Mangelhafter ÖPNV, viele Autos: Trotzdem gibt es im Saarland Grund zur Hoffnung auf nachhaltigere Mobilität. Warum das so ist, zeigt der ADAC Mobilitätsindex.
Die Verkehrsinfrastruktur ist im Saarland gut ausgebaut
Das ÖPNV-Angebot ist gering
In keinem anderen Bundesland ist die Motorisierungsquote höher
Das Saarland ist das kleinste deutsche Flächenland unter den deutschen Bundesländern. Im Westen und Süden grenzt es an Luxemburg und Frankreich und hat damit mehr internationale Nachbarn als deutsche – im Norden und Osten nämlich nur Rheinland-Pfalz. Entsprechend bedeutend sind internationale Verkehrsverflechtungen. Das kleine Bundesland ist Teil der grenzüberschreitenden Region Saar-Lor-Lux.
Die Hauptstadt Saarbrücken ist zugleich das wirtschaftliche Zentrum des Bundeslands, daneben gibt es noch weitere traditionsreiche Industriestandorte. Diese liegen oft in unmittelbarer Nähe zu eher ländlichen Regionen, die Bevölkerungsdichte ist für ein Flächenland deshalb auch überraschend hoch. Nur Nordrhein-Westfalen ist dichter besiedelt.
Seiner historisch gewachsenen Industrie verdankt das Saarland eine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur. Die Autobahn A8 führt nach Luxemburg und verläuft nach Osten über die Pfalz Richtung Süddeutschland, die A1 nach Rheinland-Pfalz und weiter nach Norddeutschland. Beide Fernstraßen berühren Saarbrücken und machen die Stadt so zu einem Knotenpunkt.
Die Bahnlinie von Frankfurt am Main nach Frankreich sorgt für gute Fernverbindungen in Ost-West-Richtung. Nach Norden, Richtung Köln, verkehren dagegen nur Regionalzüge. Von Saarbrücken aus erschließen Regionalbahnen sternförmig größere Landesteile.
Bus und Bahn: Viel Luft nach oben
Das Gesamtangebot des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ist gering: In keinem anderen Bundesland werden pro Kopf so wenige Platzkilometer angeboten. Auch das dürfte ein Grund dafür sein, dass das Saarland die mit Abstand höchste Motorisierungsquote aller Bundesländer hat.
„Wenn sich ÖPNV und Ladeinfrastruktur weiter in die richtige Richtung entwickeln, würde das wesentlich zu nachhaltiger und klimafreundlicher Mobilität beitragen.“
Gleichwohl fahren diese Pkw meist keine langen Strecken, da die Wege bis zu den nächsten Zentren recht kurz sind. Staus sind selten, Lkw-Transitverkehr fließt nur spärlich, die Stickstoffdioxid-Belastung ist deshalb sehr niedrig. Das Saarland kann hier sogar den niedrigsten Wert im bundesdeutschen Vergleich vorweisen.
Entwicklung Mobilitätsindex Saarland
Das Saarland schnitt bei der Entwicklung der Mobilität in Richtung Nachhaltigkeit ähnlich wie der Bund ab. Die 112 Punkte im Jahr 2021 belegen den Fortschritt gegenüber 2015 – der allerdings zum Großteil auf die Kontakt- und Reisebeschränkungen in Folge der Corona-Pandemie zurückzuführen ist.
Beim Thema Verfügbarkeit gibt es kaum Veränderungen, allerdings läuft im Saarland die Mobilität zuverlässiger ab als in den meisten anderen Bundesländern. Ein hoher Wert von 124 für 2021 ist die Folge.
In der Verkehrssicherheit rangiert das Saarland mit 113 Punktenunterhalb des Bundeswerts. Aufgrund der niedrigen absoluten Zahl von Verkehrstoten kann das Ergebnis jedoch erheblich von wenigen schweren Unfällen beeinflusst werden. So lag der Wert der Verkehrssicherheit im Jahr 2020 noch bei 119.
In der Bewertungsdimension Klima und Umwelt weist das Saarland mit 118 Punkten einen ähnlichen Indexwert auf wie der Bund. Die starke Reduktion der Luftschadstoffe fiel dabei besonders auf. So sank der Jahresmittelwert von 2015 auf 2021 um 38 Prozent. Diese Entwicklung war allerdings in erster Linie auf die verkehrlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie zurückzuführen.
Ausblick
Anders als in anderen Bundesländern ist es um die Voraussetzungen für nachhaltige Mobilität im Saarland bestens bestellt. Die gute Infrastruktur und die hohe Bevölkerungsdichte bieten eine gute Grundlage, nicht nur vom Privatauto abhängig zu sein. Einen Schritt in die richtige Richtung geht das Saarland im ÖPNV insbesondere mit der seit Mitte 2021 gültigen größten Tarifreform* seit Gründung des saarVV. Ab Mai könnte das Deutschlandticket einen weiteren Anreiz zum Umstieg auf Bus und Bahn im Regionalverkehr bieten.
Ganz grundsätzlich liegen die Probleme beim ÖPNV im Saarland allerdings nicht an zu hohen Fahrpreisen. Vielmehr gibt es gerade im ländlichen Raum auch nach der Einführung des Deutschland-Tickets kein dichteres Streckennetz, Bus und Bahn fahren nicht häufiger. Hier muss angesetzt werden, um mehr Menschen zum Umstieg zu bewegen.
