Scout: Warum VW die Marke in den USA wiederbelebt
Der International Harvester Scout gilt als Vorreiter der SUVs und steht nach über 40 Jahren vor einem Comeback durch Volkswagen. Warum VW die Marke Scout in den USA wiederbelebt.
Der International Harvester Scout gilt als Urvater aller SUVs
VW will die Marke wieder zum Leben erwecken
In Planung: Ein elektrischer Pick-up und ein Geländewagen
Gegen sie ist der VW Amarok ein Spielzeug und der Touareg ein Kleinwagen. Wenn sich Shaun Torbati und seine Freunde einmal im Monat in Seal Beach eine Stunde südlich von Los Angeles zu Cars & Coffee treffen, dann fahren sie andere Kaliber auf. Denn der Physiotherapeut ist Vizepräsident bei den "Scouts West". Und das ist kein Pfadfinderverein im wörtlichen Sinn.
Der Club hat sich einem Auto verschrieben, das nur zwei Jahrzehnte und kaum mehr als 500.000 Mal gebaut wurde: dem International Harvester Scout. Der Haudegen wurde 1961 vom Landmaschinenhersteller aus Chicago präsentiert und gilt seinen Fans als erstes Auto, das noch fünf Jahre vor dem Ford Bronco die rustikalen Gene des militärischen Jeeps und die praktischen Talente der Pick-ups in die Freizeitgesellschaft getragen hat. "So wurde er schon damals zu dem Auto, das wir heute alle als SUV lieben", sagt Torbati und stellt den Scout damit an die Spitze eines Trends für die Massen.
Kult aus USA: International Harvester Scout
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Sieht man sich die Autos an diesem Samstagmorgen auf dem Supermarkt-Parkplatz in Seal Beach an, dann wird auf Anhieb deutlich: Sie sind alle eher Lust- als Lastkraftwagen. Egal ob 80, 800, 800A oder 800B aus der ersten Generation von 1961 bis 1971 oder der Nachfolger Scout II, der produziert wurde, bis International Harvester sich im Streit mit den Auto-Gewerkschaften verzockt und das Feld ab 1980 den "Big Three" (Ford, GM, Chrysler) aus Detroit überlassen hat.
Natürlich gibt es auch ein paar unverbastelte Originale mit reichlich Rost und Patina, die aussehen, als wären sie gerade aus einer Scheune gezogen wurden. Und irgendwo hüstelt sogar einer mit dem asthmatischen 2,5-Liter-Vierzylinder mit seinen kaum 100 PS, mit dem die Geschichte eher langsam Fahrt aufgenommen hat. Aber die meisten Scouts bollern mit V8-Motoren von bis zu fünf Litern Hubraum und sehen nach Strandurlaub aus, sind auf Hochglanz polierte Restomods für den Cruise auf dem Pacific Coast Highway oder Monstertrucks für die Felswüsten von Moab und die Steilhänge in der Sierra.
Warum sich Shaun und seine Pfadfinderfreunde trotzdem gerade intensiv mit VW Amarok und Co. beschäftigen? Weil sie bald in der VW-Familie aufgehen werden. Denn die Marke Scout ist im Portfolio der Niedersachsen gelandet und soll wieder auf Hochglanz poliert werden. Und vor allem VW in den USA endlich groß werden lassen.
VW Scout: Geplant sind SUV und Pick-up
Weil das mit den Exportmodellen aus Europa genauso wenig gelingt wie mit speziell für die USA gefertigten Autos, also dem eher glücklosen und deshalb eingestellten US-Passat sowie dem etwas erfolgreicheren Atlas, drängt VW nun in das seit Jahrzehnten wichtigste Segment des US-Marktes: die Full-Size-Pick-ups. Mit dem Scout will man vor allem dem Vorbild Ford F-150 nacheifern – seit einem halben Jahrhundert ist er das meistverkaufte Auto in den USA. "Die Elektrifizierung ist der Schlüssel dazu", sagt Scott Keogh, der als US-Chef des Konzerns die Idee geboren hat und gerade erst zum Präsidenten der neuen Marke ernannt wurde. Ausgestattet mit einem dreistelligen Millionenbetrag für ein neues Werk und eine neue Plattform, auf der ein elektrischer Pick-up und ein Offroader entstehen sollen.
Die Zeiten dafür könnten offenbar kaum besser sein. Denn auf der einen Seite stehen spätestens seit dem Revival des Bronco und der Neuauflage des Land Rover Defender rustikale Geländewagen wieder hoch im Kurs – vom Dauerbrenner Mercedes G-Klasse ganz zu schweigen. Auf der anderen Seite werden selbst Saurier wie der Hummer unter Strom plötzlich salonfähig, der Ford F-150 Lightning elektrifiziert in Amerika die Massen, und mit dem Rivian R1T oder dem Tesla Cybertruck, so er denn mal kommt, wird der Pritschenwagen sogar zum Lifestlye-Auto mit grünem Anstrich.
Natürlich hoffen Shaun und seine Freunde darauf, dass das Revival klappt. Schließlich könnte das dann den Wert ihrer bislang eher billigen Oldtimer steigern. "Die Preise für den alten Bronco haben sich verdoppelt, seit es den neuen gibt", sagt er voller Vorfreude und hofft, dass aus den 20.000 Dollar für seinen 800er so vielleicht bald 40.000 werden.
Steigen die Kunden auf einen Scout von VW um?
Doch umsteigen will er nicht. Für ihn gebe es zum Achtzylinder seines Scout keine Alternative, brüllt der Physiotherapeut und Pfadfinder-Chef gegen den Fahrtwind und das Bollern aus dem armdicken Auspuff an. Und egal, wen man an diesem Morgen fragt, die Antwort ist überall dieselbe: "Wir haben alte Autos und altmodische Vorstellungen", fasst einer der Coffee-Cruiser die Gemütslage zusammen, bevor er einen Klimmzug macht und sich hinter das Lenkrad seines um bald einen Meter höher gelegten Scout II schwingt.
Die kommenden Modelle für ehrliche Arbeit und hartes Abenteuer fit zu machen, ist für VW wohl eher nicht das Problem – aber eben nur die halbe Miete. Denn die Hürden in den Köpfen der potenziellen Kunden sind wahrscheinlich höher als die Hindernisse in der Pampa.
Text: Thomas Geiger
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