ADAC Expertenreihe: Verkehr neu denken

Im NH Hotel Bingen fand am Mittwoch, 18. Juni unsere diesjährige Expertenreihe unter dem Titel „Autoverkehr innerorts neu denken“ statt. Auf Einladung der ADAC Regionalclubs Mittelrhein, Hessen-Thüringen, Saarland und Pfalz kamen rund 120 Fachleute aus Verwaltung, Wissenschaft, Stadtplanung und Verbänden zusammen. Gemeinsam diskutierten wir Wege hin zu einer ausgewogenen, lebenswerten Mobilität in Städten und Gemeinden.
Mobilitätswende als Chance für alle Verkehrsformen
Eröffnet wurde die Veranstaltung von Petra Dick-Walther, Staatssekretärin im rheinland-pfälzischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium. In ihrem Grußwort unterstrich sie, dass die Mobilitätswende nicht gegen das Auto gerichtet sein dürfe – vielmehr brauche es ein intelligentes Miteinander aller Verkehrsformen. Rheinland-Pfalz investiere daher gezielt in Radschnellwege, digitales Verkehrsmanagement und modernes Parkraummanagement, um die Aufenthaltsqualität in Innenstädten zu erhöhen. Gerade im ländlichen Raum sei das Auto unverzichtbar. Entscheidend sei, attraktive Angebote statt Verbote zu schaffen. Zudem warb sie für mehr Geschwindigkeit in Genehmigungsprozessen und eine enge Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen.
Realitätsnahe und sozial verträgliche Mobilitätswende
In ihrer Keynote stellte Victoria Ditzel, Vorstandsmitglied Verkehr, Umwelt und Technik des ADAC Hessen-Thüringen, klar: Die Mobilitätswende muss realitätsnah, sozial verträglich und dialogorientiert gedacht werden. Der Pkw habe für viele Menschen – ob Pendelnde, Familien oder mobilitätseingeschränkte Personen – weiterhin eine zentrale Bedeutung, besonders im ländlichen Raum. Gleichzeitig betonte sie die Notwendigkeit, ökologische Herausforderungen ernst zu nehmen. Verbesserungen bei Luftqualität und Lärmschutz durch technische Entwicklungen wie E-Mobilität seien bereits erreicht. Dennoch bleibe die hohe Flächenbeanspruchung des Autoverkehrs ein stadtplanerisches Problem. Für eine echte Veränderung brauche es gesellschaftlichen Rückhalt und attraktive Alternativen. „Nicht der Verzicht aufs Auto allein bringt Fortschritt, sondern die Verfügbarkeit überzeugender Alternativen, die die Lebensrealität der Menschen ernst nehmen“, so Ditzel.
Wissenschaft und Praxis im Austausch
Im Anschluss folgten sechs spannende Fachimpulse zu aktuellen Entwicklungen in Verkehrsplanung und -politik:
Michael Pollok (BBSR) zeigte auf, wie Siedlungsstruktur und Mobilitätsverhalten zusammenhängen – und wie durch Verdichtung und Digitalisierung Wege reduziert werden können.
Dr. Philine Gaffron (Agora Verkehrswende) erinnerte daran, dass Mobilität auch soziale Teilhabe bedeutet und betonte die Bedeutung gesundheitlicher und ökologischer Rahmenbedingungen.
Jörg Thiemann-Linden (Verkehrsplaner, Bonn) präsentierte konkrete Beispiele zur Umgestaltung von Straßenräumen – mit Raum für Rad- und Fußverkehr, ohne den Pkw zu verdrängen.
Christian Laberer (ADAC e. V., München) stellte aktuelle Zahlen zur Pkw-Nutzung vor. Sie zeigen: Der Pkw bleibt vielerorts ein zentrales Verkehrsmittel – gerade außerhalb urbaner Ballungsräume.
Stefan Haendschke (DEPOMM e. V.) stellte betriebliches Mobilitätsmanagement als Werkzeug für Veränderung vor – mit Jobtickets, Radförderung und gezielter Kommunikation.
Dr. Uli Wolter (Oberursel) berichtete praxisnah über kommunale Strategien, wie sich Autoverkehr gezielt steuern und in nachhaltige Gesamtstrategien einbinden lässt.
Große Lösungen für vernetzte Mobilität
Ein zentrales Ergebnis der Veranstaltung war die Forderung, Verkehrs- und Mobilitätssysteme künftig integriert und größer zu denken statt isolierter Einzelmaßnahmen. Große statt kleine Lösungen lautete das Fazit: Intelligente Verkehrsführung, einheitliche Parksysteme, leistungsfähige digitale Parkraum-Infrastruktur („Smart Parking“) sowie App-basierte Mobilitätsketten, die Pkw, ÖPNV, Fahrrad und Sharing nahtlos verbinden. Echtzeit-Verkehrsdaten und offene Schnittstellen sollen helfen, Verkehr zu entzerren, Flächen effizienter zu nutzen und neue Angebote alltagstauglich zu machen.
„Unsere Expertenreihe zeigt: Mobilität muss vernetzt, faktenbasiert und mit Blick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt gestaltet werden. Der Dialog zwischen Kommunen, Planenden und Verkehrsteilnehmenden ist dafür ein entscheidender Baustein“, betonte Dr.-Ing. Volker Kettenring, Vorstandsmitglied Verkehr und Technik des ADAC Pfalz, in seiner Abschlussrede.

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