Im Interview: Dekra-Partner Varesi erklärt steuerbare Wallboxen nach Paragraf 14a EnWG
Beim Thema Steuerbarkeit von Wallboxen und der dazugehörigen Gesetzeslage besteht bei vielen Verbrauchern Unsicherheit. Hauptgrund hierfür: Am 1. Januar 2024 ist der überarbeitete Paragraf 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) in Kraft getreten. Dieser fördert die Einbindung von steuerbaren Geräten wie beispielsweise nicht öffentlich-zugängliche Ladestationen für Elektrofahrzeuge. So können Nutzer steuerbarer Wallboxen Kunden von niedrigeren Netzentgelten profitieren.
Paragraf 14a gilt verpflichtend für steuerbare Wallboxen über 4,2 Kilowatt
Finanzielle Anreize für flexiblen und netzdienlichen Energieverbrauch
Für installierte Wallboxen vor dem 1. Januar 2024 gilt: Bestandsschutz bis Ende 2028
Im ADAC Experteninterview erläutert Andreas Varesi, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands Beratung neue Mobilität BBNM e.V. und Kooperationspartner von Dekra,
Dr. E die neuen Regelungen und was diese bedeuten.
Kurz erklärt: Das regelt Paragraf 14a des EnWG
Der Paragraf 14a des EnWG (folgend §14a genannt) regelt die Nutzung sogenannter „steuerbarer Verbrauchseinrichtungen“ (kurz: SteuVE). Seit der Novellierung und den Beschlüssen der Bundesnetzagentur können Netzbetreiber ab dem 1. Januar 2024 bei drohenden Netzüberlastungen die Leistung dieser Geräte, wie etwa Wallbox, Solaranlage, Wärmepumpe etc., vorübergehend reduzieren beziehungsweise dimmen.
Was bedeutet das für Verbraucher? Sie können eine Reduzierung ihrer Netzentgelte als Gegenleistung für die Steuerbarkeit erhalten. Zudem lassen sich nunmehr Wallbox, Wärmepumpe & Co. ohne Wartezeiten auf die Genehmigung des Netzbetreibers anschließen.
Im Gespräch: Dr. E und Dekra-Partner Andreas Varesi
Andreas Varesi, Leiter der eMobile Academy und Kooperationspartner von Dekra, steht für Innovation und Fortschritt in der Elektromobilität und engagiert sich für nachhaltige Mobilität. Seit 2023 ist er Vorstand des Bundesverbands Beratung neue Mobilität. Im Expertengespräch mit Dr. E, Pressesprecher und Redakteur bei der ADAC SE, nimmt Andreas Varesi die Neuregelungen des EnWG und deren Auswirkungen auf Verbraucher unter die Lupe.
Hallo Herr Varesi. Viel wird diskutiert und gemutmaßt über den §14a des EnWG. Worum geht es im Kern?
Andreas Varesi: Den §14a des EnWG gibt es bereits seit 2011. Er hatte ursprünglich festgelegt, dass Verteilnetzbetreiber durch reduzierte Netzentgelte Anreize zur Netzentlastung schaffen sollten, um zum Beispiel beim Laden von Elektroautos die Ladeleistung entsprechend herunterregeln zu können. Genaueres war darin nicht geregelt und auch keine Verpflichtung an der Steuerung teilzunehmen.
Der finanzielle Anreiz allein stand jedoch in keinerlei Relation zu den technischen Herausforderungen auf Seiten der Netz- und der Ladestationsbetreiber. Die gewünschte Netzentlastung hat daher in der Praxis so gut wie nie stattgefunden.
Unter anderem aus diesem Grund wurden am 27. November 2023 neue Beschlüsse veröffentlicht, die seit dem Jahr 2024 gelten. Was hat sich konkret für den privaten Wallbox-Betreiber geändert?
Varesi: Der §14a des EnWG wurde Anfang 2023 überarbeitet und verpflichtet nun zur netzorientierten Steuerung von sogenannten „steuerbaren Verbrauchseinrichtungen“ und „steuerbaren Netzanschlüssen“. Ziel ist es, auch in Spitzenlastzeiten die Stabilität des Stromverteilnetzes hin zu den Verbrauchern zu gewährleisten.
Die Bundesnetzagentur wurde damit beauftragt, die genauen Modalitäten hierfür zu erarbeiten. Ein ausführliches Regelwerk mit einem Gesamtumfang von knapp 160 Seiten wurde am 27. November 2023 veröffentlicht und gilt seit dem 1. Januar 2024. Steuerbare Verbrauchseinrichtungen sind demnach Wärmepumpen, Solaranlagen und nicht-öffentliche Ladepunkte für E-Autos, also Wallboxen. Es wird genau geregelt, wie, wann und in welchem Umfang die Drosselung von Wallboxen erfolgen darf.
