Kawasaki Z900RS: Echte Fahrmaschine im Retrolook

Kawasaki Z900RS
Klassischer Look mit moderner Technik: Die Kawasaki Z900RS© Kawasaki

Die Kawasaki Z900RS ist ein Retro-Klassiker auf dem Stand moderner Naked-Bikes. Fahrbericht von 2017 mit aktuellen Infos, Bildern und technischen Daten vom Juli 2023.

  • Funktionales Design

  • Ordentliche Fahrleistungen, gute Preis-Leistung

  • Starker 112-PS-Motor

Sollen wir es Retrostyle nennen oder schlicht harmonische Gestaltung? Die Frage drängt sich auf beim Betrachten der Z900RS. Man kann die bis in Details gehende Anknüpfung an das über 50 Jahre alte Vorbild 900 Z1 konservativ oder gar rückständig nennen, doch sie trifft das ästhetische Empfinden vieler Motorradfahrer genauer als der Bezug auf die dunkle Seite Japans oder die Lebenswelt moderner japanischer Großstädte. Ungeachtet ihrer japanischen Herkunft befriedigt die Z900RS ein Bedürfnis nach Motorrädern, deren Formen und Proportionen einer europäischen Tradition entstammen.

Das Design der Z900RS ist funktional

Freisteller der Kawasaki Z900RS von der Seite
Komfort war den Ingenieuren wichtiger als ein klassisches Design© Kawasaki

Genauso sorgfältig wie die Designer bei der Gestaltung haben die Ingenieure an der Technik gearbeitet, wenngleich mit anderer Zielsetzung: Wo immer sich ein Zwiespalt zwischen klassischem Aussehen und Funktionalität auftat, erhielt die Funktion den Vorrang. Deshalb bekam der Motor keine Vier-in-vier-Auspuffanlage, das Fahrwerk keine Stereofederbeine, keine Drahtspeichenräder und keine konventionelle Gabel.

Stattdessen haben die Techniker den 948er-Vierzylinder, den Rahmen und die Ergonomie der Z900RS entsprechend ihrer Vorstellung vom entspannten Fahren gestaltet. Nockenwellen mit kleineren Ventilöffnungswinkeln, weniger Verdichtung und mehr Schwungmasse kosten den Vierzylinder nominell 14 PS an Spitzenleistung, verleihen ihm aber mehr Drehmoment im unteren und mittleren Drehzahlbereich sowie eine bessere Laufkultur.

Der erste Gang ist kürzer übersetzt, der sechste und die Sekundärübersetzung dafür länger ausgelegt, so dass längere Strecken drehzahlschonend gefahren werden können. Stolz präsentierten die Motorenbauer bei der Premiere 2017 die erste gestimmte Auspuffanlage der Kawasaki-Historie. Diese Aussage bezieht sich nicht auf die Gasschwingungen, sondern auf den dezent rauen Klang des Endschalldämpfers.

Im Test: Bärenstarker 112-PS-Motor

Der Motor der Kawasaki Z900RS
Der Motor der Z900RS hat mächtig Power© Kawasaki

Dank höher gesetzter oberer Gabelbrücke und höheren sowie um zwei Zentimeter näher zum Fahrer gerückten Lenkerenden, einer höheren Sitzbank und tiefer montierten Fußrasten bietet die Z900RS ein kommodes Sitzarrangement. Mit aufrechtem Oberkörper, aber noch mit der nötigen Orientierung zum Vorderrad, genießt der Fahrer beste Übersicht und einen Kniewinkel, der selbst anfällige Gelenke nicht belasten dürfte.

Die Vorteile dieser Konstruktion sind bereits nach wenigen Kilometern Testfahrt zu spüren: Bärenstark zieht der gut abgestimmte RS-Motor durch; unwillkürlich schaltet man im Sprint von Kurve zu Kurve schon bei etwa 7000/min in den höheren Gang. Ist die nächste Biegung eine enge Kehre, die mehrfaches Zurückschalten erfordert, so bereitet das nur geringe Mühe.

Die RS verwöhnt mit einer Anti-Hopping-Kupplung, die nicht nur das Stempeln des Hinterrads beim harten Einkuppeln unterbindet, sondern sich auch mit angenehm geringen Kräften am Hebel bedienen lässt. Die Gänge sitzen nach leichtem Druck oder Zug am Schalthebel, man muss nur aufpassen, nicht durch eine leichte, unabsichtliche Berührung des Hebels in einem Zwischenleerlauf zu landen.

Das Naked-Bike bietet gute Fahrleistungen

Kawasaki Z900RS
Das Bike lässt sich auch ohne Fahrmodi gut fahren© Kawasaki

Es war während der Testfahrten meist sonnig, aber stets kühl bis kalt, doch die Reifen vom Typ Dunlop GPR 300 zeigten sich überraschend gut gelaunt. Auch in schattigen, leicht feuchten Passagen führte der vordere Pneu sicher durch die Kurven, der hintere stemmte sich beim Beschleunigen tapfer gegen Seitenkräfte und sorgte für prima Vortrieb. Entspannt sitzend die Schräglage zu spüren und sich mit einem Dreh am Gasgriff aus der Kurve katapultieren zu lassen, bereitete eine Menge Spaß.

