ADAC Umfrage zum Verkehr: Reicht der Platz für alle?

Im Stadtverkehr wird der Platz knapp – ein Mobilitätswandel tut Not
Im Stadtverkehr wird der Platz knapp – ein Mobilitätswandel tut Not© ADAC/Christoph Michaelis

Immer mehr Verkehrsteilnehmer konkurrieren um den knappen Straßenraum. Der ADAC hat im März 2020 rund 2000 Großstadtbewohner gefragt, wie sie sich fortbewegen, wie sicher sie sich fühlen und was sich ändern müsste. Die wichtigsten Ergebnisse.

  • Das Auto ist selbst in Großstädten das am häufigsten genutzte Verkehrsmittel

  • Am wenigsten sicher im Verkehr fühlen sich die Radfahrer

  • Im Verkehrsgeschehen vermissen viele die gegenseitige Rücksichtnahme

  • Am stärksten gefördert werden sollte der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV)

Wenn es eng wird in der Stadt

Autos, Fahrräder, Busse, Scooter und Fußgänger: In den meisten deutschen Städten wachsen Bevölkerung und Verkehrsaufkommen, ohne dass Verkehrsflächen dazukommen. Wenn quasi über Nacht Hunderte von Leihfahrrädern auftauchen, neue Firmen mit E-Scootern auf den Markt drängen und Car-Sharing-Dienste weitere Kraftfahrzeuge in Umlauf bringen, sind Konflikte vorprogrammiert.

Um Lösungen zu erarbeiten, müssen zunächst Fakten ermittelt werden. Daher haben die ADAC Verkehrsexperten eine Umfrage zu Flächenkonkurrenzen durchführen lassen und ihre Expertenreihe 2020 diesem Thema gewidmet.

Welche Verkehrsmittel werden am häufigsten genutzt?

Der Pkw stellt sich als das meistgenutzte Verkehrsmittel heraus: Fast drei Viertel der Befragten sind damit an zehn oder mehr Tagen pro Jahr innerhalb ihrer Stadt unterwegs, knapp die Hälfte sogar an mindestens 100 Tagen.

Es folgen die öffentlichen Nahverkehrsmittel – also S-, U- und Straßenbahnen sowie Busse – und dann das Rad. An letzter Stelle stehen die E-Scooter, die nur jeder Zwanzigste an mindestens zehn Tagen jährlich nutzt.

Wo wird besonders oft mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren?

In Millionenstädten ist der ÖPNV das meistgenutzte Verkehrsmittel. Mit ihm sind dort drei Viertel der Einwohner an zehn oder mehr Tagen jährlich unterwegs. In Städten zwischen 200.000 und einer Million Einwohner sind es 20 Prozentpunkte weniger. Vom Alter her betrachtet nutzen 16- bis 29-Jährige den ÖPNV deutlich häufiger als Ältere und sie nutzen ihn auch häufiger als den Pkw.

Welche Verkehrsteilnehmer fühlen sich am sichersten?

Von den Befragten, die in ihrer Stadt an zehn oder mehr Tagen jährlich als Autofahrer unterwegs sind, geben 55 Prozent an, sich im Straßenverkehr sicher zu fühlen. Von den Fußgängern bestätigt das noch jeder zweite. Unter den Radfahrern aber ist es nicht einmal jeder fünfte. Fast ein Drittel der Radler dagegen empfindet Unsicherheit, wobei dieses Gefühl in den letzten Jahren auch noch gewachsen ist.

Wird im Verkehrsgeschehen Rücksichtnahme wahrgenommen?

Von allen Befragten stimmt dem nur jeder fünfte zu. Mehr als jeder dritte aber vermisst rücksichtsvolles Verhalten, besonders die, die in Millionenstädten leben. Unter den Altersgruppen betrachten jüngere Jahrgänge das Miteinander im Verkehr seltener als rücksichtslos.

Was stört Autofahrer im Verkehr am meisten?

Am häufigsten erleben Autobenutzer, dass sich Radler an ihnen vorbeischlängeln oder trotz Radweg auf der Straße unterwegs sind. Die meisten davon stört das auch relativ stark. Dagegen gibt es in Bezug auf Busse mehr Toleranz: 46 Prozent der Autofahrer registrieren, dass sie beim Halten den Verkehr blockieren, aber nur 27 Prozent empfinden das als Störfaktor.

Und was irritiert die Fußgänger?

Zwei Drittel der Fußgänger erleben, dass Radler auf dem Gehweg oder in Fußgängerzonen fahren, was die meisten auch stört. Fast genauso oft werden zu viele am Straßenrand parkende Autos wahr-, aber viel eher in Kauf genommen. Nur etwa ein Drittel der Fußgänger registriert zu schmale Gehwege und stört sich daran.

In welchen Bereichen sollte mehr investiert werden?

In der Verkehrsplanung der eigenen Stadt sollte am meisten für den öffentlichen Nahverkehr getan werden, das findet mehr als jeder Dritte. Jeder Vierte nennt Maßnahmen für das Auto, und zwar mehr Parkmöglichkeiten und einen besser fließenden Verkehr, als seine Priorität. Jeder Fünfte sagt, der Radverkehr solle am stärksten profitieren. Betrachtet man Auto- und Radfahrer, Fußgänger und ÖPNV-Benutzer jeweils als einzelne Gruppe, so hat jede das Gefühl, dass für ihre Verkehrsart mehr getan werden sollte.

