Harley-Davidson Low Rider ST 117: Testfahrt mit dem neuen Cruiser
Die Harley-Davidson Low Rider ST 117 bekommt als erstes Softail-Modell den gewaltigen Milwaukee-Eight-Motor. Wird der Cruiser damit zum Power-Bike? Fahrbericht, Daten, Preis.
Reisetauglich und komfortabel
Gute Schräglagenfreiheit
Sehr dynamischer Motor
Auf neun Modelle ist die Softail-Familie von Harley-Davidson mittlerweile angewachsen. Wichtigstes gemeinsames Kennzeichen dieser Baureihe ist das ungefedert erscheinende Hinterrad der Cruiser. Bislang hatten die Kunden hier die Auswahl unter zwei Motoren, dem Milwaukee-Eight 107 und der hubraumgrößeren und stärkeren 114er-Version.
Nun findet erstmals das größte von Harley-Davidson jemals für Serienmotorräder gebaute Triebwerk den Weg in ein Cruiser-Modell: der Milwaukee-Eight 117 mit 1923 Kubikzentimetern Hubraum und einer Leistung von 78 kW/106 PS. Installiert wird er in der Low Rider S und in der neuen Low Rider ST, die ab 21.595 Euro zu haben ist.
S wie Sport, T wie Touring
Die beiden Buchstaben ST stehen für Sport-Touring. In der Praxis bedeutet das, dass die beliebte Low Rider S eine ausladende, am Rahmen befestigte Cockpit-Verkleidung und zwei schmale Seitenkoffer erhalten hat, sowie kleine Modifikationen am Fahrwerk. Dadurch steigt die Sitzhöhe geringfügig an, weshalb auch der Lenker ein wenig höher montiert worden ist. Die zusätzliche Komfortausstattung treibt das Gewicht von 308 (S) auf 327 Kilogramm (ST).
Beeindruckender 106-PS-Motor
Wichtigstes Ausstattungsmerkmal der Low Rider ST ist der 117 Kubik-Inch große V2. Der komplett schwarz lackierte 45-Grad-Twin legt einen fulminanten Auftritt hin, optisch, akustisch und unter Leistungsgesichtspunkten. Unübersehbar prangt der abgewinkelte, ebenfalls schwarz lackierte Ansauglufttrakt mit dem freigelegten Filterelement an der rechten Motorseite. Die Ziffernfolge 1-1-7 signalisiert die überlegene Motorisierung. Weil sich der Kühler des teil-flüssigkeitsgekühlten Milwaukee-Eight-Triebwerks dezent zwischen den beiden Rahmenrohren versteckt, wirkt der Motor in der Seitenansicht, als sei er ganz klassisch luftgekühlt.
Wie nicht anders zu erwarten, geht der 117er mit Macht zu Werke. Ab 1200 Umdrehungen nimmt er Gas an, ab 1500 baut sich Druck auf, ab 2000 zieht es dem Fahrenden die Arme lang. Höhere Drehzahlen als 3500 Touren liegen selten an, weil einen Gang höher ja dasselbe, überaus erfreuliche Spiel von vorne losgeht. Diese Werte optisch zu verfolgen, ist nicht ganz einfach: Harley-Davidson hat die Instrumentierung dezent gehalten, so dass man sie nach dem erstmaligen Aufsteigen erst mal suchen muss. Wobei der Triebwerkssound im Grunde für den Info-Input vollkommen ausreicht. Kernig und mächtig, aber nicht lästig hört sich die ST an.
Die Harley-Davidson Low Rider ST 117 in Bildern
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Auch auf kurvigen Straßen gut beherrschbar
Optisch dominierend an der Low Rider ST ist die ausladende Verkleidung. Als Vorbild wählten die Designer die klassische Sport Glide. Der runde, mit LEDs bestückte Zentralscheinwerfer der ST und die zwei seitlichen Lüftungsöffnungen schlagen die optische Brücke zum Original. Aerodynamisch ist die ST-Verkleidung aber deutlich ausgereifter als das Vorbild: Es gibt bei Landstraßentempo keine Verwirbelungen am Helm und auch kein Getöse.
Um die Schräglagenfreiheit der ST zu vergrößern, hat Harley-Davidson das Heck etwas höher gelegt. Dazu wurde das in der Vorspannung per Handrad einstellbare, versteckt unter dem Sitz platzierte Federbein verlängert. Auf kurvigen Landstraßen erweist sich die Low Rider ST in ihrer Gewichtsklasse als gut beherrschbares Motorrad. Die Sitzposition und der angenehm geformte Lenker machen zielgenaues Einlenken leicht, die gebotene Schräglagenfreiheit reicht gut aus für flüssiges Fahren. In die beiden Seitenkoffer mit zusammen knapp 54 Litern Volumen passt das nötigste Wochenendgepäck. Dank eines leicht bedienbaren Schnellverschlusses sind sie bei Bedarf leicht demontierbar.
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Fazit
Insgesamt überzeugt das Fahrverhalten der Low Rider ST: Die Federungsqualität passt, die drei Scheibenbremsen verzögern mit bescheidenem Kraftaufwand verlässlich und gut dosierbar, das ABS hält das Bike notfalls sauber in der Spur und regelt ausreichend schnell. Ausgesprochen erfreulich ist die blitzartige Reaktion des automatischen Blinkerrückstellers.
Die von Harley-Davidson verwendete Sensorik ist unerreicht. Wie auch das Feeling im Sattel der Low Rider ST ein einzigartiges ist: Die Kombination des größten und stärksten Serientriebwerks der 119 Jahre alten Motor Company mit einem ziemlich puristischen Chassis ohne viel Firlefanz-Ausstattung verspricht Power Biking mit Dauerlächel-Garantie.
Technische Daten Harley-Davidson Low Rider ST 117
Herstellerangaben | |
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Motor/Getriebe | Luft- und flüssigkeitsgekühlter 45°-V2 Motor, quer eingebaut, 1923 ccm Hubraum, vier Ventile pro Zylinder, 78 kW/106 PS bei 5020 U/min, 169 Nm bei 3500 U/min; Einspritzung, 6 Gänge, Zahnriemen |
Fahrleistung und Verbrauch | Höchstgeschwindigkeit 180 km/h, Normverbrauch 5,5 l/100 km |
Fahrwerk | Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen, Oberzug in Backbone-Bauweise; 43 mm USD-Telegabel vorne, 130 mm Federweg; Dreieckschwinge aus Stahlrohr, Vierkantstahlprofil und Gussformelementen hinten, Zentralfederbein (Vorspannung hydraulisch einstellbar), 112 mm Federweg; Aluminiumgussräder; Reifen vorne 110/90 B 19, hinten 180/70 B 16; zwei 300 mm Scheibenbremsen vorne, 292 mm Einscheibenbremse hinten |
Maße und Gewichte | Radstand 1615 mm, Sitzhöhe 720 mm, Gewicht fahrfertig 327 kg, Zuladung 199 kg. Tankinhalt 18,9 l |
Assistenzsysteme | ABS, Wegfahrsperre, schlüsselloses Startsystem, Tempomat, Blinker-Rückstellautomatik |
Farben | Schwarz, Grau |
Preis | 21.595 Euro |
Text: Ulf Böhringer/SP-X