Winterreifen im Sommer fahren: Wie gefährlich ist das?

Winterreifen im Sommer fahren? Das mag bequem sein, weil man sich damit das lästige und teure Wechseln ersparen will. Grundsätzlich ist es zwar erlaubt, Winterreifen im Sommer zu fahren. Es ist aber keine gute Idee, wie ein ADAC Test beweist. Die Fakten.

  • ADAC Test: So reagieren Winterreifen bei Sommer-Temperaturen

  • Schwächen bei Nässe und beim Bremsen

  • Winterreifen "aufbrauchen" nur in Übergangsmonaten

Sie haben schon etwas betagtere Winterreifen, die für den nächsten Winter nicht mehr taugen? Dann hatten Sie sicher schon die Überlegung, die Reifen im Frühjahr einfach drauf zu lassen und den Sommer über noch abzufahren. Verboten ist das nicht. Und auch unter Nachhaltigkeitsgedanken erscheint das sinnvoll. Der ADAC rät dennoch davon ab. Lesen Sie hier, warum.

Darf man Winterreifen im Sommer fahren?

Recht und Bürokratie sind manchmal für den Laien schwer nachvollziehbar. Während Autofahrerinnen und Autofahrer durch die "situative Winterreifenpflicht" verpflichtet sind, bei winterlichen Straßenbedingungen mit Schnee und Eis spezielle Winterreifen mit Alpine-Symbol (stilisierte Bergkette mit Schneeflocke) zu nutzen, dürfen sie umgekehrt Winterreifen im Sommer einfach weiterfahren. Mehr dazu erfahren Sie im Video am Ende des Artikels.

Was genau sind Winterreifen?

Ein Mechaniker mit Sommer- und Winterreifen zum Profilvergleich
Winterreifen (links) und Sommerreifen (rechts) haben sehr unterschiedliche Profile © stock.adobe.com/Ingo Bartussek

Winterreifen erkennt man an den zahlreichen Lamellen, die bei Schnee und Glätte für ausreichend Grip sorgen. Sie bestehen aus einem weicheren Gummi als Sommerreifen, um auch bei Minustemperaturen Fahrstabilität und einen kurzen Bremsweg zu gewährleisten.

An der Kennzeichnung auf der Reifenflanke erkennt man Winterreifen am Alpine-Symbol (Schneeflocke im dreigezackten Berg). Seit 1. Oktober 2024 sind ältere Winter- und Ganzjahresreifen mit bloßer M+S-Kennzeichnung nicht mehr für das Fahren bei winterlichen Bedingungen (Schnee, Eis und Schneematsch) zugelassen.

ADAC Test: Winterreifen im Sommer

Test Winterreifen im Sommer
Test: Haften Winterreifen im Sommer weniger gut?© ADAC/ISP Wolfgang Grube

Die Winterspezialisten im Sommer weiterzufahren, ist keine gute Idee. Denn bei warmen Temperaturen zeigen Winterreifen Schwächen, die sogar gefährlich werden können. Das hat der ADAC bei einem speziellen Reifen-Vergleichstest herausgefunden.

Konkret wurden drei Winterreifen-Modelle mit unterschiedlichen Restprofiltiefen mit einem Sommerreifen verglichen. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, wie stark sich sommerliche Außentemperaturen auf Winterreifen auswirken, die an sich für Kälte, Eis und Schnee ausgelegt sind.

Die Tests auf trockener Fahrbahn wurden einmal bei frühlingshaften 10 bis 13 Grad Celsius und ein anderes Mal bei sommerlichen 35 Grad Celsius durchgeführt. Bei den Fahrten auf nasser Fahrbahn lagen die Außentemperaturen bei 10 bis 13 bzw. bei 25 Grad Celsius.

Ergebnis: Wenig Haftung, lange Bremswege 

Alle drei getesteten Winter-Typen zeigten eklatante Schwächen beim Bremsen. Zwar noch nicht bei nasser Fahrbahn, da erzielten die Winterreifen durchaus akzeptable Werte im Vergleich. Doch ganz anders ist das Ergebnis auf trockener Straße: Je nach Temperatur und Verschleißzustand war der Bremsweg der Winterreifen aus Tempo 100 deutlich länger als mit Sommerreifen.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Während das Auto mit Sommerreifen rechtzeitig vor einem Hindernis zum Stehen käme, wäre es mit Winterreifen noch mit einer Geschwindigkeit von rund 37 km/h unterwegs.

Winterreifen vs Sommerreifen
Eine Wagenlänge Unterschied: Mit Winterreifen bremst man im Sommer deutlich schlechter© ADAC e.V.

