ADAC Verkehrspräsident zu den grün-roten Verkehrsplanungsvorhaben in Kiel

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ADAC Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand zum Vertrag der Kieler grün-roten Kooperation

„Kampfansage gegen die Autofahrenden und die Mobilität in der Landeshauptstadt“

Kiel (15.08.2023) „Der Entwurf für den Kooperationsvertrag des Kieler Rathausbündnisses aus Grünen und SPD kann nur als einseitige Kampfansage gegen die Autofahrenden, aber auch gegen die Interessen von Wirtschaft und Handel in der Landeshauptstadt verstanden werden“, sagt Gerhard Hillebrand, Verkehrspräsident im ADAC und Vorsitzender des ADAC Schleswig-Holstein. In dem Papier kämen bei der Planung für ein generelles Tempo 30 nun die wahren Absichten der Verkehrsideologen beider Parteien zum Vorschein, so der Club-Vorsitzende. Der ADAC reagiert damit auf den heute bekannt gewordenen Kooperationsvertrag, der noch von beiden Kreisverbänden der Parteien abgesegnet werden
muss.

„Es zeigt sich, dass die Politiker nichts aus dem Chaos bei der Verkehrsplanung der letzten Zeit gelernt haben“, so Hillebrand weiter. Dabei sei der wachsende und mehr als berechtigte Unmut von Pendlern, Kunden, Anwohnern und der Wirtschaft doch unüberhörbar, werde aber fortgesetzt ignoriert.

Die Landeshauptstadt produziere von Jahr zu Jahr Negativschlagzeilen, weil durch die unabgestimmte Verkehrsplanung mit Sperrungen, Umleitungen und Umwidmungen auf der einen, sowie massiven Behinderungen durch dringend benötigte Straßensanierungen auf der anderen Seite, der Verkehr zum Erliegen gebracht werde. „Man muss es so deutlich sagen: Der Eiertanz des Oberbürgermeisters fällt diesem jetzt voll auf die Füße“, so Hillebrand.
Ulf Kämpfer könne der Bevölkerung nicht Pragmatismus vorgauckeln und die Pannen bei der Verkehrsplanung mit Kommunikationsproblemen erklären und gleichzeitig die grün-roten Phantastereien widerspruchslos unterstützen. „Es ist doch unbestritten: Natürlich ist jeder, auch der ADAC, für eine lebenswerte Stadt mit bester Wohn- und Aufenthaltsqualität. Die Lebensrealitäten dürfen hier aber nicht ausgeblendet werden“, so Hillebrand weiter. Ohne Mobilität gehe es nicht. „Mag ja sein, dass die Innenstadtbewohner und junge Menschen das alles zu Fuß und per Fahrrad erledigen wollen und können, der Großteil der Kieler Bevölkerung kann es nicht“, unterstreicht der ADAC Vorsitzende.

Die Kritikpunkte des ADAC

Generelles Tempo 30: Es ist in den letzten Jahren gelungen, die Wohngebiete mit Tempo 30 zu beruhigen und den Haupt- und Durchgangsverkehr auf den Hauptachsen zu bündeln. Wenn der Vorteil der höheren Geschwindigkeit auf der Hauptverkehrsstraße wegfällt, werden Pendler, Gewerbetreibende und andere motorisierte Verkehrsteilnehmer wieder den kürzesten Weg suchen. Damit belastet der Verkehr dann wieder die Wohngebiete.

Diesen Effekt bestätigt eine ADAC-Untersuchung: Ein Großteil der Fahrleistung verlagert sich auf Erschließungsstraßen und damit in Wohnbereiche, wo schon zuvor eine Tempo-30 Regelung galt. Die Fahrleistung erhöht sich demnach um bis zu 17 Prozent.

Verkehrssicherheit: An Gefahrenstellen und Unfallschwerpunkten konnte auch bisher schon das Tempo abgesenkt werden, wovon die Landeshauptstadt Kiel unter ihrem OB Kämpfer auch reichlich Gebrauch gemacht hat. Durch die Ausweichverkehre in Wohngebiete besteht in Folge des höheren Verkehrsaufkommens hier eher die Gefahr von Unfallsteigerungen. Ein Blick in die Unfallstatistik bestätigt, dass die Unfallschwerpunkte an Knotenpunkten und unübersichtlichen Stellen liegen. Die Geschwindigkeit spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

Der ADAC plädiert für einen verbesserten ÖPNV und der damit einhergehenden verdichteten Taktzeiten um somit eine höhere Akzeptanz für den öffentlichen Personennahverkehr zu erreichen. Mit einer erweiterten Einführung von Tempo-30-Zonen verschlechtern sich zwangsläufig die Taktzeiten im ÖPNV, was zu Verzögerungen und höheren Betriebskosten führen wird.

Umweltschutz: Regelmäßige Untersuchungen des ADAC belegen, dass Tempo 30 keinen nennenswerten Einfluss auf Abgasemissionen hat. So wird weder Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid (NOx) oder die CO2‐Emissionen reduziert. Im Gegenteil: Die Untersuchung belegte, dass eine Reduzierung der zulässigen Geschwindigkeit auf 30 km/h insgesamt sogar zu schlechteren Ergebnissen führte. Wichtiger ist hier die Abgastechnologie der Fahrzeuge selbst, die in den vergangenen Jahren erhebliche Fort-schritte zu verzeichnen hat.

Empfehlenswert wäre die Einführung einer grünen Welle auf den Hauptverkehrsachsen, eine maßvolle Ausweitung von Tempo 30 im Bereich von Gefahrenschwerpunkten und Tempo 50 als Regelgeschwindigkeit für jene Straßen, die die Verkehrsströme zu bewältigen haben.

Gutscheine für Senioren, die ihren Führerschein abgeben: Städte wie Lübeck haben es vorgemacht. Die Resonanz auf solche Angebote fällt sehr positiv aus. Der ADAC begrüßt alle freiwilligen Maßnahmen dieser Art. Die soziale Teilhabe muss dabei ebenso gewährleistet sein, wie die Versorgung. Das wird für diejenigen, die nahe City wohnen möglich sein, für ein Großteil der Bevölkerung mit schlecht angebundenem ÖPNV nicht.

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