation in Schleswig-Holstein:

Rückbesinnung auf die Lebenswirklichkeit der Menschen

Kiel. Wenn es bei der Verkehrsplanung in Schleswig-Holstein bei einigen Parteien und Verbänden weiterhin hauptsächlich um die Durchsetzung eigener Ideologien geht, muss man sich um die Infrastruktur im Lande ernsthaft Sorgen machen. Das sagt Lars Münchau, Vorstand Verkehr und Technik beim ADAC Schleswig-Holstein. Egal, ob es um die Verkehrswende, den Straßen- oder Schienenausbau oder auch nur deren Erhalt, den Hochlauf der E-Mobilität, alternative Kraftstoffe, Tempolimits oder Parkraum geht – die Vernunft und die sachlichen Argumente, die sich an den Notwendigkeiten und der Lebenswirklichkeit der Menschen orientierten, bleiben zunehmend auf der Strecke. Dazu zählt auch das Hickhack um die angebliche Streichung der Autobahn 20 aus dem Beschleunigungsgesetz des Bundes, wie es die Grünen jüngst als eigenen Erfolg verkaufen wollten, was wiederum von Bundesverkehrsminister Volker Wissing heftig dementiert wurde. Diese Debatte reiht sich aus
Sicht von Lars Münchau beim Thema Verkehrspolitik ein in eine Kette von Behauptungen,
Faktenverdrehungen oder schlichte Ignoranz gegenüber fachlicher Expertise
und sachlichen Argumenten.

Der ADAC Schleswig-Holstein möchte bei diesen Themen zur Versachlichung der
Debatte beitragen.

Allein Schleswig-Holsteins Autofahrer standen nach ADAC-Berechnungen in 2022 fast 7800 Stunden im Stau. Das sind über 21 Stunden Stau an jedem Tag des Jahres. Neben dem zeitlichen Verlust und dem wirtschaftlichen Kosten, wird darüber der Umwelt erheblicher Schaden zugefügt. Deshalb müsse das Ziel sein, den Verkehr flüssiger zu halten.

Doch einige Gruppierungen propagierten lieber sehenden Auges den Stillstand. „Böse gesagt, es braucht gar keine Klimakleber mehr, der Verkehr klebt oft genug schon von allein auf der Straße“, so Münchau weiter. Es gehe doch nicht darum, die Bedenken von Naturverbänden oder Umweltschützern nicht ernst zu nehmen. Aber diese müssten bitte auch goutieren, dass die Planer – wie bei der A20 – mit zahlreichen Ausgleichsmaßnahmen oder erheblichen Mehrkosten den Arten- und Tierschutz berücksichtigten. Im Fall der A20 stünden 820 Hektar Gesamtflächenverbrauch knapp 2.000 Hektar an Ausgleichs- und Ersatzflächen gegenüber.

„Wer die Verkehrswende mit E-Mobilität propagiert und die Autofahrer zum Wechsel auf ein solches Fahrzeug drängt, sollte nicht permanent das Auto schlecht reden. Auch E-Autos benötigen ein gut ausgebautes Straßennetz und Parkraum“, erklärt Münchau.

Die Küstenautobahn A 20 sei unstrittig ein wesentlicher Baustein zur Erschließung des nordwestdeutschen Verkehrsraumes. „Sie verbindet die Städte und Regionen, hilft die anderen Verkehrsachsen zu entlasten und wird dazu beitragen, dass die wirtschaftliche Entwicklung der Regionen entlang der Straße Fahrt aufnimmt, der Tourismus gedeiht“, so Münchau. Als Beispiel, wie dieser Verlagerungseffekt aussieht, zählt Münchau die viel befahrenen Strecken der A1 und A7 auf. Experten haben für den Knotenbereich A1/A7 errechnet, dass mit der A20 pro Tag rund 20.000 Fahrzeuge weniger durch den Elbtunnel und 3.500 Pkw und Lkw weniger über die Elbbrücken führen.

„Wer denkt außerdem an vielen geplagten Anwohner in den Orten, die aktuell belästigt werden, wenn sich die Autofahrer über die Bundes- und Landesstraßen quälen müssen, weil die Ostseeküstenautobahn fehlt?“, fragt Münchau. In Bad Segeberg könnten die Anwohner aufatmen, weil zukünftig 44 Prozent weniger Fahrzeuge (13.400) den Ortskern über die B206 passierten.

Außerdem trage die A20 durch ihre Vernetzungsfunktion dazu bei, Güter von der Straße auf die Schiene oder das Wasser zu verlagern, weil sie die nötige Anbindung an Häfen und Güterverkehrsumschlagsplätze ermögliche, auch wenn dies nur minimale Entlastung brächte, denn Experten erwarten einen massiven Anstieg des Güterverkehrs. „Diesen komplett auf die Schiene verlagern zu wollen, ist pures Wunschdenken. Die vorhandenen Bahntrassen bewältigen aktuell schon den Personenverkehr nicht, es würde Jahrzehnte dauern, die Infrastruktur hierfür aufzubauen, von den nicht vorhandenen Finanzmitteln für die benötigten Investitionen mal zu schweigen“, erläutert Münchau.

„Wer die Auswirkungen von Kaputtsparen im Lande nachvollziehen will, braucht nur einen Blick in die am Donnerstag (09.02.2022) vom Wirtschaftsministerium vorgelegte Liste der über 100 fälligen Baumaßnahmen von Autobahnen, Brücken, Bundes- oder Landesstraßen vorzunehmen“, so Lars Münchau. Die Sünden der Vergangenheit holten uns hier nun ein. Das Land habe allein bei der Erhaltung einen so gewaltigen Nachholbedarf, dass man fürchten müsse, das Neubauvorhaben oder Erweiterungen aus dem Blick geraten könnten.

Münchau lobt, dass der frühere Verkehrsminister Bernd Buchholz 2018 ein umfangreiches Sanierungsprogramm für Schleswig-Holsteins Landesstraßen auf den Weg gebracht hat. Für die Sanierung der Landesstraßen stehen in diesem Jahr aus dem Gesamtetat fürs schleswig-holsteinische Straßennetz in Höhe von 380 Millionen über 92 Millionen Euro zur Verfügung. Damit werden in 2023 deutlich mehr Mittel für die Straßeninfrastruktur in die Hand genommen als 2022, von denen ein Teil auch in den Ausbau der A20 fließen soll. „Das ist richtig und gut so“, betont Lars Münchau.

„Auch der neue schleswig-holsteinische Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen setzt hier aus unserer Sicht die richtigen Prioritäten“, so Münchau weiter. Mit Blick auf die A20 findet auch der ADAC, dass ein verlangsamter Bau einer schon beschlossenen Autobahn der Umwelt einen Bärendienst erweist. „Nach den vielen Ausgleichsmaßnahmen und den teuren Umsiedlungen von Fledermaus, Zwergschwan oder Haselmaus muss es jetzt doch Kompromisse und Lösungen geben, die dauerhaft Bestand haben und, wenn sie denn einmal beschlossen wurden, auch zügig umgesetzt werden können“, sagt Münchau.

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