Interessantes Detail: Je höher die Profiltiefe der Winterreifen und je höher die Umgebungs- und Asphalttemperaturen, desto länger fiel der Bremsweg aus. Bei Winterreifen, die nur noch 4 Millimeter Restprofil aufwiesen, reduzierten sich die Differenzen beim Bremsweg auf 5 Meter. Das ist zwar besser als im Worst-Case-Szenario, bei dem der ADAC bis zu 16 Meter Differenz ermitteln konnte, aber immer noch ein viel zu langer Weg bis zum Stillstand.

Auch beim Kurvenverhalten zeigen sich spürbare Unterschiede. Mit zunehmender Außentemperatur ließ die Haftung der Winterreifen auf der Straße nach: Das Fahrverhalten wird schwammig und unsicher. Vor allem wenn das Auto mit viel Gepäck beladen wurde, ergab sich eine weitere Verschlechterung der Fahrstabilität. Die Beeinträchtigung war dann schon bei kleinen Lenkbewegungen in lang gezogenen Kurven und Autobahnausfahrten zu spüren.

Fazit: Besser Reifen wechseln

Grundsätzlich ist also davon abzuraten, Winterreifen im Sommer zu verwenden. Ihr Profil und ihre Gummimischung sind auf niedrige Temperaturen ausgelegt und verlieren bei höheren Asphalttemperaturen ihre Vorteile. Hier sind Sommerreifen eindeutig überlegen.

Besonders bei voll beladenem Fahrzeug, etwa auf Urlaubsreisen, ist die Verwendung von Winterreifen im Sommer kritisch zu sehen. Hohe Temperaturen und schwere Lasten führen zu einer stärkeren Erwärmung der Lauffläche und unzureichendem Grip.​

Winterreifen mit nahezu voller Profiltiefe sollten im Sommer auf keinen Fall weiterverwendet, sondern für den nächsten Winter aufgehoben werden.

Ausnahme Übergangsmonate

Bei Reifen mit reduzierter Profiltiefe können die beschriebenen Nachteile geringer ausfallen, wie der Test gezeigt hat. Wer im Sinne der Nachhaltigkeit abgenutzte Winterreifen noch weiterfahren möchte, sollte dies nur in der Übergangszeit tun und folgende Punkte beachten:

  • Hohe Temperaturen meiden: Winterreifen in der Übergangszeit zu verwenden, also im April oder Mai, ist weniger kritisch, da die Temperaturen noch nicht konstant hoch sind. Im Hochsommer sind Winterreifen aufgrund der hohen Asphalttemperaturen allerdings ein Sicherheitsrisiko.

  • Profiltiefe: Achten Sie darauf, dass das Profil der Winterreifen nicht über 4 bis 5 Millimeter liegt. Unterhalb dieser Profiltiefe fallen die negativen Eigenschaften weniger stark aus. Weniger als 3 Millimeter sollte das Profil aber auch nicht haben: Dann steigt das Risiko von Aquaplaning, da der Reifen bei nassen Bedingungen weniger Wasser ableiten und das Fahrzeug leichter aufschwimmen kann. ​

  • Vermeidung von hohen Geschwindigkeiten: Winterreifen sind bei schnellen Fahrten oder hohen Asphalttemperaturen besonders gefährlich. Hohe Geschwindigkeiten können dazu führen, dass der Reifen zu warm wird und seine Leistung stark beeinträchtigt wird.​

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Ganzjahresreifen als Alternative

Wer sich das Räder-Wechseln sparen möchte, kann auf Ganzjahresreifen ausweichen. Deren Gummimischung ist so ausgelegt, dass sie bei Temperaturen zwischen minus 30 und plus 40 Grad funktionieren muss. Auch diese Allwetterreifen sind mit dem Alpine-Symbol gekennzeichnet und können als Kompromiss im Winter wie im Sommer eingesetzt werden.

Wer sich dafür entscheidet, sollte das individuelle Einsatzprofil des Fahrzeugs sowie die Stärken und Schwächen der Reifen genau kennen. ADAC Tests zeigen: Ganzjahresreifen werden immer besser, im 2024er Ganzjahresreifentest wurde sogar erstmalig ein Modell mit "gut" bewertet. Aber auch Reifen, die "befriedigend" abgeschnitten haben, sind zu empfehlen. Hier geht es zu den aktuellen Testergebnissen von Ganzjahresreifen.

Italien: Winterreifenverbot ab 16. Mai

In den Sommermonaten (16. Mai bis 14. Oktober) darf nach einer Verordnung des italienischen Transportministeriums mit Winter- oder Ganzjahresreifen nur dann gefahren werden, wenn diese einen Geschwindigkeitsindex aufweisen, der mindestens dem in der Zulassungsbescheinigung Teil I festgesetzten Geschwindigkeitsindex entspricht.

Lesen Sie Informationen zu Winterreifen-Regelungen im europäischen Ausland.

ADAC Video: Was erlaubt ist – und was nicht