DAT-Experte Martin Weiss über den Gebrauchtwagenmarkt

Gebrauchtwagen-Experte Martin Weiss von der DAT kennt sich am Markt aus
Gebrauchtwagen-Experte Martin Weiss von der DAT kennt sich am Markt aus© DAT/David Franck

Einen attraktiven Gebrauchtwagen zu finden ist momentan extrem schwierig. Das Angebot ist knapp, die Preise sind sehr hoch. DAT-Gebrauchtwagen-Experte Martin Weiss spricht hier über die Gründe – und die Frage, wann sich das Angebot wieder normalisiert.

Die Deutsche Automobil Treuhand GmbH (DAT) ist ein wichtiger Marktbeobachter der Automobil­branche. Sie erhebt vielfältige Daten, führt Analysen durch und stellt deren Ergebnisse Automobilfirmen, Käuferinnen und Interessierten zur Verfügung. Bestes Beispiel: das Online-Tool zur Ermittlung von Gebrauchtwagenpreisen. Wer sein Auto verkaufen möchte, findet hier genauso einen Richtwert für den Preis des Fahrzeugs wie derjenige, der ein gebrauchtes Auto sucht.

Redaktion: Herr Weiss, warum sind die Preise für Gebrauchtwagen so hoch?

Martin Weiss: Ursache dafür ist eine Kettenreaktion am Markt. Es fing an mit dem Corona-Lockdown, als überall in der Welt die Produktion heruntergefahren oder eingestellt wurde. Der Chip-Mangel und die Lieferkettenprobleme kamen dazu.

In den Jahren zuvor hatten wir eigentlich immer Überproduktion an Fahrzeugen. Jetzt haben wir aber eine Unterproduktion und lange Wartezeiten, wenn man einen Neuwagen bestellt. Also weichen die Autokäufer auf den Gebrauchtwagen-Markt aus. Sie schauen dabei zuerst nach einem jungen Gebrauchten, und wenn sie den nicht mehr bekommen, schauen sie nach etwas älteren. So funktioniert die Kettenreaktion, das Angebot ist knapp und knapper, die Preise steigen und steigen.

Die Gebrauchtwagen-Preise werden nicht mehr auf das Niveau vor Corona fallen.

Martin Weiss, Leiter der DAT-Marktbeobachtung

Ab wann hat sich die Preisrallye abgezeichnet?

Ich würde sagen, ab Mitte 2021 war das deutlich zu sehen.

Ist der Höhepunkt jetzt erreicht?

Seit April 2022 verharren die Preise auf dem hohen Niveau. Bei gefragten Fahrzeugen sind sie auch weiter gestiegen, jedoch nicht mehr in der Dynamik wie bisher. Jetzt sollten die Preise aber nicht mehr weiter ansteigen, und irgendwann könnten sie auch wieder fallen.

Wann ist irgendwann? In einem Jahr?

Grundsätzlich werden die Preise nicht mehr auf das Niveau vor Corona fallen, das ist klar. Aber wir sehen, dass die Produktion der Hersteller zum Teil wenigstens wieder hochgefahren wird, dass nicht mehr überall Chip-Not herrscht, dass sich die Situation wieder etwas normalisiert. Insofern ist es erwartbar, dass sich die Preise wieder etwas beruhigen.

Erkennen Sie einen neuen Trend im Kaufverhalten bei Gebrauchten?

Das ist ein bisschen spekulativ. Aber ja, es kann schon sein, dass viele Leute jetzt eher nach älteren und damit billigeren Modellen suchen oder nach kleineren und daher billigeren Autos. Das Geld sitzt beim Autokauf jedenfalls nicht mehr so locker.

Was ist mit Ladenhütern, wie es sie früher gab? Ist das vorbei?

Wirkliche Ladenhüter sehen wir momentan eigentlich nicht. Wenn Autos ungewöhnlich lange im Angebot sind, dann liegt das meist an völlig überzogenen Preisvorstellungen, die mancher Händler einfach mal durchzusetzen versucht.

Statt irgendwelcher Ladenhüter sehen wir eher Fahrzeuge, die dermaßen beliebt sind, dass sie gebraucht mehr kosten als neu. Beispiel Mercedes G-Klasse oder auch Fahrzeuge in kleineren Segmenten wie ein Suzuki Jimny. Das ist unglaublich.

Wie sieht die Situation bei Jahreswagen aus?

Aus Käufersicht schlecht. Es fehlen zum Beispiel die Fahrzeuge, die von Autovermietern nach sechs bis neun Monaten in der Vermietung in großer Zahl als Jahreswagen auf den Markt geworfen worden sind. Das waren ziemlich perfekte Jahreswagen. Aber die gibt es jetzt nicht, weil der Nachschub an Neufahrzeugen fehlt. Auch werden viele Dienstwagen jetzt einfach länger gefahren. Auch aus dieser Quelle fehlen Fahrzeuge.

Bei gebrauchten E-Autos gibt es Hinweise, dass die bevorzugt ins Ausland verkauft werden, weil dort noch bessere Preise zu erzielen sind. Können Sie das bestätigen?

Ja, das beobachten wir auch und haben dazu gerade eine Analyse erstellt. Der Bestand an elektrischen Fahrzeugen entwickelt sich nicht so, wie es die Neuzulassungen vermuten lassen. So ist davon auszugehen, dass etliche Fahrzeuge ins Ausland verkauft werden, wo das Preisniveau für elektrische Fahrzeuge höher ist. Den Mercedes EQC zum Beispiel gibt es hier als Gebrauchten so gut wie nicht, weil die Wagen flugs nach Norwegen verkauft werden. Das hören wir immer wieder aus dem Handel.

Geht man mit einem gebrauchten Diesel, den man sich heute kauft, ein Risiko ein? Zum Beispiel, weil Umweltzonen erweitert wurden und die meisten Leute dann schon auf ein Elektroauto umschwenken?

Der Diesel ist für viele Leute heute alternativlos und wird das auch noch lange bleiben. Mit einem Euro-6-Diesel ist man auf jeden Fall auf der sicheren Seite. Bei einem älteren Diesel, Euro 5 etwa, kommt es dann darauf an, wo der Käufer wohnt beziehungsweise wo er damit fahren will. Da könnte es zu Einschränkungen kommen. Aber ein generelles Risiko sehen wir aktuell nicht.

Der Diesel ist für viele Leute heute alternativlos und wird das auch noch lange bleiben. Mit einem Euro-6-Diesel ist man auf jeden Fall auf der sicheren Seite.

Martin Weiss, Leiter der DAT-Marktbeobachtung

Nach welchen Kriterien sollte der Käufer seinen Neuwagen konfigurieren, wenn es um den Wiederverkaufswert geht?

Es ist gut zu wissen, was technologisch und regulatorisch angesagt ist, auch in ein paar Jahren. Denn danach richten sich Angebot und Nachfrage. So gesehen sind moderne Infotainment- oder Assistenzsysteme wichtig für einen guten Wiederkaufswert.

Heute wollen ja die meisten Leute ein SUV. Lohnt es sich daher vielleicht, ein besonderes Auge auf das Segment der Vans zu werfen, weil es dort aktuell gute Angebote gibt?

Es gibt momentan in keinem Segment flächendenkend wirklich gute Angebote, die Autos sind alle auf einem hohen Preisniveau. Der Markt ist leer gekauft. Wenn man aktuell nicht unbedingt ein Auto als Ersatz braucht, dann sollte man lieber noch warten. Es ist eine vertrackte Situation.

Wolfgang Rudschies
Wolfgang Rudschies
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