Umweltministerin Schulze: Klimaschutz macht Mobilität günstiger

Macht Klimaschutz das Autofahren teurer? Bundesumweltministerin Svenja Schulze sagt Nein und erklärt im ADAC Interview, warum strengere CO₂-Vorgaben die Verbraucher sogar entlasten können.
Für Autos mit hohem Verbrauch steigt 2021 die Kfz-Steuer, eine CO₂-Abgabe macht das Tanken teurer. Und auch wenn Meinungsumfragen Klimaschutz als eines der wichtigsten Themen ausweisen – beim Geldbeutel hört für viele der Spaß auf. Das dürfte auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze klar sein: Als SPD-Mitglied muss sie schließlich auch die soziale Frage im Blick haben. Warum sie glaubt, dass Mobilität auch für Menschen mit geringen Einkommen bezahlbar bleibt, und wie sie zu schärferen Klimazielen für die EU steht, erklärt sie im ADAC Interview.
ADAC: Sie waren Landesschülersprecherin in Nordrhein-Westfalen. Würden Sie heute mit Fridays for Future auf die Straße gehen?
Svenja Schulze: Es ist toll, dass sich so viele junge Leute für den Klimaschutz einsetzen. Und natürlich sagen sie, es müssen jetzt radikale Dinge passieren. Aber es ist die Verantwortung der Politik, einen sozial ausgewogenen Weg zu finden – und gleichzeitig unsere wirtschaftlichen Errungenschaften zu bewahren.
EU-Parlament und Umweltbundesamt wollen die Klimaziele nochmals verschärfen, 60 Prozent weniger Klimagase bis 2030. Was wollen Sie?
Wir sollten uns in der EU auf eine Reduktion des Klimagasausstoßes um mindestens 55 Prozent einigen. Ich setze mich gemeinsam mit der Bundeskanzlerin dafür ein, dass uns das in diesem Jahr gelingt.
Der Bund will Wasserstoff massiv fördern – ist diese Technologie auch für Autos sinnvoll?
Im Verkehr werden wir alle verfügbaren Kraftstoffoptionen brauchen. Wasserstoff ist aber kein Wundermittel, das alle Kraftstoffe sinnvoll ersetzen kann. Es gibt heute noch nicht genug Strom aus erneuerbaren Energien für seine Produktion. Und die Effizienz ist viel zu gering.
Wasserstoff und E-Fuels halte ich für den Flug- und den Seeverkehr für geeignet. Denn hier fehlen klimafreundliche Alternativen. Aber im Pkw-Bereich ist die Elektromobilität die effizienteste und kostengünstigste klimafreundliche Option.
Sie halten also den Weg in Richtung E-Mobilität für richtig?
Ja. Die Autoindustrie hat sich vor allem für die Elektromobilität mit Batterie entschieden, und wir unterstützen genau das über vielfältige Förderprogramme.
Es gibt ja noch viele Autos mit Verbrennungsmotor – haben die dank E-Fuels, also aus erneuerbarem Strom erzeugtem synthetischem Sprit, eine Zukunft?
Schifffahrt und Luftverkehr werden noch lange auf flüssige Kraftstoffe angewiesen sein, dort machen E-Fuels Sinn. Deshalb habe ich auch eine entsprechende Quote für den Flugverkehr vorgeschlagen – so wäre die Abnahme garantiert, es könnte sich ein Markt entwickeln.
Aktuell wird Benzin bis zu zehn Prozent Bioethanol, also pflanzlicher Treibstoff, beigemischt – sollte diese Quote erhöht werden?
Die allermeisten Pkw können Super E10 ohne Leistungseinbuße nutzen. Allerdings macht E10 derzeit nur etwa 14 Prozent des Benzinabsatzes aus. Wir sollten also für mehr Akzeptanz werben, zumal wir beim E10 klare Qualitätsanforderungen haben. Das kann man meist für benzinbetriebene Fahrzeuge bedenkenlos tanken.
„Wir schöpfen das Marktpotenzial von Bioethanol im Verkehr noch nicht aus.“
Svenja Schulze, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
Wir schöpfen das Marktpotenzial von Bioethanol im Verkehr noch nicht aus. Hier ist noch weitaus mehr möglich – unter einer Bedingung: Für die Produktion von Bioethanol dürfen keine Futterpflanzen oder umweltschädliches Palmöl eingesetzt werden.
Stattdessen sollten wir mehr Reststoffe wie Gülle und Stroh oder auch Altspeiseöle verwenden. Förderung dafür sieht unser aktueller Entwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien im Verkehr vor. Durch die gesetzliche Förderung soll der Einsatz von Bioethanol aus Abfall- und Reststoffen steigen und hier eine höhere Beimischung als bisher erfolgen.