Alle Bundesländer in der Übersicht
Der ADAC Mobilitätsindex ist eine Kennzahl, zu der mehrere Kenngrößen verdichtet wurden. Insgesamt wurden dafür 1535 individuelle statistische Merkmale erfasst, das entspricht über 143.000 individuellen Datenreihen. Alle Daten sind zu fünf Bewertungsdimensionen zusammengefasst: Verfügbarkeit, Verkehrssicherheit, Zuverlässigkeit, Bezahlbarkeit sowie Klima und Umwelt. Diese Bewertungsdimensionen bestehen wiederum aus mehreren Leitindikatoren. Sowohl Bewertungsdimensionen als auch die Indikatoren wurden im Juni 2021 vom ADAC Verkehrsausschuss und vom ADAC Arbeitskreis Verkehr und Umwelt in ihrer Bedeutung gewichtet und fließen damit in unterschiedlicher Stärke in den ADAC Mobilitätsindex ein.
Das Ergebnis des ADAC Mobilitätsindex wird in einer einzigen Zahl ausgedrückt. Dieser Wert ermöglicht Rückschlüsse darauf, wie sich die Nachhaltigkeit der Mobilität seit dem Index-Basisjahr 2015 verbessert oder verschlechtert hat. Da das Bezugsjahr dieser Veröffentlichung 2021 ist, sind Aussagen darüber möglich, wie sich die Nachhaltigkeit der Mobilität im gesamten sowie in den untergeordneten Dimensionen von 2015 bis 2021 verändert hat.
Der Großteil der Daten für den Mobilitätsindex stammt aus öffentlich zugänglichen Statistiken etwa des Bundesamts für Statistik (DESTATIS), des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), des Bundes-Verkehrsministeriums und des Kraftfahrt-Bundesamts. Insgesamt wurden mehr als 1500 Datensätze recherchiert und für die Bildung der Indikatoren sowie die Analyse und die Erläuterung der aufgezeigten Entwicklungen herangezogen.
Die Entwicklung erfolgte in mehreren und aufeinander aufbauenden Schritten. Zunächst wurde definiert, welche Inhalte durch den Index abgebildet und zusammengefasst werden sollen, bevor daraus die notwendigen Bewertungsdimensionen abgeleitet wurden. In den nächsten Schritten wurden Daten recherchiert und ihre Qualität geprüft, bevor über ihre Zusammenstellung und Gewichtung entschieden wurde. Abschließend wurden mehrere Qualitätsprüfungen durchgeführt.
Zwischen den einzelnen Bewertungsdimensionen können Zielkonflikte herrschen. So führen eine hohe Zuverlässigkeit und eine hohe Verfügbarkeit möglicherweise zu erhöhten Schadstoffausstößen, die dann die Entwicklung der Bewertungsdimension Klima und Umwelt negativ beeinflussen. Durch die Gewichtung können die Erwartungen an die Entwicklung der Dimensionen berücksichtigt werden. Das heißt, dass die Relevanz der einzelnen Dimensionen gegeneinander abgewogen wird, um unerwünschte Effekte von einzelnen Entwicklungen zu verringern.
Zur Ermittlung der unterschiedlichen Gewichte wurde ein Kreis von Expertinnen und Experten definiert, der sich aus den Mitgliedern des ADAC Verkehrsausschusses und dem ADAC Arbeitskreis für Verkehr und Umwelt zusammensetzte. Als Ergebnis dieses Prozesses wird die Verkehrssicherheit mit 30 Prozent am stärksten berücksichtigt, darauf folgen mit 25 Prozent Klima und Umwelt sowie mit jeweils 15 Prozent Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Bezahlbarkeit. Alle Infos zu den Methoden bei der Erarbeitung finden Sie auch auf den Seiten des Prognos Instituts*.
Zum ersten Mal wurde der ADAC Mobilitätsindex 2022 veröffentlicht. Für die vorliegende Fortschreibung konnten Daten der Jahre 2015 bis 2021 ausgewertet werden, denn für diese Jahre gibt es den vollständigen Datenbestand für alle Index-Indikatoren. Für 2022 aber liegen beispielsweise noch nicht alle Statistiken der Ämter und anderer Datenquellen vor.
Mit dem ADAC Mobilitätsindex gibt es erstmalig eine wissenschaftlich basierte Grundlage, mit der die nachhaltige Entwicklung der Mobilität in Deutschland umfassend beobachtet und analysiert werden kann. Damit soll zur Versachlichung der in Politik und Gesellschaft kontrovers geführten Diskussionen zu diesem Thema beigetragen werden. Zugleich stellt sich der ADAC damit seiner gesellschaftlichen Verantwortung für Verkehrssicherheit, Klima und Umwelt sowie für die Zukunft der Mobilität.
Der ADAC ist überzeugt, mit dem Mobilitätsindex ein fundiertes und methodisch innovatives Instrument zur Bewertung der Nachhaltigkeit der Mobilität entwickelt zu haben. Wie bei jeder wissenschaftlichen Arbeit gibt es jedoch auch Punkte, die weiter optimiert werden können. Dazu gehören etwa die teilweise ausbaufähige Datenverfügbarkeit insbesondere auf der Kreisebene oder auch im Zeitverlauf. Bei verbesserter Verfügbarkeit der Daten – etwa vom Bundesamt für Statistik – kann der Index künftig potenziell weiter ausgebaut werden.
Mit der Entwicklung des ADAC Mobilitätsindex wurde die Prognos AG beauftragt. Prognos ist ein unabhängiges Wirtschaftsforschungsunternehmen mit Hauptsitz in Basel. Ziel war es, zusammen mit den Expertinnen und Experten des ADAC die Veränderung der Mobilität wissenschaftlich gesichert zu ermitteln und verständlich darzustellen.
Alle Ergebnisse des ADAC Mobilitätsindex
Die vollständigen Ergebnisse des ADAC Mobilitätsindex und Details zu seiner Methodikfinden Sie in diesem PDF zum Download:
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