"Mein Sohn vermisst das Mannschaftstraining"

Philipp Lahm spricht im Interview über Durchhaltevermögen, die Folgen der Corona-Pandemie für den Fußball und das Sammeln von Panini-Bildern.
ADAC Redaktion: Haben Sie als kleiner Junge eigentlich auch Panini-Bilder geklebt?
Philipp Lahm: Ja! Und natürlich wollte ich wie jedes Kind meine Alben vollbekommen. Bei der Europameisterschaft 1996 aber habe ich das nicht mehr geschafft. Klinsmann und Sammer haben mir gefehlt, daran kann ich mich noch gut erinnern. Unser Sohn Julian sammelt ebenfalls. Aber das ist ein anderes Sammeln als früher – weil man die Bilder nun für sich passgenau bestellen kann.
Zur Person
Philipp Lahm (37) war sowohl Kapitän der deutschen Nationalmannschaft als auch des FC Bayern München. Mit der deutschen Auswahl gewann er 2014 die Weltmeisterschaft, Höhepunkt seiner Karriere beim FC Bayern war das Jahr 2013, in dem der Club das Triple aus Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League errang. 2017 beendete er seine Fußballer-Karriere. Er ist EM-Botschafter 2021 sowie Turnierdirektor der EM 2024 in Deutschland.
In Ihrem Buch „Das Spiel“ beschreiben Sie Fußball als Schule des Lebens. Welche Lehrstunde war für Sie die allerwichtigste, und auf welche Lektion hätten Sie verzichten können?
Ob es die allerwichtigste ist, kann ich nicht sagen, aber es hat früh begonnen: Als ich mit sechs Jahren anfing, Fußball zu spielen, habe ich mit meiner Mannschaft jedes Spiel verloren. Im November schossen wir endlich unser erstes Tor, verloren das Spiel aber trotzdem. Das hat mich jedoch nicht daran gehindert weiterzumachen. Das braucht man im Sport: Durchhaltevermögen. Worauf ich gerne verzichtet hätte, war die eine oder andere Konditionseinheit zur reinen Willensschulung. Ich gehe sehr gerne mit meiner Familie bergwandern, als Profi den Wallberg hochzulaufen, hat sich mir aber nicht erschlossen.
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Ist Fußball mehr als ein Spiel?
Nein, es bleibt ein Spiel. Für die meisten ist Fußball Amateursport, also eine Freizeitbeschäftigung, die eine ausgezeichnete Möglichkeit bietet, tolle Erfahrungen zu machen: Freundschaft, Respekt, Engagement und Regeln sind die Werte, die den Fußball ausmachen und von Kindesbeinen an in den Vereinen vermittelt werden. Und das von Menschen, die sich in ihrer Freizeit mit Gleichgesinnten engagieren, sich gerne bewegen und Sport machen.
Hat die Corona-Krise auch den Fußball nachhaltig verändert?
Das kann man noch nicht sagen. Ich hoffe auf die Impfungen und darauf, dass Tempo aufgenommen wird und die Pandemie bis zum Sommer so beherrschbar ist, dass man wieder einen regelmäßigen Ligabetrieb im Amateurbereich aufnehmen kann. Ich denke dabei an unseren Sohn Julian, wie sehr er das Mannschaftstraining und die Bewegung draußen mit Freunden vermisst.
Joshua Kimmich wird bei der kommenden Europameisterschaft im Fokus stehen – so wie Sie früher als Führungsspieler. Auch er spielt mal als Rechtsverteidiger, mal im Mittelfeld. Haben Sie einen Tipp für ihn?
Joshua macht seine Sache gut. Er braucht von mir keinen Rat. Jeder Spieler entscheidet für sich intuitiv, auf welcher Position er sich am wohlsten fühlt. Joshua hat sich schon häufiger dazu geäußert, dass er sich als Mittelfeldspieler sieht. Und das sehe ich genauso.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, heißt es. Planen Sie schon für die Heim-EM 2024, bei der Sie Turnierdirektor sind?
Ja. Das Motto der WM 2006 war „Die Welt zu Gast bei Freunden“. Auch die EURO 2024 soll ein Turnier für alle werden.
Interview: Stefan Ruzas