Gaffen ist kein Kavaliersdelikt

Gaffer fotografiert Rettungskraft nach Fahrradunfall
Kein schöner Anblick: Schaulustiger filmt bei einem Verkehrsunfall© DRK-Kreisverband Karlsruhe

Nach Verkehrsunfällen zählt jede Minute. Je früher die Rettungskräfte am Unfallort eintreffen, desto größer die Chance, den Opfern helfen zu können. Doch immer wieder behindern Gaffer die Helfer.

  • Das Behindern von Rettungskräften kann tödliche Folgen haben

  • Hohe Strafen für das Fotografieren von Toten

  • Sensationsbefriedigung steht über Verständnis und Mitgefühl

Gaffen und das Behindern von Einsatzkräften haben in den letzten Jahren stetig zugenommen und stellen Rettungskräfte und Pannenhelfer oft vor logistische, aber auch emotionale Probleme.  

Gaffen schadet ja niemandem? Ein fataler Irrglaube

Feuerwehr, Polizei, medizinische Rettungsdienste und die ADAC Pannenhelfer leisten einen wichtigen Job. Bei einem Einsatz zählt jede Sekunde – deshalb ist es im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtig, dass die Rettungsdienste ungestört arbeiten könnenSollten sie durch anhaltende Fahrzeuge oder Menschentrauben rund um den Unfallort nicht schnell genug zu den Verletzten kommen, kann das tödliche Folgen haben. Abgesehen davon, dass die Gaffer das Rettungspersonal und auch sich selbst in Gefahr bringen können. 

Immer wieder berichten Helfer auch von aggressivem Verhalten, wenn sie Schaulustige auffordern, den Unfallort zu verlassen oder das Smartphone wegzustecken. Dabei darf niemand vergessen, dass Notarzt, Polizist oder Hubschrauber-Pilot vor Ort sind, um zum Teil Schwerstverletzten zu helfen. 

Vielen halten an, um zu filmen, nicht um zu helfen

Verkehrspsychologe Ulrich Chiellino erläutert: "Vielen Schaulustigen fehlt das Situationsbewusstsein völlig. Sie sehen nicht, welche Verantwortung für Menschen in Not aktiv zu übernehmen ist. Es entsteht stattdessen der Eindruck, das außergewöhnliche Ereignis passiv verfolgen zu können. Das Einfühlungsvermögen in Situation und Betroffene ist nicht vorhanden, somit auch das Verständnis für die angespannten Rettungskräfte. Dabei sollten diese vielmehr bestmöglich unterstützt werden – sei es durch gezielte Hilfe bei Aufforderung oder eben dadurch, die Rettungskräfte nicht zu behindern."

So verhalten Sie sich im Ernstfall richtig

  • Halten Sie bei stockendem Verkehr auf der Autobahn unbedingt eine Rettungsgasse frei (bis der Stau sich auflöst). Ist ein Unfall die Stauursache, können die Rettungskräfte nur durch diese Gasse schnell zum Unfallort gelangen.

  • Kommen Sie an eine Unfallstelle (an der schon Hilfe geleistet wird), gilt es zügig vorbeizufahren und auf keinen Fall stehenzubleiben, zu drängeln oder zu überholen.

  • Behindern Sie die eintreffenden Rettungskräfte nicht und leisten Sie den Anweisungen von Polizei und Einsatzkräften unbedingt Folge.

  • Und bitte: Machen Sie keine Fotos oder Videos vom Unfallgeschehen!

Warum gaffen Menschen überhaupt?

"Grundsätzlich ist Neugier allen angeboren. Wenn die Sensationslust aber die Oberhand gewinnt, geht der Anstand schnell verloren", erklärt Ulrich Chiellino. "Gaffer gefährden dann sich und andere und verzögern im schlimmsten Fall sogar die Rettungsarbeiten. Viele Schaulustige greifen zum Smartphone, um den Unfall zu filmen. Das Handy gibt ihnen das Gefühl, sich dabei hinter einem Filter verstecken zu können und entfernt sie emotional von der Situation. Hohe Klickzahlen und Gefällt-mir-Angaben bestätigen sie später auch noch in ihrem Verhalten. Wenn Sie online auf einen derartigen Film stoßen, sollten Sie deshalb am besten gar nicht oder nur in ablehnender Weise reagieren", rät der ADAC Verkehrspsychologe. "Außerdem sollte sich jeder überlegen, ob er von sich selbst oder seinen Freunden und Verwandten im Internet Fotos oder Videos in einer lebensbedrohlichen Situation sehen möchte."

Hohe Strafen für Schaulustige

Wer bei Unfällen oder in Situationen, in denen andere Menschen in Not sind, keine Hilfe leistet, wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bestraft. Außer man bringt sich durch die Hilfeleistung selbst in Gefahr. Die Strafen drohen auch, wenn andere Hilfeleistende, eben zum Beispiel Rettungskräfte, behindert werden.

Gaffer, die Verletzte und verunglückte Fahrzeuge fotografieren oder filmen, müssen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe rechnen. Es ist dabei egal, ob die Aufnahmen weitergegeben oder veröffentlicht werden. Was zählt, ist allein die Anfertigung, die laut Strafgesetzbuch "die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt".

Außerdem wird auch das Fotografieren und Filmen von Toten sanktioniert, ebenfalls mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe. Ein Gesetz dazu ist 2021 in Kraft getreten. Dies deckt sich mit der Forderung des ADAC, verstorbene Personen besser vor bloßstellenden Fotos und Videos zu schützen.

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