Sollen Fußgänger und Radler zu Lasten des Autoverkehrs mehr Platz bekommen?

Das bejahen 42 Prozent der Interviewten, von denen, die überwiegend Rad fahren, sogar 69 Prozent. Jeder fünfte lehnt es ab, von den überwiegend Autofahrenden – gut nachzuvollziehen – sogar jeder dritte. Und jeder zwanzigste Befragungsteilnehmer ist zu dieser Frage unentschieden.

Sind die Verkehrsteilnehmer zu Veränderungen bereit?

Angenommen, Autofahrer kämen auch durch den Ausbau von Radwegen oder Fahrradstraßen gut an ihr regelmäßig angesteuertes Ziel, etwa den Arbeitsplatz – trotzdem würden 28 Prozent von ihnen nicht von vier auf zwei Räder umsteigen. Bei guten Wetterbedingungen wären aber 38 Prozent dazu bereit, differenziert nach der Fahrtdauer würden bei Wegen bis zu 20 Minuten 33 Prozent der Autofahrer aufs Rad wechseln.

So hat der ADAC geforscht

Im Auftrag des ADAC hat im September 2019 die infas quo GmbH eine Online-Umfrage zum Thema "Flächenkonkurrenzen" durchgeführt. 2017 Personen ab 16 Jahren gaben Auskunft zu ihrem Verkehrsverhalten und ihren Einstellungen. Sie leben in 40 deutschen Städten ab 200.000 Einwohnern. Pendler aus anderen Gemeinden in diese Städte wurden nicht berücksichtigt.

Lesen Sie hier die vollständigen Ergebnisse:

Flächenkonkurrenzen im Verkehr - Zielkonflikte aus Sicht der Verkehrsteilnehmer (ADAC Umfrage)
PDF, 2,28 MB
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Die Empfehlungen des ADAC

Die Städte stehen vor der Herausforderung, die vom Straßenverkehr mitverursachten Probleme wie Staus, Flächenknappheit, Luftverschmutzung und Treibhausgasausstoß zu entschärfen. Dabei dürfen aber die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen und der Wirtschaft nicht eingeschränkt werden.

  • Bei der Neugestaltung der Straßenräume muss sichergestellt werden, dass die Mobilität erhalten bleibt und keine neuen Gefahren im Verkehr entstehen

  • Für urbane Mobilität sind zukunftsweisende Gesamtkonzepte gefragt, die eine höhere Aufenthaltsqualität zum Ziel haben. Der Mobilitätswandel erfordert die Änderung des Mobilitätsverhaltens und die Umverteilung des öffentlichen Straßenraums. Weil dies zu Verteilungskämpfen und schlechter Stimmung der Verkehrsteilnehmer führen kann, besteht Klärungsbedarf

  • Ein Gegeneinander führt nicht weiter – erforderlich sind bedarfsgerechte, also örtlich erarbeitete und angepasste Lösungen, damit die Stärken der jeweiligen Verkehrsmittel optimal zum Tragen kommen

  • Die Flächenumverteilung allein zugunsten des Radverkehrs ist auf Hauptverkehrsstraßen oft nicht machbar, weil diese eine zentrale Funktion für die Leistungsfähigkeit einschließlich des ÖPNV und des Wirtschaftsverkehrs haben

Der Verkehr in den Städten nimmt immer mehr zu. Besonders deutlich wird das am wachsenden Radverkehr und an der chronischen Überlastung des ÖPNV. Die Städte müssen es schaffen, dass der knappe Straßenraum besser genutzt und sicherer gestaltet wird. Die Bereitschaft für Änderungen – auch zu Lasten des Autos – ist durchaus vorhanden, aber noch fehlen häufig neue Optionen für den parkenden und fließenden Verkehr. Autos Raum wegzunehmen und anderen Verkehrsteilnehmern zuzuteilen oder Parkraum stark zu verteuern – das löst keine Konflikte! Was wir brauchen sind zukunftsweisende Konzepte, die für eine sichere Mobilität stehen und die auf mehr Miteinander der Verkehrsteilnehmer setzen statt auf Gegeneinander.

Der Verkehr in den Städten nimmt immer mehr zu. Besonders deutlich wird das am wachsenden Radverkehr und an der chronischen Überlastung des ÖPNV. Die Städte müssen es schaffen, dass der knappe Straßenraum besser genutzt und sicherer gestaltet wird. Die Bereitschaft für Änderungen – auch zu Lasten des Autos – ist durchaus vorhanden, aber noch fehlen häufig neue Optionen für den parkenden und fließenden Verkehr. Autos Raum wegzunehmen und anderen Verkehrsteilnehmern zuzuteilen oder Parkraum stark zu verteuern – das löst keine Konflikte! Was wir brauchen sind zukunftsweisende Konzepte, die für eine sichere Mobilität stehen und die auf mehr Miteinander der Verkehrsteilnehmer setzen statt auf Gegeneinander.

ADAC Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand©ADAC/Peter Neusser

Lesen Sie hier auch den Expertendialog zu Flächenkonkurrenzen im Verkehr in Städten und Gemeinden:

"Platz da": Flächenkonkurrenzen im Verkehr in Städten und Gemeinden (ADAC Broschüre)
PDF, 579 KB
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