Armin Laschet: "Verbote und Verzicht sind der falsche Ansatz"

Armin Laschet gestikulierend im Gespräch
Armin Laschet, Kanzlerkandidat der Union, bei einer Pressekonferenz © dpa/Michael Kappeler

Im ADAC Interview erklärt CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, wie er die Klimaschutzziele erreichen und zugleich individuelle Mobilität fördern will, was aus der Pendlerpauschale wird und warum das Ende des Verbrenners schneller kommen könnte, als gedacht.

Armin Laschet ist auf dem Weg von Mönchengladbach nach Köln, als er sich zum virtuellen Interview mit dem ADAC einwählt. Die heiße Wahlkampfphase hat begonnen, Laschets Terminkalander ist voll – der CDU-Kanzlerkandidat wirkt trotzdem entspannt.

ADAC Redaktion: Herr Laschet, wir erreichen Sie im Dienstwagen mit Fahrer. Haben Sie schon einmal die Hilfe der Gelben Engel in Anspruch genommen?

Armin Laschet: Wann immer es möglich ist, fahre ich gerne selbst. Und tatsächlich hatte ich mal zu wenig Sprit auf der Autobahn. Da hat mir ein Gelber Engel geholfen. Zu Hause fahre ich einen E.Go, das Elektromobil, das ein Professor der RWTH Aachen entwickelt hat. Dafür habe ich den ADAC noch nie gebraucht.

Welche Rolle spielt der Pkw im Programm der CDU?

Automobilität ist Freiheit. Unser Ziel ist, in 20 Jahren Klimaneutralität zu erreichen und weiterhin Automobilland Nummer eins zu sein. Diesen Wandel wollen wir technologieoffen gestalten und werden alles tun, damit die Arbeitsplätze in der deutschen Automobilindustrie erhalten und neue geschaffen werden. Das ist die Herausforderung: Wir müssen die Klimaschutzziele erfüllen und gleichzeitig unserer sozialen Verantwortung gerecht werden. Wir werden weiter die Elektromobilität fördern und den Ausbau der Lade-Infrastruktur vorantreiben. Wahrscheinlich kommt das Ende des Verbrenners schneller, als wir glauben – aber marktwirtschaftlich gesteuert. Politisch ein Enddatum für Benziner und Dieselfahrzeuge zu setzen, halte ich für falsch.

Zur Person

Armin Laschet (60) ist seit 2017 Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.

Bereits seit 2008 sitzt er im Bundesvorstand der CDU, 2012 wurde er Parteivize, im Januar 2021 Parteivorsitzender. Von 2005 bis 2010 war der gebürtige Aachener Landesminister für Generationen, Familie, Frauen und Integration, ab 2010 zusätzlich Landesminister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien. Zur Bundestagswahl 2021 tritt Armin Laschet als Kanzlerkandidat der Union an.

Wie würde sich die Verkehrspolitik unter einem Kanzler Armin Laschet unterscheiden von der unter Kanzlerin Merkel?

Wir brauchen bei Plan- und Genehmigungsverfahren mehr Tempo, für große Straßenbauprojekte ebenso wie für den Ausbau der Schiene. Die Grünen wollen den innerdeutschen Flugverkehr reduzieren. Das wird aber nur Akzeptanz finden, wenn wir schnelle Bahnstrecken haben. Die werden aktuell aber im Schneckentempo geplant und gebaut. Auch, weil man von Oberammergau aus gegen einen Streckenabschnitt in Bielefeld klagen kann. Das wollen wir ändern. Wirkungsvoller für den Klimaschutz erscheint mir mittel- bis langfristig der Einsatz von synthetischen Kraftstoffen im Flugverkehr. Auch das werden wir fördern.

Ist die aktuelle Konzentration auf Elektromobilität richtig?

Beim Pkw würde ich nach derzeitigem Stand sagen: Ja. Es ist der schnellste Weg, CO₂-frei Auto zu fahren. Gleichwohl muss man weiterhin ergebnisoffen forschen. Wenn synthetische Kraftstoffe da sind, muss ich die Frage möglicherweise noch einmal anders beantworten. Wasserstoff sehe ich momentan beim Schwerlastverkehr als Option, auf die Daimler und Volvo setzen.

Mehr zur Bundestagswahl

Viele weitere Informationen rund um Verkehrspolitik, Impulse des ADAC für die nächste Legislaturperiode sowie Interviews mit Verkehrspolitikern und Experten finden Sie auf der Themenseite zur Bundestagswahl 2021.

Woher soll denn der grüne Strom kommen, den wir für eine wirklich klimaneutrale Elektromobilität bräuchten?

Nicht nur wegen der Elektromobilität: Um die Pariser Klimaziele insgesamt zu erreichen und bis 2045 ein klimaneutrales Industrieland zu werden, braucht Deutschland so schnell wie möglich 100 Prozent Erneuerbare Energie. Entscheidend dabei sind drei Dinge: Ausbau, Artenschutz und Akzeptanz. Der steigende Strombedarf verlangt nach Turbo beim Ausbau der Erneuerbaren. Wir wollen ihn fördern, indem wir die Erneuerbaren entlasten – von Bürokratie und Abgaben, von Steuern und Umlagen.

