"Mit uns würde das 49-Euro-Ticket interessanter werden"

Portrait für das Interview mit dem Flixbus Gründer Andre Schwämmlein
Flixbus-Chef André Schwämmlein im Interview© Flix SE/ADAC {M}

Flixbus-Chef André Schwämmlein über das Fernbus-Geschäft nach der Pandemie, teuren Sprit, das 49-Euro-Ticket und warum Fernbusse dabei sein sollten.

Mitte Februar konnte André Schwämmlein, der Chef von Flix, dem Mobilitätsanbieter, zu dem auch Flixbus gehört, Rekordzahlen verkünden: Mehr als 60 Millionen Fahrgäste beförderte das Unternehmen im Jahr 2022. Gegründet wurde Flix vor zehn Jahren als Fernbus-Anbieter. Inzwischen betreibt der Konzern auch Bahnlinien. Aktiv ist Flix in 40 Ländern, darunter in den USA: Dort übernahm Flix das traditionsreiche Fernbus-Unternehmen Greyhound.

Redaktion: Was hat sich für Flixbus durch die Pandemie verändert?

André Schwämmlein: Unsere Erfahrung ist, dass sich sehr wenig geändert hat. Die Leute haben wieder Lust aufs Reisen, der Markt hat sich erholt, es ist sehr viel Normalität zurückgekehrt.

Sie haben sich deutlich gegen das 9-Euro-Ticket und den Tankrabatt ausgesprochen. Aus Eigeninteresse?

Ich bin der Meinung, dass fossile Energien teurer werden müssen. Der Tankrabatt hat sie günstiger gemacht. Das viel größere Thema war aber das 9-Euro-Ticket. Wir haben kritisiert, dass es ein Strohfeuer war, das den Menschen kostenloses Reisen ermöglicht hat. Ich glaube nicht, dass es die Aufgabe des Staates ist, den Leuten einen Ausflug für null Euro an die Ostsee zu ermöglichen, sondern nachhaltig den öffentlichen Verkehr zu stärken.

Jetzt kommt das 49-Euro-Ticket. Was halten Sie davon?

Ich habe die Hoffnung, dass es beim 49-Euro-Ticket besser läuft. Wir sind dazu auch im Austausch mit der Politik, und es gibt viele Signale, dass Fernbusse Teil des Angebots werden können.

Und wir bringen auch etwas mit: Es gibt Hinweise, dass das Deutschlandticket außerhalb der großen Städte mit gutem öffentlichem Nahverkehr gar nicht so gut angenommen wird. Mit uns würde das 49-Euro-Ticket auch auf die Mitteldistanz interessanter. Wir könnten das Deutschlandticket also sozialer und für mehr Menschen interessant machen. Das lohnt sich übrigens auch für den Bund und die Länder.

Wovon hängt es ab, dass Flixbus dabei ist?

Es geht nicht um uns als Unternehmen, sondern um das Verkehrsmittel Fernbus an sich. Ich glaube nicht, dass es am Willen fehlt. Wir müssen aber dafür sorgen, dass die Umsetzung leicht wird. Uns ist die Komplexität, die mit der Einführung dieses Tickets verbunden ist, klar. Im Moment ist ja nicht einmal die Hundebeförderung über die ÖPNV-Grenzen hinweg einfach so möglich.

Wäre das 49-Euro-Ticket existenzgefährdend für Flixbus, sollten Sie nicht dabei sein?

Bei Flixbus haben wir beim 9-Euro-Ticket den Rückgang bei den touristischen Zielen gemerkt. Die Leute haben das für touristische Ausflüge und Familienbesuche genutzt – und das ist eigentlich genau der Flix-Use-Case.

Es wird Menschen geben, die auch auf langen Strecken in den Regionalverkehr umsteigen. Ganz egal, ob das dann zwei oder drei Stunden länger dauert als mit unseren Bussen. Aber das wird nicht die Masse der Bevölkerung sein, diesem Wettbewerb stellen wir uns. Deshalb: Es ist nicht existenzbedrohend, wir sind ein globales Unternehmen und werden auch global weiter wachsen. Unser Geschäft in den USA ist inzwischen zum Beispiel signifikant größer als das in Deutschland.

