Marode Brücken: So groß sind die Folgen einer Vollsperrung

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Von Christof Henn

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Norderelbbrücke über die Elbe A1
Welche Folgen die Vollsperrung von Brücken hätte (hier die Hamburger Norderelbbrücke), zeigt eine Untersuchung des ADAC© dpa/Christian Ohde

Der ADAC hat bei fünf Brücken simuliert, was eine Vollsperrung für Pkw- und Lkw-Fahrer, Anwohner und die Umwelt bedeuten würde. Und wie hoch der volkswirtschaftliche Schaden wäre, wenn zu spät saniert oder neu gebaut wird.

  • Untersuchung für vier Autobahn- und eine Bundesstraßenbrücke

  • Volkswirtschaftlicher Schaden allein in Hamburg jährlich 334 Millionen Euro

  • Rund 8000 Autobahn-Brückenbauwerke müssen saniert oder ersetzt werden

Deutschlands Brücken kommen in die Jahre, müssen saniert oder durch Neubauten ersetzt werden. Wie teuer es wird, wenn man zu lange wartet, zeigt die Rahmedetalbrücke auf der A45 bei Lüdenscheid: 2021 gesperrt, 2023 gesprengt, aber erst im Frühjahr 2026 soll die Ersatzbrücke fertig sein. Circa 170 Millionen Euro wird diese kosten. Aber der volkswirtschaftliche Schaden durch die jahrelange Vollsperrung der Vorgängerin dürfte deutlich höher sein.

Welche Belastungen Vollsperrungen für Pkw- und Lkw-Fahrer, Anwohner sowie die Umwelt bedeuten und welcher Schaden für die Volkswirtschaft entsteht, zeigt eine Untersuchung des ADAC. An fünf Brücken im Fernstraßennetz hat der Club das vom Ingenieurbüro PTV Transport Consult GmbH simulieren lassen. Alle fünf Brücken stehen in der bundesweiten Sanierungs- und Neubauliste weit oben.

Hamburg: Norderelbbrücke auf der A1

Die Norderelbbrücke
Eine Vollsperrung der Norderelbbrücke hätte gravierende Folgen© dpa/ABBfoto

Die mehr als 60 Jahre alte Norderelbbrücke auf der A1 nutzen täglich rund 125.000 Fahrzeuge. Auf der Karte sieht man deutlich, wie weiträumig der Verkehr bei einer Vollsperrung ausweichen müsste: vor allem auf die ohnehin stark befahrene A7. Die Berechnungen der Simulation ergeben allein für Pkw-Fahrerinnen und -Fahrer mehr als 150 Millionen Extrakilometer jährlich.

Das bedeutet fast 14 Millionen Stunden mehr am Steuer, für Brummifahrer wären es rund 3,2 Millionen. Das alles hätte höhere CO₂-Emissionen und zusätzlichen Kraftstoffverbrauch zur Folge. Und wäre sehr, sehr teuer: Der volkswirtschaftliche Schaden bei einer Vollsperrung läge bei 334 Millionen Euro. Jedes Jahr.

Bonn-Nord: Friedrich-Ebert-Brücke auf der A565

Aufnahme der Friedrich-Ebert-Brücke
Wichtig für alle, die über den Rhein müssen: Die Friedrich-Ebert-Brücke Bonn-Nord© dpa/Jochen Tack

120.000 Fahrzeuge überqueren jeden Tag auf der Friedrich-Ebert-Brücke in Bonn den Rhein. Bei einer Vollsperrung dieses Teils der A565 müssten Pkw-Fahrer pro Jahr 50 Millionen Kilometer Umwege in Kauf nehmen und wären rund acht Millionen Stunden länger als sonst unterwegs. Lkw-Fahrer kämen auf 5,5 Millionen Kilometer Umwege und wären 1,3 Millionen Stunden mehr am Steuer.

Die meisten würden bei einem Ausfall der Brücke weit nach Norden in den Kölner Raum ausweichen, andere würden im Süden von Bonn über den Rhein fahren. Volkswirtschaftlicher Schaden pro Jahr: 170,2 Millionen Euro.

