Wie öffentliche Verkehrsmittel attraktiver werden

Ein Kleinbus fährt auf einer Strasse in ländlicher Umgebung
Bessere Mobilität auf dem Land – zum Beispiel mit Linien-Rufbussen© ADAC/Michael Löwa

Außerhalb der Ballungsräume sind die Menschen oft auf ein Auto angewiesen, um mobil zu bleiben. Wie der öffentliche Verkehr (ÖV) zukunftsfähig gestaltet werden sollte, wurde Anfang 2020 im Auftrag des ADAC untersucht.

  • Die Studie schlägt einen Mindesttakt von 6 bis 22 Uhr vor

  • Der ÖV soll dadurch auf dem Land zu einer echten Pkw-Alternative werden

  • Der ADAC empfiehlt dem Bund, mehr Finanzmittel für den ÖV bereitzustellen

So ist die Situation in Brandenburg und Niedersachsen

Eine Bushaltestelle für den Schulbus in ländlicher Umgebung
Eine Bushaltestelle im ostfriesischen Bunde© imago images/Jürgen Schwarz

Stellvertretend wurde die Situation in Brandenburg und Niedersachsen untersucht. Wie groß dort der Verbesserungsbedarf beim ÖV auf dem Land ist, zeigt zum Beispiel die Verbindungsqualität. Sie wird an der Fahrzeit im ÖV gegenüber der im Pkw gemessen. Dass in Brandenburg 78,5 Prozent der Gemeinden (ohne zentrale Orte) bzw. 88,1 Prozent der Einwohner eine gute Verbindungsqualität haben, ist zunächst ein erfreuliches Ergebnis.

Es relativiert sich allerdings stark, weil es in diesem Bundesland eine extrem hohe Zahl von Oberzentren gibt, die teilweise nicht alle zentralörtlichen Funktionen wie etwa das schulische Angebot erfüllen. Die aktuellen Standards für ihre Erreichbarkeit sind zu hoch angesetzt – und somit (zu) leicht zu erfüllen.

Lässt man die Verbindungen nach Berlin, Hamburg und Bremen, die ja nicht in den untersuchten Bundesländern liegen, außen vor, ergibt sich ein realistischeres Bild. Dann dauert aus einem Drittel der Gemeinden in Niedersachsen und Brandenburg die Fahrt ins nächste Oberzentrum mindestens eineinhalb Stunden.

Ein weiteres Ergebnis ist, dass in Brandenburg 14 Prozent der Gemeinden täglich nur eine bis vier ÖPNV-Verbindungen zum nächsten Mittel- oder Oberzentrum haben. In den Ferienzeiten steigt der Anteil von Gemeinden mit schlechter Anbindung: Dann sind es sogar 19 Prozent der Kommunen bzw. acht Prozent der Bevölkerung. Ähnlich unzureichend ist das Angebot in Niedersachsen.

Das sollten die neuen Standards der Mobilität sein

Ein bus fährt auf einer Landstrasse durch die Natur.
Busfahren wird attraktiv, wenn die Fahrpläne dicht getaktet sind© imago images/Christian Thiel

Im Anschluss an die Analyse der Situation in den beiden Bundesländern bestimmen die Autoren der Studie Qualitätskriterien sowie drei Kernelemente von Mobilitätsstandards. Dafür empfehlen sie folgende Werte:

  • Erschließungspflicht: In allen Gemeinden mit 500 und mehr Einwohnern soll ein ÖV-Angebot vorgehalten werden. Das kann auch flexible Bedienformen, wie zum Beispiel Rufbusse und die Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel, einschließen

  • Erreichbarkeitsqualität unter drei Aspekten: Die Reisezeit mit den Öffentlichen aus Gemeinden mit mehr als 500 Einwohnern ins nächste Zentrum soll nicht mehr als das 1,3-Fache einer Autofahrt betragen. Von guter Verbindungsqualität kann man sprechen, wenn an jedem Tag von 6 bis 22 Uhr mindestens ein 60-Minuten-Takt ins nächste Zentrum besteht, mit zusätzlichen Nachtfahrten am Wochenende und höchstens einem Umstieg. Die Haltestellenerreichbarkeit ist akzeptabel, wenn mindestens 80 Prozent der Einwohner einen Stop in höchstens 300 Meter Entfernung haben

  • Mobilitätsgarantie: Beim Einsatz alternativer Formen ist deren funktionelle Austauschbarkeit nachzuweisen, etwa durch Fahrzeitvergleiche. Private Anbieter müssen sich zu einer Mobilitätsgarantie verpflichten

So wurde die Studie angelegt

Im Auftrag des ADAC hat die IGES Institut GmbH beispielhaft die ÖV-Angebote der Bundesländer Brandenburg und Niedersachsen abseits der Ballungsräume analysiert. Betrachtet wurden zentrale Mobilitätsarten wie das Pendeln zwischen den suburbanen Gebieten und Städten, die Verbindungen zwischen kleineren und mittleren Städten sowie die Mobilität in ländlich geprägten Räumen.

Hier finden Sie die vollständige Studie:

Zukunftsfähige öffentliche Mobilität außerhalb von Ballungsräumen
PDF, 1,96 MB
PDF ansehen

Das empfiehlt der ADAC

Gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land bedeuten unter anderem, dass auch Menschen ohne Auto die Zentren besser erreichen, Dienstleistungen nutzen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Daher sollten Bund, Länder und Gemeinden den Anteil des ÖV am Gesamtverkehr erhöhen.

  • Das Mobilitätsangebot soll deutlich über das Mindestangebot für den Schülerverkehr hinausgehen

  • Einzubeziehen sind bedarfsorientierte Verkehre wie Rufbusse und Anruf-Sammeltaxis

  • Die Aufwertung des ÖV soll umweltschonend und idealerweise klimaneutral erfolgen

Die Gutachter schlagen vor

  • Zwischen 6 und 22 Uhr ist ein Einstundentakt erforderlich, Fahrtzeiten mit Öffentlichen sollen maximal 30 Prozent länger dauern als mit dem Auto, das Haltestellen-Netz muss verdichtet werden

  • 30 Prozent mehr Investitionen in den öffentlichen Verkehr würden das Angebot verdoppeln

Wenn für mehr Menschen außerhalb von Ballungsräumen öffentliche Verkehrsangebote attraktiver werden, steigt die Lebensqualität auf dem Land, und es profitiert auch der Klimaschutz. Ein Umstieg von Auto-Pendlern wäre zudem ein Beitrag zur Lösung der Verkehrsprobleme in Großstädten. Darum ist es wichtig, nicht nur Stadt oder Land zu betrachten, sondern beide Räume zu berücksichtigen und gut miteinander zu verbinden.

Stefan Gerwens, Leiter des Ressorts Verkehr im ADAC e.V.

Das ausführliche Statement und die Empfehlungen des ADAC für öffentliche Mobilität außerhalb von Ballungsräumen finden Sie in unserem Expertendialog:

Die Zukunft des Öffentlichen Verkehrs
PDF, 535 KB
PDF ansehen

Lesen Sie hier, mit welchen innovativen Ansätzen die Mobilität auf dem Land erhöht werden kann.