Verfügbarkeit von Verkehrsmitteln: Fortschritte und Luft nach oben

Carsharing trägt immer mehr zur Verfügbarkeit von Mobilität bei
Carsharing trägt immer mehr zur Verfügbarkeit von Mobilität bei© dpa/Christin Klose

Damit Menschen mobil sein können, müssen öffentliche und individuelle Verkehrsmittel verfügbar sein. Zwischen 2015 und 2019 gab es Verbesserungen. Aber in Teilbereichen ist noch einiges zu tun. Das zeigt der erste ADAC Mobilitätsindex.

  • Angebot im öffentlichen Nahverkehr nahm leicht, im Luftverkehr deutlich zu

  • Das Radwegenetz wurde ausgebaut

  • Der Pkw-Bestand ist gewachsen, deutlich mehr Carsharing-Angebote

Wie sich die Verfügbarkeit von Pkw, Bahnen, Bussen, Flugverbindungen und Rädern entwickelt, bildet der ADAC Mobilitätsindex ab.

So lässt sich Verfügbarkeit definieren

Dazu wurden drei sogenannte Leitindikatoren definiert und Daten dazu ausgewertet: Infrastrukturzugang, Angebot öffentlicher Verkehrsmittel und Pkw-Verfügbarkeit. Auch in der Bewertungsdimension Verfügbarkeit erhielten die Leitindikatoren unterschiedliche Gewichtungen. Am stärksten wurde mit 40 Prozent der Infrastrukturzugang berücksichtigt.

Zwei Praxisbeispiele

Die Verfügbarkeit von Verkehrsmitteln lässt sich verbessern, indem man sie besser miteinander verknüpft. In Dresden existieren rund 30 sogenannte MOBIpunkte, an denen Busse und Straßenbahnen halten, Sharing-Räder und -Autos übernommen werden können. Manche dieser Mobilitätsknoten, von denen es Ende 2022 über 50 geben soll, bieten auch Ladestationen, WLAN und Luftpumpen.

Ein weiteres ehrgeiziges Projekt ist der Deutschlandtakt der Deutschen Bahn: Mit abgestimmten, schnellen und verlässlichen Verbindungen im Nah-, Fern- und Güterverkehr soll die Bahn zum Verkehrsmittel der Zukunft werden. Die Zahlen von 151 Millionen Fahrgästen im Fern- und 2,77 Milliarden Passagieren im Nahverkehr – beide für 2019 – sollen sich bis 2030 verdoppeln.

Das ist der ADAC Mobilitätsindex

Eine Nachtbuslinie: In Großstädten sind Öffentliche nicht nur am Tag verfügbar © imago images/Frank Sorge

Der ADAC Mobilitätsindex ist eine aus vielen einzelnen Indikatoren berechnete Zahl, die den Stand in den fünf Bewertungsdimensionen zusammenfasst. Als Ausgangsbasis für das Jahr 2015 wurde der Wert 100 festgesetzt. Durch die Berechnung des Index für die folgenden Jahre ist auf einen Blick ersichtlich, ob die Nachhaltigkeit der Mobilität in Deutschland Fortschritte macht. Eine Verbesserung der Situation zeigt sich – so die Definition – beim Gesamtindex und den fünf Teilbereichen in einem Wert, der über 100 liegt. Eine Verschlechterung zeigt sich in einer Zahl, die unter 100 liegt.

So hat sich die Verfügbarkeit von Mobilität in Deutschland von 2015 bis 2019 entwickelt:

Da der Teilindex in der Bewertungsdimension Verfügbarkeit 2019 bei 103 lag, kann man von einer Verbesserung der Situation zwischen 2015 und 2019 sprechen. Dabei handelte es sich um eine kontinuierliche Entwicklung zum Positiven ohne "Zwischentiefs".


Infrastrukturzugang

Einmalig: In Bremen ist der Flughafen mit der Straßenbahn erreichbar © dpa/Uwe Gerig

Der Leitindikator Infrastrukturzugang erreichte 2019 den Indexwert 101, hat sich also kaum verbessert. Er wird je zu einem Viertel über die Fahrzeit zur nächsten Autobahnanschlussstelle, zum nächsten Fernverkehrsbahnhof und zum nächsten internationalen Flughafen sowie die Länge des Radwegenetzes beschrieben. Während die ersten drei Indikatoren stagnierten, kam der vierte, die Radverkehrsinfrastruktur, auf einen guten Wert von 105.

So hat sich die Länge von Straßen- und Schienennetz seit 1950 in Deutschland entwickelt.

