Fahrradfahrer am Elbufer in Dresden

Was Dresden besser macht als andere Städte

In der Elbmetropole sind alle, die am Verkehr teilnehmen, zufriedener als anderswo in Deutschland. Das belegt eine Umfrage des ADAC in 15 Großstädten. Warum ist das so?

Fahrradfahrer am Elbufer in Dresden

Nirgendwo sonst in Deutschlands 15 größten Städten sind die Menschen mit den Fortbewegungs-Möglichkeiten so zufrieden wie in Dresden – egal ob sie zu Fuß gehen, mit dem Rad fahren, das Auto nutzen oder mit Bus und Bahn unterwegs sind.

In der aktuellen, bundesweiten ADAC Umfrage "Mobil in der Stadt" liegt das sächsische Elbflorenz in allen Kategorien vorne. Es scheint, als würde Mobilität hier mehr geschätzt.

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Interviews hat der ADAC mindestens in jeder der 15 Großstädte mit Einwohnern, Pendlern und Besuchern für seine Umfrage geführt.

Der ADAC hat zum zweiten Mal nach 2017 untersucht, wie zufrieden die Menschen in deutschen Großstädten über 500.000 Einwohner mit der Mobilitätssituation sind. Positive und negative Aussagen wurden dabei verrechnet, sodass am Ende eine Zahl steht, die die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit messbar macht (die Skala reicht von +100 bis -100).

Die Zufriedenheit der Menschen in Deutschland ist zwar insgesamt im Vergleich zu der ersten Umfrage zurückgegangen, wie die Grafik unten zeigt. Dresden aber festigte im neuen ADAC Monitor den Spitzenplatz von 2017 – gefolgt von Leipzig, München und Nürnberg. Immerhin: In den meisten Großstädten sind mehr Befragte mit der Mobilität zufrieden als unzufrieden. Nur bei den beiden Schlusslichtern Duisburg und Köln ist es umgekehrt: Hier stellen die Unzufriedenen die Mehrheit.

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Beschäftigte sind im Stadtplanungsamt von Dresden für die Verkehrskonzeption und -entwicklung verantwortlich.

Planung über Jahrzehnte

Was läuft also in Dresden besser? Einer, der es wissen sollte, arbeitet in dem World Trade Center genannten Büro- und Gewerbekomplex etwas außerhalb der Altstadt: Frank Fiedler leitet in Dresden die städtische Verkehrsentwicklungsplanung, eine Abteilung mit 20 Be­schäftigten in drei Sachgebieten. "Wir denken bis 2045 voraus, trei­ben aber auch viele Projekte voran, die sich schnell umsetzen lassen", sagt er.

Frank Fiedler verantwortet die Verkehrsentwicklungsplanung der Stadt Dresden

Eines von Frank Fiedlers Lieb­lingsprojekten sind die sogenannten Mobilitätspunkte.

Mehr als 60 dieser Schnittstellen zwischen ÖPNV, (Lasten-)Radverleih und Carsha­ring mit E-Ladesäulen für Autos sind seit 2018 in der Elbmetropole entstan­den. Sie sollen es den Bürgerinnen und Bürgern erleichtern, zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln zu wechseln.

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Mobilitätspunkte gibt es im Dresdner Stadtgebiet ungefähr, an denen man einfach zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln wechseln kann.

Offenbar hat das Ange­bot einen ohnehin schon beliebten ÖPNV noch attraktiver gemacht: 73 Prozent der Befragten loben die Dichte der Haltestellen, 64 Prozent die kurzen Wege beim Umsteigen und 63 Prozent die Fahrtinformationen an Haltestel­len, in Bussen und Bahnen oder über Apps. Unzufrieden sind die Menschen in Sachsens Hauptstadt nur mit dem Parkplatzangebot an ÖPNV-Stationen.

Steuerung in Echtzeit

Zu den Zufriedenen gehört auch die Dresdnerin Sylvia Berndt. "Der ÖPNV ist wirklich super", sagt die Lehrerin, die vor allem dann mit den gelben Straßenbahnen und Bussen fährt, wenn die Strecke zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu weit ist. Damit profitiert sie von einem System, das das Fahrpersonal in Echtzeit über die Lichtsignalsteuerung informiert – und ihnen beispielsweise empfiehlt, noch eine Minute länger an der Haltestelle zu bleiben, um optimal im Verkehr zu schwimmen.

Portrait von Sylvia Berndt

Sylvia Berndt schätzt den Zustand und die Sauberkeit der ausschließlich niederflurigen Fahrzeuge im ÖPNV. Und sie findet es gut, dass die Dresdner Verkehrsbetriebe viel mit ihrer Kundschaft kommunizieren – sowohl in als auch auf den Fahrzeugen.

Ein Bus fährt durch Dresde

"Wir machen uns für Sie lang", steht zum Beispiel auf XXL-Bus­sen der Dresdner Verkehrsbetriebe, die mehr Passagierinnen und Passagiere als andere fassen.

