Janina Schall: Vom GT-Wagen in den Formel-E-Boliden
Von Redaktion Südbayern

Nachwuchsfahrerin Janina Schall gibt einen exklusiven Einblick in den Frauen-Test der Formel E. Der Weg dorthin war voller Überraschungen und intensiver Vorbereitung. Wie sie sich in kürzester Zeit auf das Abenteuer einstellte und was sie aus dem Test für ihre Zukunft mitnimmt – ein Erfahrungsbericht zwischen Simulator, Boxenstopp und Teamarbeit.
In der vergangenen Woche bestritt die Formel E auf dem Circuit Ricardo Tormo ihre Testtage. Abgeschlossen wurden diese am Freitag von einem Test, an dem 14 Rennfahrerinnen teilnahmen. Für das Werksteam von Porsche nahm Janina Schall in einem 99X Electric daran teil. Der ADAC Südbayern unterstützte die sportliche Entwicklung der 20-jährigen in der Vergangenheit bereits in seinem Junior Team.
Interview mit Janina Schall
Die Öffentlichkeit hat eine Woche vor dem Formel-E-Test erfahren, dass du daran teilnehmen wirst. Erzähl doch bitte mal, wie es dazu gekommen ist und wann wusstest du, dass du diese Chance mit Porsche erhalten würdest?
Ich weiß es natürlich schon ein bisschen länger. Ich glaube, ich habe zwei Monate vorher den Anruf bekommen, ob ich Lust hätte, daran teilzunehmen. Dann ging es tatsächlich relativ spontan weiter. Ich durfte schon zwei Tage später das erste Mal bei Porsche Motorsport in Weissach im Motion Sim (Bewegungssimulator, Anm. d. Red.) fahren. Da haben wir geschaut, ob ich mich da gut einfinden kann und ob der Test realistisch ist. Das hat ganz gut geklappt. Zuerst haben wir ausgemacht, dass ich noch mal kommen darf. Die Entscheidung, dass ich in Valencia dann den Test fahren darf, kam aber für mich auch relativ spontan. Ich habe zwei Wochen vorher die Zusage bekommen, dass Porsche das gerne mit mir machen möchte.
Du hast gerade schon das den Motion Sim angesprochen. Erkläre bitte, was darin passiert beziehungsweise wie wird da die die Fahrt auch simuliert im Vergleich zu einem stationären Simulator.
Im Motion Sim versucht man, die G-Kräfte und was man halt im echten Auto fühlen würde, bestmöglich nachzustellen. Bei mir lag in der Vorbereitung der Fokus auf einer Mischung aus dem statischen und dem beweglichen Simulator. Ich habe erstmal versucht, das Auto an sich kennenzulernen, die Strecke, die Bremspunkte und so weiter. Es ging ja auch darum, sich bei einer niedrigeren körperlichen Belastung auch auf die mentalen Anforderungen vorzubereiten. Die Bewegung kam dann später dazu, um dann das richtige Fahrverhalten spüren.
Ging es auch darum, Abläufe wie die Zusammenarbeit mit den Ingenieuren zu üben?
Es war eine Mischung aus beidem. Also ich habe erst mal die Strecke kennengelernt, die ich vorher nicht kannte. Ich war nur mal zum Zuschauen in Valencia. Aber natürlich haben wir auch direkt die Arbeit mit den Ingenieuren geübt. Es war immer mindestens ein Ingenieur vor Ort, mit dem ich immer Rücksprache halten konnte und der mir Tipps gegeben hat, wie ich mich verbessern kann. Ich habe dann auch schon Rückmeldungen zum Setup gegeben und wie sich die jeweiligen Einstellungen auf der Strecke angefühlt haben.

Der Frauentest fand ja am letzten Tag der gesamten Testwoche statt. Hattest du dann auch die Möglichkeit, an den vorherigen Tagen Informationen aufzusaugen?
Ich bin am Mittwochabend angereist und durfte dann am Donnerstag schon an die Strecke gehen und habe das Team kennengelernt. Ich konnte den Stammfahrern zuschauen und habe in der Box auch die Abläufe gesehen, was mir für den Test am Freitag geholfen hat.
Wir war der Austausch mit den Porsche-Stammfahrern Nico Müller und Pascal Wehrlein? Hast du dir von ihnen auch ein paar Tipps geholt?
Ja, auf jeden Fall. Wir haben hatten schon die letzte Simulator-Einheit zusammen verbracht. Da konnte ich schon bisschen schauen, wie sie fahren und dabei viel von ihnen lernen. Und auch ansonsten waren sie immer offen für Fragen, auch vor Ort. Von ihnen habe ich immer gute Antworten und Tipps bekommen.
Was waren das für Tipps?
Vor allem konkret zur Fahrweise auf der Strecke. Auf jeder Strecke gibt es bestimmte Sachen, die einzigartig sind. Da geht es darum, wie sehr man an einzelnen Stellen die Randsteine mit in die Ideallinie einbezieht. Das ist zum Teil auch ein Unterschied zum Simulator, weil das Setup dann doch nicht identisch ist. Aber auch abseits der Strecke waren sie gute Ansprechpartner, beispielsweise wenn es um das richtige Verhalten in Interviewsituationen ging.
Der Testtag bestand aus zwei Sessions. Wie bist du an diese herangegangen?
Wir hatten jeweils drei Stunden Zeit, die von einer Mittagspause unterbrochen waren. Morgens haben wir darauf konzentriert, dass ich erstmal das Auto und die Strecke kennenlerne und sehe, wie das Team arbeitet. Am Nachmittag lag unser Augenmerk eher auf Performance, um zu schauen, dass ich mich verbessern kann. Wir haben unter anderem konkret an der Fahrweise in Kurven gearbeitet.
In der Session am Nachmittag haben die Teilnehmerinnen weniger Runden zurückgelegt. Welche Gründe gibt es dafür?
Mehrere Fahrerinnen haben auf ihren Social-Media-Kanälen auch darüber berichtet, dass es körperlich sehr anstrengend ist. Die Formel-E-Autos der aktuellen Generation haben keine Servolenkung, was speziell uns Frauen ziemlich fordert. Selbst die Stammfahrer müssen das Setup der Autos nach dem Qualifying und für das Rennen etwas anpassen, damit sie die Renndistanz von rund 45 Minuten mit konstanter Leistung bestreiten können. Vom Körperbau her sind wir da faktisch benachteiligt. Das ist dann auch ein Sicherheitsfaktor, weshalb wir uns entschieden haben, weniger Runden zu drehen.