Die Besitzer von Wallboxen, die ab 2024 in Betrieb genommen wurden, müssen an dieser Steuerung teilnehmen und erhalten im Gegenzug einen Anspruch auf Netzanschluss sowie eine Reduktion des Netzentgeltes. Verteilnetzbetreiber arbeiten aktuell an Standards für die Steuerung über das Netz. Sobald sie jedoch in einen Netzabschnitt steuernd eingreifen, müssen sie gleichzeitig mit einer priorisierten Netzertüchtigung im betreffenden Abschnitt des Stromnetzes beginnen – also das Netz ausbauen. Diese Verpflichtungen führen auf Seiten der Verteilnetzbetreiber zu hohem technischen und organisatorischen Zusatzaufwand. Dies ist wohl auch ein Grund, warum uns bisher noch kein Fall bekannt ist, in dem der Verteilnetzbetreiber tatsächlich die Steuerung von Wallboxen aktiv umgesetzt hat.
Was bedeutet das für E-Autofahrer, die sich jetzt eine Wallbox kaufen möchten?
Varesi: Sie sollten sicherstellen, dass die Wallbox, die sie beschaffen, auch entsprechend steuerbar ist. Hierfür ist mindestens eine digitale Schnittstelle nötig. Übrigens: Privathaushalte, die für ihre Wallbox von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gefördert wurden, mussten diese Voraussetzung bereits erfüllen. Wer sichergehen möchte, findet unter dem Suchbegriff "§14a EnWG konforme Wallbox" zahlreiche Angebote im Internet. Diese Wallboxen können durch den Netzbetreiber von 22 oder 11 Kilowatt auf 4,2 Kilowatt heruntergeregelt werden.
Schwieriger wird es, wenn die Wallbox Teil eines Ladekonzeptes mit mehreren Ladepunkten ist. Da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass nie alle Fahrzeuge gleichzeitig laden, muss der Verteilnetzbetreiber hier nicht verpflichtend die 4,2 Kilowatt pro Ladepunkt vorhalten. Vielmehr liefert er einen Maximalwert pro Netzanschluss, welcher sich an der Gesamtanzahl von Wallboxen orientiert. Wenn dann alle Ladepunkte gleichzeitig genutzt werden, ist es theoretisch möglich, dass jeder einzelne Ladepunkt mit sehr niedrigen Ladeströmen versorgt wird. In seltenen Fällen kann das zu einem Ladeabbruch führen.
Vor dem Wallbox-Kauf: ADAC rät
Bevor man sich eine Wallbox anschafft, sollte geprüft werden, ob alle Voraussetzungen in der Garage oder im Carport erfüllt sind. Unsere Checkliste zum Download hilft, wichtige Anforderungen wie Stromversorgung, Standort und Genehmigung zu berücksichtigen, damit die Installation und Inbetriebnahme reibungslos verläuft.
Das heißt, Nutzer von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen haben für die netzorientierte Steuerung des Netzbetreibers Anspruch auf eine Netzentgeltreduzierung – also auf eine finanzielle Entschädigung?
Ja, eine Entschädigung in Form eines reduzierten Netzentgeltes erhalten jene Wallboxbetreiber mit einer steuerbaren Wallbox. Für Neuanlagen ist dies immer der Fall. Bei Altanlagen im Fall, wenn beispielsweise die Steuerbarkeit nachgerüstet wird oder wenn ein alter Autostromtarif besteht. Anspruch auf eine entsprechende Entschädigung besteht dabei unabhängig davon, ob der Verteilnetzbetreiber nun regelt oder nicht.
Dafür gibt es drei verschiedene Entschädigungsmodelle:
Modul 1 ermöglicht eine pauschale Reduktion von 50 bis 95 Prozent des Netzentgelts, was einer Ersparung zwischen 110 und 190 Euro pro Jahr entspricht. Hierfür muss der Wallbox-Betreiber auch keine weitere Hardware vorhalten.
Modul 2 richtet sich an Vielfahrer, die von einer sechzigprozentigen Reduzierung des Arbeitspreises profitieren. Dafür ist jedoch ein separater Zähler notwendig.
Modul 3 bietet ab 2025 die Nutzung zeitvariabler Netzentgelte, um Lastspitzen effektiv zu reduzieren und kann nur mit Modul 1 kombiniert werden.
Das heißt, wer zu einer Zeit mit hoher Netzlast lädt, zahlt deutlich mehr als derjenige, der beispielsweise in der Nacht oder am Wochenende lädt. Zu welchen Zeiten eine Vergünstigung gewährt wird, muss der Verteilnetzbetreiber anhand tatsächlicher Auslastungswerte festlegen.