Angebot öffentlicher Verkehrsmittel

Beim Angebot von Fernbussen gibt es noch Luft nach oben © ADAC/Steffen Thalemann

Beim ÖV-Angebot lag der Wert 2019 bei 102. Innerhalb dieses Leitindikators entfallen 85 Prozent der Gewichtung auf die sogenannten Platzkilometer im öffentlichen Personennahverkehr. Diese setzen sich aus den von einem Unternehmen angebotenen Fahrgastplätzen und dem zurückgelegten Weg zusammen und stiegen auf einen Wert von 103 für 2019. Die zwei Indikatoren Fernbus-Platzkilometer und Abfahrten im Zugfernverkehr entwickelten sich negativ. Von 2015 bis 2017 gingen die täglichen Abfahrten an allen Bahnhöfen von 9000 auf 8300 zurück, stiegen zwischen 2018 und 2019 aber wieder um fast 300. Der vierte Indikator, die Zahl der Flugbewegungen, stieg auf den Wert 111.

Pkw-Verfügbarkeit

Erst Führerschein, dann Pkw – für die meisten eine Selbstverständlichkeit © iStock.com/pixelfit

Bei diesem Leitindikator lag der Wert für 2019 bei 107. Zu 95 Prozent wird er über den Besitz eines Pkw beschrieben: Die Anzahl der Pkw in Deutschland stieg von 44,3 Millionen in 2015 auf 47,1 Millionen in 2019. Aber auch wer kein Auto besitzt, hat vor allem in Großstädten immer öfter Zugang zu einem Fahrzeug. Denn das Angebot beim Carsharing hat stark zugenommen, was sich im Indexwert von 156 niederschlägt. Wegen seiner niedrigen Gewichtung hat es aber nur einen kleinen Anteil an der positiven Entwicklung der Pkw-Verfügbarkeit.

Das sagt der Experte

Es gibt vor allem zwei große Stellhebel für die Mobilitätswende: Planungsbeschleunigung bei Bauvorhaben und der kraftvolle Ausbau von Bus und Bahn über die Stadtrandbereiche hinaus bis hinein in den ländlichen Raum, mit klassischem Linienverkehr und mehr On-demand. Bei beiden Themen ist neben den Ländern vor allem auch der Bund gefragt.

Es gibt vor allem zwei große Stellhebel für die Mobilitätswende: Planungsbeschleunigung bei Bauvorhaben und der kraftvolle Ausbau von Bus und Bahn über die Stadtrandbereiche hinaus bis hinein in den ländlichen Raum, mit klassischem Linienverkehr und mehr On-demand. Bei beiden Themen ist neben den Ländern vor allem auch der Bund gefragt.

Ingo Wortmann, Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. ©Verband Deutscher Verkehrsunternehmen

Das müsste sich verbessern

Um weitere Fortschritte bei der Verfügbarkeit zu erreichen, sind unter anderem die folgenden Schwerpunkte und Empfehlungen zu nennen:

Die Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel im Nah- und Fernverkehr ist so auszuweiten, dass sie zur attraktiven Alternative zum Pkw-Verkehr werden.

Auf dem Land braucht es über den Schülerverkehr hinaus mehrmals täglich Verbindungen zwischen Dörfern und Zentren.

Die Infrastruktur für Radfahrende sollte inner- und außerorts ausgebaut werden.

"Nutzen statt Besitzen" in Form von Car-, Bike- und Ridesharing sollte auch außerhalb der Zentren zur Verfügung stehen.

Fragen und Antworten

Wie wird der ADAC Mobilitätsindex berechnet?

Der ADAC Mobilitätsindex ist eine Kennzahl, zu der mehrere Kenngrößen verdichtet wurden. Insgesamt wurden dafür 1535 individuelle statistische Merkmale erfasst, das entspricht über 143.000 individuellen Datenreihen. Alle Daten sind zu fünf Bewertungsdimensionen zusammengefasst: Verfügbarkeit, Verkehrssicherheit, Zuverlässigkeit, Bezahlbarkeit sowie Klima und Umwelt. Diese Bewertungsdimensionen bestehen wiederum aus mehreren Leitindikatoren. Sowohl Bewertungsdimensionen als auch die Indikatoren wurden im Juni 2021 vom ADAC Verkehrsausschuss und vom ADAC Arbeitskreis Verkehr und Umwelt in ihrer Bedeutung gewichtet und fließen damit in unterschiedlicher Stärke in den ADAC Mobilitätsindex ein.

Was sagt der Mobilitätsindex aus?

Das Ergebnis des Index wird in einer einzigen Zahl ausgedrückt. Dieser Wert ermöglicht Rückschlüsse darauf, wie sich die Nachhaltigkeit der Mobilität seit einem bestimmten Jahr verbessert oder verschlechtert hat. Dieser Zeitpunkt wird als Index-Basisjahr bezeichnet und liegt beim ADAC Mobilitätsindex im Jahr 2015. Da das Bezugsjahr der Veröffentlichung 2019 ist, sind Aussagen darüber möglich, wie sich die Nachhaltigkeit der Mobilität im gesamten sowie in den untergeordneten Dimensionen von 2015 bis 2019 verändert hat.

Aus welchen Daten wird der Mobilitätsindex ermittelt?

