75 Jahre Unimog: Der Alleskönner mit vielen Leben

Wo ein Geländewagen aufgeben muss, kommt ein Unimog noch locker weiter. Das „Universale Motorgerät“, so der Name des Unimogs, wird jetzt 75 Jahre alt. Wie es dazu kam und wie sich ein Unimog fährt.
Unimog ursprünglich für Landwirtschaft entwickelt
70 Prozent der jemals gebauten Unimogs gibt es noch
Unimog selbst fahren: Im Museum in Gaggenau
Einfach mal die Betonwand hochfahren

100 Prozent Steigung oder ein Winkel von 45 Grad: Eher Eiger-Nordwand in den Berner Alpen als Monte Troodelöh in Köln – normale Geländewagen schaffen kaum, was sich vor uns auf dem Testgelände erhebt. Vor allem, wenn es rutschig ist. Beim Unimog heißt es nur: Allrad einschalten und gemächlich die Betonwand hochfahren. Der Diesel stampft dann ruhig unter der Haube, das Getriebe summt, und der Fahrer schaut lässig in den Himmel. Keine Spur von Anstrengung bei Mensch und Maschine.
Das kann nur der Unimog. Ein Alleskönner. Einer, der seit Jahrzehnten im harten Arbeitsalltag Straßenmeistereien, Bergbau, Forst- und Bauwirtschaft, Feuerwehren und Militär unterstützt. Aber auch Landwirte, Betriebe oder Privatpersonen vertrauen dem Unimog. 2021 wird der Unimog 75 Jahre alt. Zeit für einen Rückblick.
Der Unimog wurde nach dem 2. Weltkrieg entwickelt

Nach dem Zweiten Weltkrieg sinnierte Albert Friedrich, ehemaliger Leiter der Flugmotorenentwicklung bei Daimler, über ein universelles Gerät für die Landwirtschaft. Denn Flugzeuge sind nach dem Krieg erst mal nicht mehr gefragt, dafür aber Geräte für die Landwirtschaft. Friedrichs spricht mit seinem Arbeitgeber, doch der will sich wegen knapper Mittel eher um die Pkw-Produktion kümmern.
Friedrich glaubt aber an die Idee, zeigt seine Skizzen der Firma Erhard & Söhne aus Schwäbisch Gmünd. Die Chefs sind begeistert, sehen das Potenzial für den Aufbau des Landes und unterstützen ihn. Mit seiner Idee geht er Ende 1945 zur amerikanischen Militärregierung und erhält die Erlaubnis, ein motorgetriebenes landwirtschaftliches Nutzfahrzeug zu entwickeln. Einzige Bedingung: Es darf nicht zum Militäreinsatz taugen. Friedrich tüftelt, zeichnet.
Erfolgsrezept: Allrad, robuster Rahmen, große Räder
Rückblickend hält er die Vorgaben nicht ein. Denn sein geplantes Fahrzeug lässt sich überall einsetzen. Es soll ein geländegängiges Allradfahrzeug mit Fahrerhaus, vier gleich großen Rädern und Pritsche werden, das deutlich schneller fährt als bekannte Ackerschlepper. Im November 1945 erhält Erhard & Söhne die Möglichkeit, zehn Prototypen zu bauen. 1946, also vor 75 Jahren, erfolgt eine weitere Prüfung bei der Militärregierung.
Die Idee wird weiterentwickelt, und das Fahrzeug bekommt einen robusten Rahmen, Allradantrieb und Differenzialsperren an beiden Achsen. Die gleich großen Räder versprechen eine gute Geländegängigkeit, die Anbaumöglichkeiten für Geräte vorn, hinten, seitlich und in der Mitte Vielseitigkeit. Der Name: „Universal-Motorgerät“ (Unimog). Der Unimog wird als mehrachsiges Motorfahrzeug für die Landwirtschaft patentiert.
Der Star der Landwirtschaftsmesse
Auf der Landwirtschaftsmesse 1948 in Frankfurt wird der Unimog zum Star: Zwei Sitzplätze, Ladefläche, Allradantrieb, gefederte Achsen und eine Geschwindigkeit von bis zu 50 km/h bietet sonst keiner. Als Antrieb dient ein Vierzylinder-Dieselmotor mit 25 PS von Daimler-Benz. 150 Kunden bestellen das Fahrzeug vor Ort.
Bis 1951 werden 600 Fahrzeuge beim Maschinenbau-Unternehmen Boehringer in Göppingen gebaut. Vor 70 Jahren kauft Daimler-Benz die Firma, die Produktion zieht nach Gaggenau: Seit 1953 trägt der Unimog den Stern. Zahlreiche neue Varianten, Motoren und Anbauten kommen dazu, ab 1962 auch größere Baureihen. Wie viele es gibt? Hier blicken nur noch eingefleischte Fans durch. Und die sind zahlreich: Mit über 8000 Mitgliedern zählt der Unimog-Club zum größten Markenclub von Mercedes.
Mit dem U411 C von 1966 auf Testfahrt