Warum wollen Sie dann dabei sein?

Wir sagen: Wir bringen Nutzer mit, wir kosten nicht extra. Sollten wir nicht drin sein, könnte es für Strecken, auf denen wir nur eine halbe Stunde schneller sind als die Bahn, eng werden – und dann müssten wir diese Strecken einstellen oder Takte ausdünnen. Das Verkehrsangebot würde schlechter werden. Das ist keine Drohung, das ist wirtschaftliche Logik. Am Ende verlieren die Fahrgäste, weil das Angebot im öffentlichen Verkehr schlechter wird. Es wäre eine riesige verpasste Chance für das deutsche Verkehrssystem.

Sie haben eine Studie in Auftrag gegeben, mit der die Folgen einer Integration von Fernbussen ins Deutschland-Ticket aufgezeigt werden sollten. Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erkenntnisse?

Der Fernbus ist eine Win-win-Situation: Fahrgäste bekommen ein größeres und besseres Angebot, Bund und Länder profitieren durch hohe Mehreinnahmen, die das Ticket bei der Finanzierung stabilisieren. Zudem haben dadurch vor allem junge Menschen und Haushalte mit geringem Einkommen einen Vorteil. Und: Auch die Umweltbilanz wird durch den Fernbus im Ticket laut IGES-Studie verbessert – das ist keine Überraschung, weil alle wissen: Der Fernbus hat eine super Umweltbilanz.

Waren Sie überrascht davon, dass Ihrer Umfrage zufolge 40 bis 50 Prozent der Menschen das Deutschlandticket in geplanter Form nicht nutzen würden? Ist das aus Ihrer Sicht viel – oder wenig?

Ich finde, das sind einfach zu viele. Das Deutschlandticket hat den Anspruch, Mobilität für alle zu ermöglichen. Dass so viele es nicht wollen, zeigt, dass es für viele Leute vielleicht doch zu teuer ist. Auch deshalb ist eine Einbindung des Fernbusses sinnvoll, da sich das Ticket dann für viele Menschen eher lohnt.

Reichen die Kapazitäten im ÖPNV für den Nachfrageschub aus?

Das ÖPNV-System in den Großstädten wird das sicherlich verkraften. Aber auf den touristischen Strecken auf der Schiene gibt es keine Kapazitätsreserven. Und diese punktuellen Engpässe könnten wir beheben.

Personalmangel – ein Problem für Flixbus?

Das ist definitiv eine Herausforderung für die ganze Branche. Der Job als Flix-Fahrer muss deshalb innerhalb der Branche ein interessanter Job sein. Und wenn das so ist, schaffen unsere Partner es, Fahrer zu gewinnen. Gute Arbeitsbedingungen, moderne Busse, neue Technologie, attraktive Bezahlung, faire Arbeitsbedingungen – da müssen wir besser sein als der Markt.

Wenn der Fernbus nicht im 49-Euro-Ticket dabei ist, würde das Verkehrsangebot schlechter werden. Das ist keine Drohung, das ist wirtschaftliche Logik.

André Schwämmlein, Flixbus-Chef

Sind die hohen Dieselpreise ein Thema für Sie und Ihre Unternehmer?

Beim Unternehmer muss genug Geld hängen bleiben, auch bei Dieselpreisen, die 30, 40 Prozent höher sind als vor dem Ukraine-Krieg. Was wir auf der anderen Seite sehen: Die Nachfrage wird größer, wenn die Spritpreise steigen.

Unserer Zielgruppe, besonders die jungen Leuten, sind Steuern und Versicherung für ihre Autos – wenn sie welche haben – relativ egal, die sind nicht besonders hoch. Auch der Kaufpreis ist nicht so wichtig.

