"Nach dem Shutdown hatten wir mehr Arbeit als zuvor"

Das Herunterfahren des öffentlichen Lebens hat Urlaubsregionen kalt erwischt. Moritz Luft, Geschäftsführer der Sylt Marketing GmbH, über Ferien auf der Insel, Mobilität und seine Erfahrungen mit Gästen, Hoteliers und Behörden.
Der gebürtige Kieler leitet seit 2006 die Tourismusorganisation der Nordseeinsel, auf der im vergangenen Jahr eine Million Urlauber und über sieben Millionen Übernachtungen gezählt wurden.
Das Interview wurde im Juni 2020 geführt.
ADAC Redaktion: Wie haben Sie den Shutdown in Erinnerung?
Moritz Luft: Ende Februar zeichnete sich ab, dass etliche Urlauber vor Corona von Süden nach Norden ausweichen. Sie zogen sich zunächst aus Südtirol, darauf aus Österreich, dann aus Süddeutschland in Richtung Norden zurück. Die Insel war daher für die Jahreszeit ganz gut besucht, als am 16. März eine Anreisesperre für die Inseln Schleswig-Holsteins in Kraft trat. Kurz darauf mussten wir die Urlauber und Zweitwohnungsbesitzer innerhalb von zwei, drei Tagen wegschicken, das war eine traurige Aufgabe.
Und in den Tourist-Informationen kehrte die große Ruhe ein?
Im Gegenteil. Der Informationsbedarf war riesig, von Gästen genau so wie von Übernachtungsbetrieben, von der Gastronomie und von Insulanern generell. Jeder wollte wissen, ob und wie es weitergeht. Unsere 12 Mitarbeiter hatten zunächst mehr zu tun als im Regelbetrieb. Wegen der Insellage war der Shutdown auch eine logistische Herausforderung.
Lassen sich die wirtschaftlichen Einbußen abschätzen?
Der Tourismus ist mit Abstand der wichtigste Wirtschaftszweig auf Sylt. Wie jedes Jahr haben die Hoteliers und Gastwirte in den ruhigeren Monaten investiert und auf eine ähnlich starke Saison wie 2019 gehofft. Aber der Shutdown, der auf den Inseln früher kam als in Schleswig-Holstein, macht das natürlich zunichte.
Also gibt es Grund für Optimismus?
Im Prinzip ja. Anders als in anderen Bundesländern müssen die Hotels hier ihre Kapazitäten nicht reduzieren. Es wird nur 2020 ein anderer Urlaub werden. Mit weniger Spontaneität für die Gäste, die in ihrem Hotel vielleicht einen Zeitslot fürs Abendessen bekommen und sich das Frühstück nicht am Büfett aussuchen können, sondern am Platz bedient werden. Es ist einfach mehr zu organisieren, Besucherströme sind zu lenken, auch beim Baden. Etwas leichter wird die Logistik für uns zum Beispiel dadurch, dass es nur einen zentralen Strandkorb-Anbieter gibt. So ist schnell herauszufinden, wo noch etwas frei ist.
Glauben Sie, dass die Sylt-Besucher ihre Mobilität ändern?

Wir rechnen damit, dass mehr Gäste mit dem Auto anreisen werden. Reservierungen für die beiden Autozüge sind daher ratsam, genauso wie für die Fährverbindung über Dänemark. Vor allem für den Sommer müssen wir den Gästen mit Pkw transparent machen, welche alternativen Fortbewegungsmöglichkeiten es auf der Insel gibt. Wir zählen auch auf die Gastgeber, die Urlauber zu An- und Abreise und zur Mobilität vor Ort beraten. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind saisonal ausgelegt und können im Sommer nicht einfach dichter getaktet werden. Hier prüfen wir, ob alternative Bedienformen wie Anrufsammeltaxis ein Weg sind.
Wenn sie der Corona-Krise etwas Gutes abgewinnen müssten ...
... dann wäre es, dass das bisherige beziehungslose Nebeneinander von Gastgebern, Einzelhandel und Tourismusmanagement nachgelassen hat. Wir haben gesehen, wie abhängig wir voneinander sind, fühlen uns besser in die Probleme anderer ein. Es gibt, kurz gesagt, mehr Miteinander. Und wir hoffen, dass das erhalten bleibt.
Lesen Sie hier, was beim Urlaub an Nord- und Ostsee zu beachten ist. Ideen für Ferien auf Sylt finden Sie in der Ausgabe Nr. 177 des ADAC Reisemagazins.
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