8000 Brückenbauwerke müssen saniert werden

In Deutschland gibt es etwa 40.100 Brücken im Bundesfernstraßennetz (Autobahnen und Bundesstraßen). Viele sind 40 Jahre oder älter. Eine Brücke besteht oft aus mehreren Teilbauwerken, zum Beispiel je Fahrtrichtung eines. Bis etwa 2040 müssen rund 8000 Autobahn-Brückenbauwerke saniert werden, meistens ist ein Neubau erforderlich.

Das prioritäre Brückenmodernisierungsnetz des Verkehrsministeriums umfasst auf rund 7000 Kilometern Autobahn 4000 Bauwerke. Dazu kommen 4000, die ebenfalls angegangen werden müssen. Das ist aber nicht alles: Auf den Bundesstraßen müssen weitere 3000 Brückenbauwerke saniert oder neu gebaut werden.

Regensburg: Donaubrücke Sinzing auf der A3

Die Donaubrücke Sinzing auf der A3, westlich von Regensburg© imago images/Manfred Segerer

Eine Vollsperrung der 930 Meter langen Donaubrücke Sinzing auf der A3 westlich von Regensburg hätte zur Folge, dass Pkw- und Lkw-Fahrer weite Umwege über die Autobahnen 93 und 6 in Kauf nehmen müssten. Wer zum Beispiel von Neumarkt in der Oberpfalz nach Straubing möchte, wäre 26 Minuten länger unterwegs. Lkw-Fahrer müssten sogar ein Plus von 28 Minuten einkalkulieren. Und auch die Bundesstraße 16 nach Kelheim würde stärker belastet. Schaden für die Volkswirtschaft: 75,2 Millionen Euro pro Jahr.

Heilbronn: Böllinger Talbrücke auf der A6

Aufnahme des Brücke über das Böllinger Tal
Auf der A6 bei Heilbronn-Biberach: Die Böllinger-Talbrücke© Autobahn GmbH

Sogar Reisende von Stuttgart nach Karlsruhe könnten betroffen sein. Denn die A8 würde durch eine Vollsperrung der Böllinger Talbrücke auf der A6 bei Heilbronn-Biberach durch ein erhöhtes Verkehrsaufkommen belastet. Wesentlich stärker würde es natürlich den Großraum Heilbronn treffen, wo der Verkehr in einzelnen Ortsdurchfahrten um mehr als 1000 Prozent zunehmen könnte.

Anstrengend für Pkw- und Lkw-Fahrerinnen und -fahrer, aber vor allem auch für die Anwohner. Der jährliche volkswirtschaftliche Schaden einer Brückenvollsperrung ist auch hier enorm: 171,6 Millionen Euro.

Neue Verkehrsregeln, Spritpreise und Verbraucher-Tipps

Leipzig: Agra-Brücke auf der B2

Die Agra Brücke
Die einzige Bundesstraßenbrücke in der ADAC Analyse: Die Agra-Brücke bei Markkleeberg, südlich von Leipzig© dpa/Jan Woitas

Die einzige Bundesstraßen-Brücke in der ADAC Untersuchung liegt zwischen Markkleeberg und Leipzig. Im Vergleich zu den Autobahnbrücken wäre der Schaden pro Jahr mit 14,4 Millionen Euro zwar verhältnismäßig niedrig. Aber für alle, die normalerweise auf der B2 unterwegs sind, und für die Anwohner der Ausweichrouten wären die Folgen deutlich spürbar: Der Verkehr würde bei einer Vollsperrung der Agra-Brücke in die Ortschaften westlich und östlich der Bundesstraße drücken.

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Alle Ergebnisse der ADAC Analyse im Detail
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Fazit: Neue Brücken braucht das Land

Die vom ADAC in Auftrag gegebene Simulation verdeutlicht, dass Brückensperrungen im deutschen Fernstraßennetz erhebliche Auswirkungen haben: große Umwege, längere Fahrzeiten, Beeinträchtigungen der Anwohner der Ausweichrouten, erhöhten Kraftstoffverbrauch und damit steigende Emissionen.

ADAC Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand fordert, die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel aus dem Sondervermögen jetzt zu nutzen und in den nächsten Jahren weiter zu steigern, um die Sanierung und Erneuerung von Bauwerken zu beschleunigen: "Mit jedem weiteren Jahr, das bei der Erneuerung einer Brücke ungenutzt verstreicht, steigen die Risiken für Folgeschäden und damit für starke Belastungen von Autofahrern, Anwohnern und Volkswirtschaft erheblich."