ADAC Experte Jörg Kirst: Verkehre von außen nach innen denken und planen

Lebhafte Diskussion beim Workshop zum neuen Verkehrsentwicklungsplan in Lübeck
Lübeck - Wie kann die Hansestadt Lübeck die Mobilität für alle Bürgerinnen und Bürger zukunftsfähig gestalten. Fest steht, dass sich die gesellschaftlichen und räumlichen Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich verändert haben. Deshalb wird der über ein Vierteljahrhundert alte Verkehrsentwicklungsplan (VEP) der Hansestadt Lübeck neu aufgestellt. Damit wird das Ziel verfolgt, einen Rahmenplan und Strategien zur Steuerung des Mobilitätsverhaltens und des Verkehrs in Lübeck für die nächsten 15 Jahre festzulegen. Dazu fand jetzt im Rahmen der Bürgerbeteiligung ein Workshop unter dem Motto „Wie soll der öffentliche Straßenraum aufgeteilt werden“ statt, zu dem auch der ADAC Schleswig-Holstein e.V. eingeladen war und mit dem Leiter Verkehr und Technik, Jörg Kirst, einen kompetenten Experten nach Lübeck geschickt hatte. In einem Impulsvortrag erläuterte Landschaftsarchitektin Johanna Reisch vom Büro Henning Larsen die Vision eine Stadtarchitektur aufzubauen, die auch den gehäuften Starkregenereignissen als Folge des Klimawandels standhalten kann. "Ziel ist es, trotz dieser Wettereignisse den natürlichen Wasserhaushalt zu regulieren", so Reisch. Anhand von Projektbeispielen erläuterte die Landschaftsarchitektin, wie dies über Speicher, Rigolen, Fassaden- oder Dachbegrünung und Baumpflanzungen gelingen kann. Auch die Mobilität müsse sich den neuen Anforderungen stellen.
Für die Stadtwerke Lübeck Mobil forderte dessen Geschäftsführer Anras Ortz eine Bevorrechtigung für Busse. "Momentan stehen unsere Busse genauso im Stau wie alle anderen. Da wird es mit der Pünktlichkeit schwierig."
Dr. Wolfgang Raabes Plädoyer für eine Fahrradfreundliche Stadt betonte den Aspekt für die Gesundheit: "Jeder mit dem Velo gefahrene Kilometer trägt zur Verlängerung der Lebenszeit bei.
Dr. Elke Kruse von der Klimaleitstelle der Stadt Lübeck unterstrich die Notwendigkeit, dass alle Maßnahmen zum Klimaanpassungskonzept passen müssen. "Die Verkehrsflächen sind am stärksten vom Klimawandel betroffen, deshalb besteht hier dringender Handlungsbedarf", so Kruse.
Der Leiter der Abteilung Verkehr und Technik beim ADAC Schleswig-Holstein e.V., Jörg Kirst, verwies auf die rund 43 Tausend Pendler, die täglich in die Hansestadt wollen. "Lübeck muss diese Mengen erst einmal bewältigen. Also sollten die Verkehre von außen nach innen gedacht werden." Der ADAC schlägt daher ein ausgefeiltes Park & Ride Konzept vor, damit die Autos vor der Stadt blieben. Dazu brauche es einen attraktiven Pendelverkehr zwischen diesen Parkplätzen und den Hotspots in der Stadt. In den nächsten Schritten könne man über Quartiersgaragen mit einem angepassten Management nachdenken, um auch den Anwohnern bei dem knappen Raum Abstellmöglichkeiten zu geben, so Kirst weiter.
Deutlich wurde bei allen Vorstellungen, dass der Verkehrsraum anders aufgeteilt werden muss, damit alle Gruppen zu ihrem Recht kommen. Im anschließenden Workshop gingen die rund 100 Teilnehmer an 10 Arbeitstischen daran, mit maßstabgetreuen Schablonen für einen modellhaft ausgewählten Abschnitt der Fackenburger Allee das Verkehrslayout neu zu gestalten. Bei den einen überwogen die Grünflächen, bei anderen lag der Schwerpunkt auf den Radverkehr, wieder andere versuchten das Problem des Berufsverkehrs durch zeitabhängige Zweispurigkeit zu lösen. Am Ende waren sich alle einig, dass es die ideale Lösung nicht gibt und irgendeine Gruppe immer Abstriche wird machen müssen. Die Lösung könnte darin bestehen, dass noch mehr auf die Funktion der Straßen geschaut wird. Bei den Einfallsstraßen und Verkehrsachsen wird der motorisierte Verkehr mehr in den Fokus rücken, als bei anderen Verbindungsstraßen. Auf jeden Fall bleibt die Erkenntnis, dass die Verkehrsplaner wahrlich keinen leichten Job haben, wenn sie alle Interessen möglichst gerecht unter einen Hut bringen müssen. Christian Stolte, Leiter der Abteilung Stadtentwicklung bei der Hansestadt, versprach, dass alle Ideen des Workshops als wertvolle Anregung in den Planungsprozess eingehen sollen. Der Verkehrsentwicklungsplan dürfte noch für reichlich Gesprächsstoff sorgen. RAINER PREGLA