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Die Fans würden alles darum geben, das Urgestein U 411C von 1966 fahren zu können. Wir haben die Gelegenheit: Klein und eckig sieht er aus und eher filigran als robust, als er vor dem Unimog-Museum in Gaggenau parkt. Die Tür lässt sich leicht öffnen, schwingt mit einem Handgriff auf und genauso schnell wieder zu. Die Fahrerkabine bietet wenig Platz, alles sieht ziemlich spartanisch aus. Es gibt ein paar Rundinstrumente sowie einige Schalter und Hebel – die meisten davon unbeschriftet.
Ein ruppiger 34-PS-Diesel als Antrieb
Daniel Müller, technischer Leiter des Museums, erklärt ein paar Funktionen – und vor allem, wie sich das Gerät starten lässt: links den Schalter drehen, warten bis die Glühschleife warm und hell wird und starten. Nach kurzem Orgeln springt der 1,7-Liter-Vierzylinder-Diesel mit 34 PS an und schüttelt die ganze Fahrerkabine durch. Vorsichtig lässt sich der dritte Gang einlegen, mit dem man anfährt. Mit etwas Gas kriecht der Unimog laut los, je nach Gang zwischen 3,5 und 50 km/h schnell. Das Schalten will gelernt sein, ohne Zwischengas geht hier nichts. Ungewohnt: Zum Rückwärtsfahren muss der dürre hintere Hebel nach hinten gezogen werden.
Dass die Türen klappern, das Lenkrad mahlt und der Motor laut rumpelt, gehört zum Arbeitsgerät dazu. Dazu verlangt das dünne und rutschige Bakelit-Lenkrad eine feste Hand. Es ist ein Arbeitsplatz für Hartgesottene, denen Hitze, Lärm und Vibrationen nichts ausmacht. Schon nach wenigen Metern wirbelt der Fahrtwind durch die Kabine, mischt die Abstrahlhitze des Motors in die Atemluft. Eine Maschine für Arbeiter und Abenteurer.
"Ein Unimog hat drei Leben"

„Ein Unimog besitzt mindestens drei Leben. Eines bei einer Behörde oder Kommune, dann bei einem privaten Unternehmen und schließlich bei einer Privatperson. Ein Unimog wird immer wieder aufgebaut“, sagt Kfz-Meister Daniel Müller. Neben der Wartung und Pflege der rund 100 Museums-Fahrzeuge betreut sein Team Kunden und Händler weltweit bei historischen Fragen. Er schätzt, dass rund 70 Prozent der jemals gebauten Fahrzeuge noch existieren. „Die Technik ist sehr robust und die Ersatzteilversorgung gut – das macht den Unimog beliebt“, sagt er.
In den vergangenen 75 Jahren entstehen 30 Baureihen und über 400.000 Spezialfahrzeuge, Hauptabsatzmarkt ist Deutschland. Besonders beliebt bei Sammlern und Fans sind heute Fahrzeuge wie der Unimog 411 oder der 416. Unimog-Experte Müller mag besonders den 1400er der 427er-Baureihe, gebaut zwischen 1988 und 2001, mit seiner ausgereiften Technik, der großen Fahrerkabine und dem hohen Fahrkomfort.
4023 Doka: Der 10-Tonnen-Unimog von heute

Zurück ins Heute. Den modernen Unimog 4023 Doka trennen von dem kleinen Mehrzweckfahrzeug aus den 60er-Jahren Welten. Wir stehen vor einem 10-Tonnen-Gefährt: hoch, breit, bullig – und leicht zu fahren. Klimaanlage, Luftsitze, mögliche Halbautomatik, Multifunktionslenkrad und ein Radio bieten dem Fahrer viel Komfort. Nach wie vor muss er aber immer noch selbst entscheiden, welchen Gang und welche Allradfunktion er einlegt. „Er muss wissen, was er im Gelände machen muss, das nimmt ihm keiner ab“, sagt Daniel Müller.

Dann kommt der Unimog aber überall durch, gilt als hochmobil im Sinne der militärischen Mobilitätsklasse A. Wer diese Auszeichnung erhält, muss einem Kettenfahrzeug im schweren Gelände unter allen Umständen folgen können. Der Unimog kann. Wer es ausprobieren will: Im Unimog Museum* in Gaggenau können Besucher selbst Unimog fahren – und natürlich spezielle Ausführungen aller Art bestaunen.
Technische Daten: Unimogs von einst und heute
Technische Daten (Herstellerangaben) | Unimog 411C (1966) | Unimog U 1100L/34 Doha (1979) | Unimog U 4023 (2020) |
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Bauzeit | 1956 – 1974 | 1969 – 1988 | seit 2020 |
Motor | 1,7-Liter-Vierzylinder-Diesel | 5,6-Liter-Sechszylinder-Diesel | 5,1-Liter-Vierzylinder-Diesel |
Leistung / Drehmoment | 32 – 36 PS / k. A. | 125 PS / 353 Nm bei 1600 U/min | 231 PS / 900 Nm bei 1400 U/min |
Antrieb | zuschaltbarer Allradantrieb | zuschaltbarer Allradantrieb | zuschaltbarer Allradantrieb |
Spitze | bis 50 km/h | bis 80 km/h | bis 90 km/h |
Text: Fabian Hoberg
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