Der Großteil der Daten für den Mobilitätsindex stammt aus öffentlich zugänglichen Statistiken etwa des Bundesamts für Statistik (DESTATIS), des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), des Bundes-Verkehrsministeriums und des Kraftfahrt-Bundesamts. Insgesamt wurden mehr als 1500 Datensätze recherchiert und für die Bildung der Indikatoren sowie die Analyse und die Erläuterung der aufgezeigten Entwicklungen herangezogen.

Wie wurde der Index entwickelt?

Die Entwicklung erfolgte in mehreren und aufeinander aufbauenden Schritten. Zunächst wurde definiert, welche Inhalte durch den Index abgebildet und zusammengefasst werden sollen, bevor daraus die notwendigen Bewertungsdimensionen abgeleitet wurden. In den nächsten Schritten wurden Daten recherchiert und ihre Qualität geprüft, bevor über ihre Zusammenstellung und Gewichtung entschieden wurde. Abschließend wurden mehrere Qualitätsprüfungen durchgeführt.

Weshalb werden die Bewertungsdimensionen unterschiedlich gewichtet?

Zwischen den einzelnen Bewertungsdimensionen können Zielkonflikte herrschen. So führen möglicherweise eine hohe Zuverlässigkeit und eine hohe Verfügbarkeit zu erhöhten Schadstoffausstößen, die dann die Entwicklung der Bewertungsdimension Klima und Umwelt negativ beeinflussen. Durch die Gewichtung können nun die Erwartungen an die Entwicklung der Dimensionen berücksichtigt werden. Das heißt, dass die Relevanz der einzelnen Dimensionen gegeneinander abgewogen wird, um unerwünschte Effekte von einzelnen Entwicklungen zu verringern.

Zur Ermittlung der unterschiedlichen Gewichte wurde ein Kreis von Expertinnen und Experten definiert, der sich aus den Mitgliedern des ADAC Verkehrsausschusses und dem ADAC Arbeitskreis für Verkehr und Umwelt zusammensetzte. Als Ergebnis dieses Prozesses wird die Verkehrssicherheit mit 30 Prozent am stärksten berücksichtigt, darauf folgen mit 25 Prozent Klima und Umwelt sowie mit jeweils 15 Prozent Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Bezahlbarkeit. Alle Infos zu den Methoden bei der Erarbeitung finden Sie auch auf den Seiten des Prognos Instituts.

Warum endet der Index mit dem Jahr 2019?

Das Jahr 2019 ist das Bezugsjahr für die Erstveröffentlichung des Mobilitätsindex. Für 2019 gibt es einen vollständigen Datenbestand für alle Index-Indikatoren, während für 2021 beispielsweise noch nicht alle Statistiken der Ämter und anderer Datenquellen vorliegen. Außerdem zeichnet es sich als ein normales Jahr auf der Zeitachse aus, das letzte ohne coronabedingte Einflüsse. Somit ist es für das Startjahr des Mobilitätsindex eine sichere Grundlage.

Warum hat der ADAC den Mobilitätsindex erstellt?

Mit dem ADAC Mobilitätsindex wurde erstmalig eine wissenschaftlich basierte Grundlage erstellt, mit der die nachhaltige Entwicklung der Mobilität in Deutschland umfassend beobachtet und analysiert werden kann. Damit soll zur Versachlichung der in Politik und Gesellschaft kontrovers geführten Diskussionen zu diesem Thema beigetragen werden. Zugleich stellt sich der ADAC damit seiner gesellschaftlichen Verantwortung für Verkehrssicherheit, Klima und Umwelt sowie für die Zukunft der Mobilität.

Wie kann der Mobilitätsindex optimiert werden?

Der ADAC ist überzeugt, mit dem Mobilitätsindex ein fundiertes und methodisch innovatives Instrument zur Bewertung der Nachhaltigkeit der Mobilität entwickelt zu haben. Wie bei jeder wissenschaftlichen Arbeit gibt es jedoch auch Punkte, die weiter optimiert werden können. Dazu gehören etwa die teilweise ausbaufähige Datenverfügbarkeit insbesondere auf der Kreisebene oder auch im Zeitverlauf. Bei verbesserter Verfügbarkeit der Daten – etwa vom Bundesamt für Statistik – kann der Index künftig potenziell weiter ausgebaut werden.

Wer hat den Mobilitätsindex erarbeitet?

Mit der Entwicklung des ADAC Mobilitätsindex wurde die Prognos AG beauftragt. Prognos ist ein unabhängiges Wirtschaftsforschungsunternehmen mit Hauptsitz in Basel. Ziel war es, zusammen mit den Experten des ADAC die Veränderung der Mobilität wissenschaftlich gesichert zu ermitteln und verständlich darzustellen.

Das sind die Ergebnisse im Detail

Die vollständigen Ergebnisse des ADAC Mobilitätsindex und Details zu seiner Methodik finden Sie in diesem PDF zum Download:

Der ADAC Mobilitätsindex
PDF, 10,5 MB
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Helmuth Meyer
Helmuth Meyer
Redakteur
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