Stickstoff im Reifen: Lohnt sich das teure Gas?

Reifendruckkontrolle mit einem Messgerät
Reifen, die mit Stickstoff befüllt sind, haben grüne Ventilkappen© Shutterstock/oatzpenz studio

Das Angebot des Reifenhändlers klingt verlockend: Anstelle von Luft füllt er Stickstoff in die Reifen – und der Reifendruck bleibt für lange Zeit konstant. Doch stimmt das? Und wie sieht es mit den kosten aus?

  • Teure Füllung: Stickstoff statt Luft

  • Das Versprechen: Weniger Druckverlust

  • Aber: Reifengas bringt kaum Vorteile

Reifenhändler rühren kräftig die Werbetrommel dafür: Eine komplette Füllung aller vier Reifen mit Stickstoff oder sogenanntem Reifengas kostet um die 12 Euro. Dafür sollen die Autoreifen dann weniger Druck verlieren und müssten kaum noch kontrolliert werden. Sogar auf Verschleiß und Kraftstoffverbrauch soll sich Stickstoff positiv auswirken. Was ist dran an den Versprechungen?

Stickstoff nur für Flugzeug- oder Rennreifen

Es stimmt: Stickstoff hat aufgrund der etwas größeren Moleküle einen schlechteren Diffusionskoeffizient als Sauerstoff und entweicht deshalb auch etwas langsamer aus einem Reifen. Doch Tests ergaben, dass sich die Druckunterschiede von mit Luft und mit Stickstoff befüllten Pneus auch nach mehreren Monaten nur innerhalb weniger Hundertstel bar Reifendruck bewegte – ein Unterschied, der kaum der Rede wert ist. 

Als weiteres Argument für eine Stickstofffüllung wird gern die geringere Brandgefahr angeführt. Deshalb werden die Reifen von Verkehrsflugzeugen, Formel 1-Autos oder auch Gefahrguttransportern meist mit Stickstoff statt Luft gefüllt.

Das macht Sinn, denn diese Reifen sind extremen Belastungen ausgesetzt und könnten sich bei extremen Beschleunigungen bei einem Defekt oder deutlich zu geringem Luftdruck anfangen zu brennen.

Stickstoff hat jedoch den Vorteil, dass er nicht entzündlich ist und – deshalb auch der Name "Stickstoff" – sogar Feuer ersticktSauerstoff dagegen ist die Grundlage für jede offene Flamme, wirkt also brandbeschleunigend.

Dieser Vorteil ist allerdings auf normale Pkw-Reifen nicht übertragbar. Die im Formel 1-Sport und bei landenden Flugzeugen auftretenden Temperaturbelastungen der Reifen werden im Straßenverkehr bei Weitem nicht erreicht.

Stickstoff im Reifengas

Handelsübliches "Reifengas" besitzt in der Regel einen Stickstoffgehalt-Gehalt von etwa 90 Prozent. Zum Vergleich: Luft – und damit ebenso die Druckluft – enthält etwa 78 Prozent Stickstoff. Stickstoff wird über Luftverflüssigung großtechnisch im Linde-Verfahren gewonnen. Eine relativ mindere Qualität mit Resten an Sauerstoff genügt für Reifengas, da Autoreifen in der Regel nicht mit Stickstoff gespült werden und somit immer Restluft und damit Restsauerstoff enthalten.

Reifendruckkontrolle bleibt notwendig

Nimmt man also an, dass der diffusionsbedingte Druckverlust an einem intakten Reifen über 3 Monate schätzungsweise 0,1 bar beträgt, wird deutlich, dass dies nicht der Grund sein kann, die regelmäßigen Reifendruckprüfungen zu reduzieren. Denn andere mögliche Druckverluste z.B. durch Undichtigkeiten und Beschädigungen spielen eine wesentlich größere Rolle.

Auf diesen Druckverlust haben die spezifischen Eigenschaften des eingefüllten Reifengases aber keinen Einfluss, denn durch ein Loch im Reifen entweicht jedes Gas! Eine Stickstoffbefüllung befreit also nicht von der Verpflichtung, den Druck regelmäßig – also etwa alle zwei Wochen – zu prüfen

Weil mit korrekt eingestelltem Luftdruck auch negative Einflüsse auf Verschleiß und Kraftstoffverbrauch ausgeschlossen sind, wird schnell klar: Der Preisvorteil spricht ganz klar für die Befüllung aus dem normalen Druckluft-Kompressor. 

Mehr noch: Die Aussage, Kontrollintervalle in Verbindung mit "Füllgas" strecken zu können, ist gefährlich, da sie letztendlich zu einem sorgloseren Umgang mit der Pflicht zur Reifendruckkontrolle führt. Und deshalb empfehlen wir die standardmäßige Verwendung von Reifenfüllgas nicht.

Unser Fazit: Reifengas lohnt sich nicht! Wer regelmäßig den Reifendruck checkt und mit normaler Luft auffüllt, kann sich den teureren Stickstoff sparen! 

Fachliche Beratung: Ruprecht Müller, ADAC Technik Zentrum

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