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Bürgerinnen und Bürger haben sich beim Dresdner Mobilitätsplan 2035+ vorab eingebracht, der die politischen Leitziele für die Stadt vorgibt.

Die Lehrerin Sylvia Berndt findet offene Kommunikation grundsätzlich wichtig, wenn es um Mobilität geht. Deshalb nimmt sie zusam­men mit anderen am MobiDialog 2035+ teil, in dem Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit Vertretern aus Wissenschaft, Politik, Verbän­den und Institutionen Ideen zur künftigen Mobilität in Dresden entwickeln. "Nur durch solche Be­teiligung und kontinuierliches Erklären lässt sich Mobilität positiv verändern", glaubt auch Verkehrsplaner Frank Fiedler.

Alle orientieren sich an Leitzielen, die der Stadtrat 2022 beschlossen hat und bereiten Entscheidungen zu deren konkreter Umsetzung vor – zum Beispiel weniger Autoverkehr und bessere Angebote für den Radverkehr.

Direkte Wege für Radler

Auch bei der Radfahrer-Zufrieden­heit liegt Dresden in der aktuellen ADAC Umfrage vorn, gleichauf mit München und dicht gefolgt von Leipzig. Am meisten schätzen die Menschen in der Elbmetropole die Zuverläs­sigkeit, mit der sie auf dem Fahrrad ihr Ziel erreichen, und die kurzen, direkten Wege. Nicht zufrieden sind die Dresdnerinnen und Dresdner wie auch Radelnde in anderen Großstädten, wenn es um die Durchgängigkeit des Radwegnetzes und das Verhalten der E-Scooter-Fahrenden geht.

Nils Larsen sieht noch weiteren Verbesserungsbedarf. Der Vorstand des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs Dresden (ADFC) weist darauf hin, dass es in seiner Stadt leider überdurchschnittlich viele Fahrradunfälle gibt – unter anderem, weil breite Spuren, großzügige Kurvenradien und koordinierte Ampelschal­tungen aus seiner Sicht manche motorisierten Verkehrsteilnehmer zum Rasen verleiten. "Abgesehen davon gibt es eine Menge positive Entwicklun­gen", sagt der ADFC-Vorstand.

ADFC Vorstand Nils Larsen

"Dresdens Leihfahrradsystem ist wahrscheinlich bundesweit Spitze, und die Fahrradmitnahme im ÖPNV funktioniert gut", sagt Nils Larsen.

Außerdem verweist er auf das Dresdner Rad­verkehrskonzept, wodurch Kfz-Verkehrsflächen in Radfahrstreifen um­gewandelt wurden, und eine erste Radvorrangroute in Betrieb ging.

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Kilometer lang ist das Straßennetz zirka in Dresden. Entlang vieler Hauptverkehrsstraßen verlaufen Radwege, über fast 430 Kilometer.

Hinzu kommen viele kleine, aber längst nicht selbstverständliche Maßnahmen, die das Radfahren er­leichtern: Aktuell konzipiert die Stadtverwaltung Umleitungen für Radfahrer bei Großereignissen wie Konzerten. Und seit drei Jahren gibt es einen Winterdienst auf Rad­wegen. Der werde schrittweise aus­gebaut, sagt Fiedler, und helfe in­direkt auch anderen am Verkehr Teilnehmenden: "Busse und Bah­nen wären zu voll, wenn im Winter alle auf den ÖPNV umsteigen."

Gehweg-Verbesserungen

Die Dresdner Verkehrsplaner haben auch Menschen im Blick, die ohne Verkehrsmittel unterwegs sind. Seit dem Jahr 2022 gibt es eine Fußverkehrsstrategie. Ihre Ziele: be­stehende Gehwege verbessern und wo nötig verbreitern, Lücken im Gehwegnetz schließen und mehr Möglichkeiten schaffen, Haupt­straßen sicher zu überqueren.

Laut dem aktuellen ADAC Monitor sind direk­te Wege, gesicherte Überquerungsmöglichkeiten und die Breite der Gehwege wichtige Faktoren. In allen 15 untersuchten Großstädten sind die Fußgängerin­nen und Fußgänger mit der Infra­struktur relativ zufrieden. Als störend werden oft das Verhalten von E-Scooter- und Radfahrenden und fehlende Sitzmöglichkeiten empfunden.

Dresden führt beim Fußverkehr vor München und Leipzig. Duisburg und Köln liegen 2023 erneut am Ende des Ergebnis-Rankings – allerdings auf einem gu­ten Niveau: Anders als bei den übrigen Verkehrsmitteln in diesen beiden Städten sind die Befragten überwiegend zufrieden, wenn sie zu Fuß unterwegs sind. Die jeweiligen Städtedetails aus der ADAC Umfrage "Mobil in der Stadt" zeigt die Grafik unterhalb.

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Stellplätze für Autos gibt es im Dresdner Stadtgebiet in etwa. Und rund 500 Parkscheinautomaten. Das Anwohnerparken kostet 30 Euro im Jahr.