Mit dem Vertrauen in Reifen und Fahrwerk verstärkte sich der Reiz, den Motor zwischen den Kurven herzhaft auszudrehen. Dabei offenbarte sich, dass er an Temperament im oberen Drehzahlbereich verloren hat. Den Ansturm auf den roten Bereich bei 10.000/min vollzieht der Vierzylinder im RS-Trimm nicht mit derselben Spritzigkeit wie bei der Kawasaki Z900, und in den Lastwechseln geht er härter ans Gas.

Bilder: Kawasaki Z900RS

Probleme bei Schräglagen

In Anbetracht der niedrigen Temperaturen erscheint die Schräglagenfreiheit etwas knapp. In Linkskurven setzte gelegentlich die Fußraste auf; von dort ist es nicht mehr weit bis zum Halter des Seitenständers. Bei sommerlich durchwärmter Straße und mehr Grip wird die RS häufiger aufsetzen, dann ist Vorsicht geboten.

An den Federelementen lag es nicht; Sie dämpften straff und ließen bei keiner Gelegenheit den Wunsch aufkommen, die Einstellmöglichkeiten zu nutzen. Durch sensibles Ansprechen vermittelt die Gabel den Eindruck, dass sie im Vergleich zur Z900 mehr mechanische Leichtgängigkeit hat.

Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis

Freisteller der Kawasaki Z900RS von der Seite
Die Kawasaki Z900RS ist hochwertig verarbeitet© Kawasaki

Reaktionsschnell, aber nicht übertrieben bissig verzögern die Nissin-Vierkolben-Bremszangen, die – gar nicht klassisch, doch in höchstem Maß verwindungssteif – radial an den Gabelfüßen verschraubt sind. Sogar beim abrupten und scharfen Bremsen verhindert das ABS in den meisten Fällen ein Steigen des Hinterrads, nur bei Bergabfahrt lupft die RS gelegentlich kurz die Hinterhand. Doch bevor sie aus der Spur schwenkt, greift die Elektronik ein.

Die Abstimmung des ABS ist also weder zu defensiv noch zu giftig geraten. Anders als die Z900 leistet sich die RS keine Eskapaden mit stempelndem Hinterrad. Sicherlich ein Verdienst der Anti-Hopping-Kupplung und ein positiver Effekt des Gewichts von fahrfertig gut 230 Kilogramm, die – so fühlt es sich jedenfalls an – vor allem auf dem Hinterrad lasten.

Motorrad und Roller: Neuheiten, Tests, Fahrberichte

Kawasaki Z900RS: Technische Daten, Preis

Herstellerangaben


Motor

Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine Ausgleichswelle, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, 4 x ø 36 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 520 W, Batterie 12 V/8 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping), Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 42 : 15
Bohrung x Hub 73,4 x 56,0 mm
Hubraum 948 cm³

Verdichtungsverhältnis 10,8 : 1
Nennleistung 82,0 kW (112 PS) bei 8500/min
Max. Drehmoment 99 Nm bei 6500/min

Fahrwerk

Gitterrohrrahmen aus Stahl, Upside-down-Gabel, ø 41 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein, liegend, mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, ø 300 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, ø 250 mm, Einkolben-Schwimmsattel, Traktionskontrolle, ABS
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17

Maße und Gewichte

Radstand 1470 mm, Lenkkopfwinkel k.A., Nachlauf 98 mm, Federweg v./h. 120/140 mm, Sitzhöhe 835 mm, Leergewicht 215 kg, Tankinhalt 17,0 Liter

Preis

13.195 Euro MY 2023, 13.495 Euro MY 2024


Copyright Fahrbericht 2017: Zeitschrift MOTORRAD*, Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG

* Durch Anklicken des Links werden Sie zu einer externen Internetseite weitergeleitet, für deren Inhalte der jeweilige Seitenbetreiber verantwortlich ist

Fazit: Überzeugende Retromaschine

Ein Schnäppchen ist die RS nicht gerade. Rechnet man die gehobene Ausstattung mit einstellbarer Gabel, Anti-Hopping-Kupplung und zweistufiger Traktionskontrolle dagegen, rechtfertigt sich ein guter Teil des Mehrpreises zur Z900. Ein Übriges tut die sichtlich gediegene Verarbeitung. Eine hochwertige Lackierung, Blenden und Schutzblechträger aus Aluminium und Details wie die seitlich überfrästen Speichen der Gussräder oder die hochglanzpolierte Auspuffanlage sind nun einmal nicht umsonst zu haben.