Was ins Gewicht fällt, sind die Tankkosten. Die erste Frage ist: Was kostet der Liter? Und dann: Kostet das Tanken auf der Fahrt von München nach Berlin mehr oder weniger als das Flixbus-Ticket? Das heißt: Wenn ich es schaffe, genug Leute in den Bus zu bringen, dann ist der hohe Spritpreis eher ein Vorteil als ein Nachteil für uns, weil die Leute dann eher bei uns einsteigen.

Wann steigen Sie auf andere Treibstoffe um?

Flixbus auf einer Landstraße
Flixbus ist der größte Fernbus-Anbieter in Deutschland. Und nutzt vor allem Dieselfahrzeuge© Flix SE

Ein wichtiges Thema, aber noch nicht akut. Noch gibt es Einsparpotenzial, wir motivieren die Busfahrer auch, sparsamer zu fahren, wir machen Fahrertrainings, teilweise auch mit ADAC Fahrsicherheitszentren zusammen. Perspektivisch wird Bus- und Langstreckenverkehr klimaneutral werden, da gibt es gar keinen Zweifel. Die EU will 2040 keine Verbrenner mehr bei den Bussen und bei Lkw. Die Frage ist eher, wie lange es noch dauert, ob die Infrastruktur rechtzeitig kommt, wer die Kosten trägt – und ob sie überhaupt höher sein werden als heute.

Welche Technologie wird sich beim Bus durchsetzen?

Beim Auto ist die Entscheidung klar für die Batterie gefallen, beim Bus sind wir noch nicht so weit. Aber ich bin optimistisch, dass es eine Mischung aus Batterie und Wasserstoff geben wird.

Vor zehn Jahren haben wir schon zu den Busherstellern gesagt: Wir brauchen elektrische Busse. Da haben die geantwortet: "Kann ich schon machen, kostet aber 1,5 Millionen, und in Serie geht das nie. Du wirst bis zum Ende aller Tage mit Diesel fahren."

Das hat sich dramatisch geändert, die wissen alle, dass sie in fünf Jahren ein passendes Produkt brauchen. Wenn nicht, dann kommt auch für sie der Tesla-Moment, und der Markt ist weg. Und man muss mit unendlichen Mitteln versuchen, das wieder aufzuholen.

Innerhalb des Mobilitätssektors müssen wir von Flix der günstigste Anbieter bleiben.

André Schwämmlein, Flixbus-Chef

Wird Mobilität teurer, im Verhältnis zum Einkommen?

Unser Anspruch ist: Mobilität soll nicht teurer werden. Natürlich wird es einen Inflationseffekt geben. Aber innerhalb des Mobilitätssektors müssen wir von Flix der günstigste Anbieter bleiben. Deshalb sagen wir den Herstellern: Busse mit den neuen Technologien dürfen nicht mehr kosten als vergleichbare Dieselbusse. Diesel wird teurer, wegen Steuern und Klimaschutz. Für die Hersteller wird es also eigentlich einfacher.

Was macht Flixbus in zehn Jahren?

Wir wollen Business-Travel auch mit Flix ermöglichen. Flix wird noch internationaler sein, wir wollen dem Bus die Rolle zurückgeben, die er verdient hat. Außerdem werden viel mehr Züge von Flix unterwegs sein. Und wir werden die Antriebswende sehen: Keine Hundert-Prozent-Diesel mehr. Was wir nicht machen werden: Flugzeuge oder Hyperloops.

Womit fahren Sie ins Büro, womit nach Zürich, womit an die Ostsee?

Im Winter und bei schlechtem Wetter mit der U-Bahn, weil ich ein Sommerradler bin. In der Stadt fahre ich nie Auto, Strecken bis vier, fünf Stunden fahre ich Flixbus, wenn das irgendwie geht. Und wenn ich nach Norddeutschland muss, dann nehme ich den Zug und fahre öffentlich weiter. Auto fahre ich fast nie auf Langstrecke, nur, wenn die Kinder dabei sind, in den Urlaub, aber da geht es eher in die Berge, zum Skifahren.

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