Schutz vor Verkehrschaos: Abfahrtsverbot für Bundesstraße in Farchant?

Eine Gemeinde im Landkreis Garmisch-Partenkirchen reagiert mit einer drastischen Maßnahme auf den Transitverkehr. Erstmals soll entlang einer Bundesstraße ein Durchfahrtsverbot an Wochenenden, Feiertagen und in den Ferien gelten. Als Vorbild dient das Durchfahrtsverbot entlang der A8 im Landkreis Rosenheim.
Erstmals Durchfahrtsverbote entlang einer Bundesstraße?
Die B2 am südlichen Ende der A95 ist ein Verkehrsnadelöhr in Richtung Österreich und retour. 2020 wurde der Tunnel Farchant eröffnet, um die gleichnamige Gemeinde zu entlasten. Doch auch der Farchanter Tunnel kann den Strom aus Touristen, Ausflüglern und Einheimischen nicht bändigen. Da es sich wenige Kilometer weiter in Partenkirchen staut, springt die Ampel vor dem Tunnel regelmäßig auf Rot. Die Blockabfertigung führt dazu, dass zahlreiche Autofahrer wieder direkt durch Farchant fahren und dort ein Verkehrschaos auslösen. Um das zu verhindern, will die Gemeinde ein faktisches Abfahrtsverbot von der B2 bei Stau erlassen. Die neue Regelung soll noch vor Weihnachten in Kraft treten. Es wäre das bundesweit erste Verbot dieser Art entlang einer Bundesstraße.
Durchfahrtsverbot entlang der A8 als Vorbild
Als Vorbild dient der Landkreis Rosenheim, der vor dem Start der diesjährigen Sommerferien sogenannte Durchfahrtsverbote im Fall eines Staus auf der A8 einführte und für Schlagzeilen sorgte. Die umstrittene Maßnahme soll an besonders verkehrsintensiven Tagen am Wochenende und an Feiertagen dafür sorgen, dass kein Ausweichverkehr entsteht und der Stau auf der Autobahn bleibt. Selbes Ziel verfolgt die Gemeinde Farchant. Einziger Unterschied, diesmal geht es nicht um Ausweichverkehr von der Autobahn, sondern Auslöser ist eine überlastete Bundesstraße.
Sind die Verbote nützlich und rechtmäßig?
Dass dieses System zur temporären Entlastung der Bevölkerung beitragen kann, sieht man in Tirol, wo bereits seit 2019 auf die sogenannten Abfahrtssperren zurückgegriffen wird. Jahrelang war jedoch klar: Abfahrtsverbote wie in Tirol oder Salzburg sind in Deutschland nicht möglich. Ein Umdenken auf Bundesebene machte im Sommer den Weg für die Maßnahmen der Gemeinde Rosenheim frei. Es war absehbar, dass weitere Landkreise dem Vorbild folgen würden. Fraglich bleibt, ob die Maßnahmen wirklich aktuell geltendem Recht entsprechen. Aber selbst, wenn die Umsetzung rechtens ist: Kann eine Abfahrtssperre bzw. ein Durchfahrtsverbot die Verkehrsprobleme der Gemeinde Farchant lösen? Die Antwort hierauf lautet, wie schon bei den Maßnahmen in Rosenheim: Jein.
Natürlich ist es nachvollziehbar, dass Farchant seine Einwohner vor den Mehrbelastungen des Ausweichverkehrs schützen will. Zumal die Umgehungsstraße nachweislich noch nicht den Effekt erzielt, für den sie einst in Betrieb genommen wurde. Das grundlegende Problem für die langen Rückstaus und das hohe Verkehrsaufkommen in der Region wird jedoch nicht gelöst. Hier bräuchte es ganzheitliche und vermutlich auch grenzüberschreitende Lösungsansätze.
Auch darf bezweifelt werden, dass sich die Verkehrsteilnehmer wirklich an die Durchfahrtsverbote halten. Denn für die Durchsetzung einer solchen Regelung ist die Polizei zuständig. Und es wäre utopisch anzunehmen, dass die örtlichen Einsatzkräfte genug Kapazitäten frei haben, um alle Fahrzeuge abseits der Bundesstraße zu kontrollieren. Auch dürfte das drohende Bußgeld von bis zu 50 Euro nicht alle Personen vom Abfahren abhalten.
ADAC Einschätzung: Durchfahrtssperren lösen Probleme nicht
Durchfahrtssperren lösen keine langfristigen Probleme. Angesichts vieler Ungewissheiten – angefangen von der rechtlichen Lage bis hin zur offenen Frage einer effektiven Kontrolle – hätte die gesamte Region mehr davon, die Verkehrsführung durch die Region bis nach Österreich komplett zu überdenken und ganzheitliche Lösungen zu suchen. Bis zu einer Lösung und der damit einhergehenden Entlastung der betroffenen Verkehrsadern können Durchfahrtsverbote nachvollziehbare Versuche sein, die Belastung der betroffenen Gemeinden zu reduzieren. Sie müssen aber ausgewogen sein und ausreichend kommuniziert werden. Neben Beschilderung auf der Bundesstraße fordert der ADAC auch eine Integration von Hinweisen in den Navigationssystemen. Dennoch ist es wichtig, Touristen einen möglichst freien Zugang zu allen Urlaubsregionen zu ermöglichen. Andernfalls kann auch der Tourismus in Bayern als wichtiger Wirtschaftszweig unter den Maßnahmen leiden.