Wir sind technologieoffen: Wir setzen auf Windkraftanlagen, sowohl offshore als auch an Land, aber eben auch auf Photovoltaik, Biomasse, Geothermie und Wasserkraft. Doch ein Windrad zu genehmigen, dauert bis zu sechs Jahre. Wir müssen es in maximal sechs Monaten hinbekommen. Dann muss der erzeugte Strom auch dahin kommen, wo er gebraucht wird. Im Augenblick wird noch zu viel Strom aus Windenergie umsonst produziert, allein in Schleswig-Holstein sind es rund zwölf Prozent. Deshalb müssen wir den Ausbau von Stromtrassen vorantreiben und das Verbandsklagerecht anpassen. Wie auch bei Bahnstrecken ist es nicht hinnehmbar, dass Trassen für aus Windenergie gewonnenem Strom von der Nord- oder Ostsee in den Rest des Landes blockiert werden.

Der Ausbau muss aber im Einklang mit dem Artenschutz geschehen, zu unserer Heimat gehören auch Rotmilan und Schreiadler. Vor allem gelingt die Energiewende nur, wenn sie Akzeptanz findet. Deshalb schaffen wir die EEG-Umlage ab, um Menschen beim Strompreis zu entlasten, und nehmen Bürgerinnen und Bürger ernst, die Abstand von Wohnhäusern zu Windrädern fordern. Die ökologische Transformation muss alle mitnehmen.

Um die doch sehr anspruchsvollen EU-Klimaziele zu erreichen, wird es wahrscheinlich nicht ausreichen, mehr Elektroautos zu fahren. Können wir da überhaupt hinkommen, ohne zu verzichten?

Ja. Verbote und Verzicht sind der falsche Ansatz und hemmen die Akzeptanz. Deutschland ist immer ein Land der Erfinderinnen, der Tüftler, der Kreativen gewesen, die neue Wege gefunden haben, wenn es nötig war. Elektromobilität ist zum Beispiel kein Verzicht. Es ist fast ein schöneres Fahren mit viel Komfort. Das muss doch das Ziel sein: Sich mit Freude neuen Technologien zu öffnen und so Klimaneutralität zu erreichen. Je mehr wir das schaffen, desto mehr wird unsere Lebensqualität steigen.

Was planen Sie konkret, um die Mobilität der Menschen auf dem Land zu verbessern?

Ich plane vor allem, diesen Menschen keine Steine in den Weg zu legen. Die Pendlerpauschale muss bleiben, schließlich ist sie eine Anerkennung dafür, dass jemand weite Wege auf sich nimmt, um zur Arbeit zu fahren. Unser Ziel muss es sein, das Leben auf dem Land attraktiv zu halten und attraktiver zu machen. Wenn das Leben im ländlichen Raum unattraktiver wird, werden noch mehr Menschen in jetzt schon völlig überhitzte Wohnungsmärkte der Städte drängen. Durch die Digitalisierung lassen sich im ländlichen Raum sehr viel individuellere Verkehrsmodelle nutzen. Kleine Bussysteme etwa, die vier, fünf Leute ordern, sind aus meiner Sicht intelligenter als regelmäßige, große, unflexibel organisierte Formen des öffentlichen Nahverkehrs.

Sprechen wir über die Stadt. Es wird immer enger – Fußgänger, Autofahrer, Radfahrer konkurrieren um Platz. Wie möchten Sie dafür sorgen, dass Städte lebenswert bleiben?

Armin Laschet im Interview mit dem ADAC
Armin Laschet im virtuellen Interview mit ADAC Redakteurin Kati Thielitz und ADAC Chefredakteur Martin Kunz © ADAC/David Klein

Wir brauchen ein vernünftiges Nebeneinander der verschiedenen Verkehrsträger. Ich halte nichts von der Idee einer autofreien Stadt, genauso wenig wie von einer Citymaut. Das schadet auch dem durch die Corona-Pandemie ohnehin gebeutelten Einzelhandel. Stattdessen muss der ÖPNV ausgebaut werden. Wir werden in den nächsten Jahren flexiblere Systeme mit dichterer Taktung und größerem Komfort erleben. Zudem wird das Fahrrad noch mehr an Bedeutung gewinnen. Deshalb brauchen wir mehr Radschnellwege.

Ihre politischen Gegner wollen nun Lastenfahrräder subventionieren. Haben Sie ein ähnliches Versprechen?

Das ist der Unterschied zwischen mir und den politischen Wettbewerbern. Die Grünen produzieren Sprüche und Überschriften. Ich handle. Nordrhein-Westfalen fördert Lastenfahrräder. Es ist nur nicht das Herzstück unserer Verkehrspolitik.