Kann diese Netzentgeltreduzierung vom Verbraucher selbst berechnet werden?
Das ist nur bei Modul 2 möglich, hier ist die sechzigprozentige Reduktion des Netzentgeltes fest vorgeschrieben. Bei Modul 1 und Modul 3 hat der Verteilnetzbetreiber entsprechende Spielräume in der Ausgestaltung der Entschädigung.
Nun kann aber Stand heute nicht jede Wallbox durch den Netzbetreiber gesteuert werden? Was tun, wenn ich bereits eine nicht-steuerbare Ladestation betreibe? Muss ich wechseln und mir eine steuerbare Wallbox anschaffen?
Wenn die Wallbox vor dem 1. Januar 2024 in Betrieb genommen wurde, gilt ein Bestandsschutz bis 31. Dezember 2028.
Doch auch nicht-steuerbare Ladestationen ohne digitale Schnittstelle können nicht einfach vom Verteilnetzbetreiber verboten werden. Hier muss der Käufer aber dafür sorgen, dass vor die Wallbox eine Abschalteinrichtung installiert wird, die auf das Steuersignal des Netzbetreibers hin, den Ladevorgang unterbricht.
Lese-Tipp: Zum Thema „Integration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen“ hat die Bundesnetzagentur Antworten auf die häufigsten Fragen zusammengestellt: FAQ zu SteuVE
Zu den neuen Gesetzesregelungen und insbesondere nach dem Förderstopp werden weniger E-Autos verkauft. Bringt diese „Kaufdelle“ eine verringerte Wallboxnachfrage mit sich?
Richtig, wir bemerken einen massiven Einbruch über alle Bereiche der E-Mobilität hinweg. Nicht nur der Absatz von E-Autos ist deutlich zurückgegangen, sondern auch öffentliche wie private Ladestationen werden deutlich seltener installiert. Diese Delle hat aktuell beispielsweise zur Insolvenz der Parkstrom GmbH, einem renommierten Lösungsanbieter für Ladeinfrastruktur aus Berlin, geführt.
Neben dem Paragraf 14a des EnWG hat auch die „Alternative Fuels Infrastructur Regulation“ (kurz: AFIR) – als Teil des EU-Gesetzespakets, das zum Ziel hat, bis 2050 europaweit klimaneutral zu werden – für massive Verunsicherung gesorgt. So wurde das entscheidende Dokument zu den Fragen und Antworten, das klären sollte, ob neue öffentliche Normalladesäulen mit aufgeklebtem QR-Code weiter zulässig sind oder gar nicht mehr ans Netz genommen werden dürfen, nur wenige Stunden vor Gültigkeit der AFIR veröffentlicht.
Bemerken Sie dadurch eine Unsicherheit bei den Verbrauchern?
Solche regulatorische Hauruck-Aktionen verunsichern nicht nur Verbraucher, auch wir als Branchenvertreter haben so keinerlei Reaktionszeit, um unternehmerisch darauf zu reagieren. Ein Beispiel, was dies für Anbieter von Ladestationen bedeuten kann: Für eine aufgrund einer neuen Regelung notwendige Änderung an einer eichrechtskonformen Ladestation muss zwingend eine neue Baumusterprüfung durchgeführt werden. Hierfür benötigen die verantwortlichen Behörden bis zu einem halben Jahr. Ein wie im Koalitionsvertrag vereinbarter und durch die EU geforderter schneller Hochlauf der Elektromobilität ist so definitiv nicht realisierbar.
Das Hauptproblem liegt also vor allem in der Kurzfristigkeit, in der aktuell regulatorische Maßnahmen durchgesetzt werden. Der Förderstopp für E-Autos in Deutschland wurde am 16. Dezember 2023 verkündet und galt ab dem 17. Dezember 2023. Die genauen Regelungen für den Paragraf 14a des EnWG wurden am 27. November 20223 veröffentlicht und mussten schon ab Januar 2024 eingehalten werden.
Was halten Sie vom Wallbox-Angebot des ADAC?
Prinzipiell finde ich es gut, wenn Wallboxen dort angeboten werden, wo auch Beratung und Kompetenz vorhanden ist – hier ist der ADAC sicher eine sehr gute Adresse.
In diesem Zusammenhang scheint noch der Hinweis gegeben, dass Käufer mobiler Ladestationen beachten sollten, dass auch hier die Verpflichtung gilt, sie beim Verteilnetzbetreiber anzumelden und sie sind auch zur netzorientierten Steuerung durch den Verteilnetzbetreiber verpflichtet. Inwieweit das bei mobilen Ladestationen realisierbar und realistisch ist, sei dahingestellt.
Vielen Dank, Herr Varesi, für dieses informative Gespräch.