Was war denn dein persönliches Ziel für den für den Test?
Porsche hat mir am Anfang schon den Druck genommen und mir gesagt, ich solle mich nicht zu sehr auf die Rundenzeiten und die Performance konzentrieren. Es ging für mich darum, mich über den Tag so gut wie möglich zu verbessern. Primär ging es darum, die Arbeit in einem solchen Team kennenzulernen. Natürlich möchte man als Fahrer immer schnell sein.
War es für dich das erste Mal, dass du mit einem Formelauto gefahren bist? Du bestreitest ja normalerweise im GT-Wagen auf der Nordschleife. Was sind die wichtigsten Unterschiede?
Ja, ich habe vorher noch nie ein Formelauto gefahren. Und es waren natürlich sehr viele neue Eindrücke für mich. Außerdem war es tatsächlich das erste Mal, dass ich im Automobilsport auf einer Rennstrecke gefahren bin, die nicht die Nordschleife ist. Es war ja nicht nur fahrerisch ganz anders, sondern auch vom Ziel, das ich verfolgt habe. Ich bin in Valencia wenige Runden am Stück gefahren und dann wieder in die Box gekommen. Der Fokus im Langstreckensport ist natürlich ganz anders.
Es war sicherlich auch eine neue Erfahrung, dass du das Auto speziell auf deine Bedürfnisse abstimmen konntest und keinen Kompromiss mit anderen Fahrern finden musstest, wie es bei Langstreckenrennen der Fall ist.
Ja, das stimmt. Im Langstreckensport liegt der Fokus eher auf dem Team. Es muss sich jede Fahrerin gut mit dem Auto verstehen, wenn man das so sagen kann. Da geht es nicht darum, dass eine Fahrerin schnell ist. Und es geht auch nicht darum, eine schnelle Runde fahren zu können. Wichtig ist, konstant gute Rundenzeiten zu fahren.

Gibt es trotzdem etwas, das du aus diesem Test für die Rennen auf der Nordschleife mitnehmen kannst.
Es hilft immer, wenn man Runden sammelt. Man sollte so viel wie möglich im Auto sitzen, auch wenn es jetzt nicht das Auto ist, das ich auf der Nordschleife fahre. Wovon ich am meisten profitieren kann, ist die Arbeit mit dem Team und mit dem Ingenieur. Das habe in dem Ausmaß noch nicht gemacht. Es hat mir enorm geholfen, wenn der Ingenieur genau sagt, was man in einzelnen Kurven anders machen kann. Das nehme ich auf jeden Fall auch für andere Rennen mit.
Wie läuft es denn im Vergleich dazu in der Langstrecke ab? Die Arbeit mit dem Ingenieur.
Die Arbeit ist nicht so stark persönlich. Wir haben bei uns im Team einen Ingenieur, der für alles zuständig ist. Bei Porsche in der Formel E gibt es einen Performance-Ingenieur, einen Renningenieur und viel mehr Leute. Dadurch kann sich jede Person eben auf ganz bestimmte Sachen konzentrieren.
Wie, wie geht es denn jetzt nächstes Jahr im Motorsport weiter? Bist du auf den Geschmack gekommen, was den Formelrennsport angeht?
Ja, definitiv. Ich hatte natürlich sehr viel Spaß und ich würde es auch gerne noch mal probieren. Ich möchte jede Möglichkeit, die ich bekomme, nutzen. Aktuell ist im Formelsport nichts geplant. Es ist immer so, dass am Ende der Saison die Gespräche für das nächste Jahr geführt werden. Aktuell habe ich noch keine Pläne für die Saison 2026.
Was ist die Formel E?
Die Formel E wurde 2014 ins Leben gerufen und hat seit der Saison 2020/2021 den offiziellen Status einer Weltmeisterschaft des Automobilweltverbands FIA. Die Fahrzeuge der aktuellen Generation haben zwei Leistungsmodi: Im Normalbetrieb stehen 300 kW zur Verfügung. Im Qualifying und in bestimmten Rennsituationen können die Piloten 350 kW abrufen.
Die erste reinelektrische Formelrennserie der Welt bestreitet in der bevorstehenden Saison ihre Rennen hauptsächlich auf temporären Stadtkursen in Metropolen wie Berlin, London und Tokio. In mehreren Städten wie Schanghai, Mexiko-Stadt und Monaco finden die sogenannten ePrix auf Formel-1-Kursen statt.
Porsche ist der einzige deutsche Hersteller, der mit einem Werksteam in der Rennserie vertreten ist. In einer Kooperation mit Lola-Yamaha ist auch das Abt-Team aus Kempten in der Rennserie vertreten. Mit Maximilian Günther aus Oberstdorf stammt auch ein Pilot aus dem Gebiet des ADAC Südbayern.