Pop-up-Radwege haben für viele Diskussionen gesorgt – was sagen Sie zu diesen spontan ausgewiesenen Radwegen?
Die Pop-up-Radwege sind in der Corona-Krise entstanden, als es viel mehr Radverkehr gab. Die Aufregung um dieses Thema halte ich für übertrieben. Zu begrüßen wäre, wenn die rechtlichen Vorgaben dahingehend geändert würden, dass dem wachsenden Radverkehr allgemein schneller und einfacher mehr Platz eingeräumt werden kann.
„Die Aufregung um Pop-up-Radwege halte ich für übertrieben. “
Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
Die Kommunen leiden massiv unter der Corona-Krise. Reicht das Finanzpaket für den ÖPNV, oder muss die Bundesregierung nachlegen?
Für den Ausbau des ÖPNV zahlt der Bund ohnehin jährlich mehr als acht Milliarden Euro. Mit dem Klimaschutzprogramm haben wir 2019 eine Erhöhung des Betrags um 5,2 Milliarden Euro beschlossen. Hinzu kommen weitere 2,5 Milliarden Euro aus dem Konjunkturpaket von diesem Jahr.
Damit können Kommunen einen Teil der Einnahmeverluste aufgrund sinkender Fahrgastzahlen ausgleichen. Und die Bundesländer haben ihre Unterstützung auch ausgebaut. Außerdem fließen über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz weitere Milliarden in den Ausbau von U-, S- und Straßenbahn.
In der Stadt ist das Mobilitätsangebot gut. Wie lässt sich klimafreundlicher Verkehr auf dem Land verwirklichen?
Das E-Auto ist auch auf dem Land eine gute Alternative. Die Leute wohnen oft im Eigenheim, das senkt die Hürden für den Einbau einer Ladestation. Und Nachbarn können Ladestationen gemeinsam nutzen. Ich erhoffe mir durch die Digitalisierung einen Schub, denn damit können etwa flexiblere – perspektivisch möglicherweise autonom fahrende – Angebote ermöglicht und so auch in dünner besiedelten Gebieten attraktive Alternativen zum Auto geschaffen werden.
Macht Klimaschutz Mobilität teurer, Stichwort CO₂-Abgabe und Kfz-Steuer?
Klimaschutz ist nur erfolgreich, wenn er sozial ist. Das kann auch durch schärfere Vorgaben beim Energieverbrauch gelingen. Dann sind vielleicht die Anschaffungskosten für
Neuwagen etwas höher. Aber durch den niedrigeren Verbrauch fallen die Kosten der Mobilität insgesamt geringer aus.
„Klimaschutz ist nur erfolgreich, wenn er sozial ist.“
Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
Wir wollen umweltfreundliches Verhalten belohnen. Fossile Kraftstoffe werden daher teurer, gleichzeitig entlasten wir über den Strompreis, machen Bahnfahren billiger, erhöhen die
Pendlerpauschale. Und es gibt auch bei der Kfz-Steuer einen Anreiz, sparsame Autos zu kaufen.
Sie zeichnen ein sehr positives Bild der Regierungsarbeit. Leisten die einzelnen Ministerien wirklich genug für den Klimaschutz?
Die gute Nachricht ist, dass wir den Zielen für 2030 näherkommen. Energiewirtschaft und Industrie sind schon auf Kurs. Aber bei Gebäuden und beim Verkehr liegen wir hinter dem zurück, was wir uns vorgenommen haben.
Mitte März 2021 bekommen wir aktuelle Daten. Und wenn wir nicht auf dem richtigen Pfad sind, muss das zuständige Ministerium nachsteuern.
Was würden Sie in der Mobilität gern schnell ändern?
Ich wünsche mir, dass die Beschlüsse des Klimaschutzprogramms komplett umgesetzt werden. Außerdem wünsche ich mir, dass wir über das Positive am Klimaschutz reden. Wir sprechen vor allem über die Einschränkungen, die mit Klimaveränderungen, Verkehrs- und Energiewende verbunden sind. Dabei wird die Mobilität der Zukunft wahrscheinlich leiser und sauberer, und die Menschen sind viel besser miteinander verbunden.
Welche Politikerin oder welchen Politiker der Grünen hätten Sie gern als Verkehrsminister?
(Lacht) Am liebsten eine Sozialdemokratin oder einen Sozialdemokaten. Auf jeden Fall braucht es den politischen Willen, Verkehrspolitik mit moderner Mobilität und Klimaschutz zusammenzubringen.