Das glatte Gegenteil gilt für die Stimmung bei Autofahrenden, die in die Großstädte pendeln, sie regelmä­ßig mit dem Pkw besuchen oder dort wohnen. Abge­sehen von Dresden überwiegt über­all im Autoverkehr die Unzufriedenheit – wobei Pen­delnde meist unzufriedener sind als Einheimische. Ganz besonders nerven sie E-Scooter, hohe Parkgebühren und Baustellen. Auch bei Spitzenreiter Dresden sind Autofahrende weit weniger zufrieden als andere Verkehrsteilnehmer.

Nachteile fürs Auto

Markus Löffler, Leiter Umwelt, Verkehr und Technik beim ADAC Sachsen, kennt die Gründe: "Die Verkehrsplanung zielt darauf ab, den Anteil des Pkw-Verkehrs zu re­duzieren." Deshalb werde wenig getan, um die Verhältnisse für Autofahrende im Straßenverkehr zu verbessern.

"Stattdessen erhöht die Stadt die Parkgebühren, weitet das Anwohnerparken aus und baut Fahrspuren zugunsten des Radverkehrs ab", sagt Löffler. Dennoch sei Dresden bis auf einige Hotspots nicht übermäßig von Staus geplagt.

Autos und Tram auf einer Straße in Dresden

Dresden hat sich selbst das Ziel gesetzt, den An­teil des Fußgänger-, Fahrrad- und ÖPNV-Verkehrs von zuletzt 64 auf mindestens 75 Prozent bis zum Jahr 2035 steigern zu wollen.

Die Angebote sollen in Zukunft so gut ausgebaut und vernetzt sein, dass sie die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen in Dresden ohne eigenes Auto erfüllen.

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Stundenkilometer beträgt die durchschnittliche Geschwindigkeit, mit der sich Autos in Dresden durch den Stadtverkehr bewegen.

Allzu schwer möchte die Stadt Autofahrenden das Leben aber auch nicht machen: "Eine gute Balance ist wichtig, denn die Menschen werden auch in 30 Jahren noch Auto fahren", sagt Verkehrsplaner Fiedler.

Zu­mal sie hier schneller ans Ziel kommen als anderswo: Mit durch­schnittlich 26 km/h, hat er er­mittelt, sind Pkw in Dresden das zügigste Verkehrsmittel (ÖPNV 19 km/h) – sicherlich auch ein Grund für die höhere Zufriedenheit in der Landeshauptstadt Sachsens.

Wachsende Unzufriedenheit

Bei allem Positiven gibt es eine ne­gative Entwicklung, die die Gewin­nerstadt Dresden mit allen teilneh­menden Metropolen gemein hat: Die Menschen sind heute deutlich unzufriedener als in der letzten Be­fragung des ADAC im Jahr 2017. Ganze 9 Indexpunkte niedriger liegt die durchschnittliche Zufriedenheit in der Umfrage "Mobil in der Stadt" aus 2023. Doch wie kann es sein, dass sich die Mobilitäts-Stimmung in den deutschen Großstädten in kurzer Zeit so verschlechtert hat?

Menschen steigen aus einer Tram in Dresden

Immerhin ist das Verkehrsangebot in den Metropolen in den Jahren zwischen 2017 und 2023 zumindest gleichgeblieben oder hat sich sogar verbessert.

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Befragungen zur Veränderung der Mobilität durch die Corona-Pandemie hat das DLR seit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 durchgeführt.

Eine Einordnung für die laut der ADAC Umfrage schlechtere Mobilitäts-Stimmung kann das Deut­sche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) liefern. Beim DLR leitet Profes­sorin Meike Jipp den Bereich Ener­gie und Verkehr. Zuvor hat die Psy­chologin zum Mobilitätsverhalten geforscht. "Mich überrascht die Entwicklung nicht", sagt Jipp und bietet zwei Erklärungen an: Der derzeitige Fachkräftemangel treffe den ÖPNV und damit auch die Pas­sagiere und ihre Nerven.

Und auf die gesamte Mobilität wirken sich noch Corona-Effekte aus: "Wäh­rend der Pandemie waren Straßen und Verkehrsmittel leerer", sagt sie, "nun nehmen viele subjektiv etwas als Verschlechterung wahr, das ei­gentlich die Rückkehr zur früheren Mobilität ist."

Aber vielleicht trägt dieser Effekt bei Menschen auch dazu bei, Mo­bilität besser zu machen als vor Corona – nicht nur in Dresden.

Alle Ergebnisse aus dem ADAC Monitor "Mobil in der Stadt" sind hier in einer PDF-Datei zusammengefasst.

Text: Christoph Henn. Digitales Storytelling: André Gieße. Bildredaktion: Carolin Erbe

Fotos: imago images/Sylvio Dittrich, ADAC Motorwelt/Sven Döring (3), dpa/Robert Michael, ADAC/Thomas Schlorke, dpa/Monika Skolimowska