Vorbeifahren am Müllauto nur in Schrittgeschwindigkeit?

Ein Bus und ein Auto überholen ein Müllfahrzeug
Müllauto, Bus, Pkw: Manchmal wird es auf den Straßen eng© dpa/G. Czepluch

Wer an einem Müllauto vorbei will, muss nicht immer Schritt­geschwindig­keit fahren und einen Abstand von zwei Metern einhalten. Ein Urteil des Oberlandesgerichts Celle.

Der Fall: Ein Müllauto war gerade bei der Tonnenleerung. Die Fahrerin eines Pflegedienstautos fuhr daran vorbei und stieß mit einer Abfalltonne zusammen, die ein Mitarbeiter der Müllabfuhr hinter dem Müllwagen quer über die Straße schob. Die Pflegedienstfirma verlangte Schadenersatz und klagte. Die Parteien stritten darüber, ob die Fahrerin des Pflegedienstautos eine Mitschuld trägt, weil sie mit einer Geschwindigkeit von 13 km/h und einem Abstand von nur 50 Zentimetern an dem Müllwagen vorbeigefahren war.

Unfall: Streit über Verteilung der Haftung

In erster Instanz entschied das Landgericht Hannover, dass beide Unfallbeteiligten zur Hälfte haften müssen. Der Müllmann hätte die Mülltonne nicht über die Fahrbahn rollen dürfen, ohne auf den fahrenden Verkehr zu achten, so die Richter. Die Fahrerin des Pflegedienstautos sei aber zu schnell vorbeigefahren und habe zu wenig Seitenabstand zum Müllwagen eingehalten. Die Frau legte Berufung ein.

Nicht immer Schrittgeschwindigkeit nötig

Das Oberlandesgericht Celle gab der Pflegedienstfahrerin teilweise Recht. Es sei nicht nötig, immer in Schrittgeschwindigkeit und mit einem Abstand von zwei Metern an einem Müllauto vorbeizufahren. Vielmehr müsse man den Einzelfall betrachten. Die Pflegedienstfahrerin habe langsamer fahren müssen, was sie ja getan habe, so die Richter. Ein Sachverständiger hatte zudem ausgeführt, dass bei einer Geschwindigkeit von 13 km/h der Unfall räumlich vermeidbar gewesen wäre. Die Richter erklärten weiter, die Fahrerin habe nicht damit rechnen müssen, dass hinter dem Müllfahrzeug ein Müllcontainer hervorgeschoben wird.

Die Richter berücksichtigten auf Seiten der Pflegedienstfahrerin eine leicht erhöhte Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs. Am Ende verteilte das Gericht die Haftung mit einer Quote von 75:25 zu Lasten des Müllunternehmens.

OLG Celle, Urteil vom 15.2.2023, Az.: 14 U 111/22