Urteil: Sturz über geparkte E-Scooter – gibt es Schmerzensgeld?
Ein blinder Mann verletzt sich beim Sturz über zwei E-Scooter, die quer auf dem Gehweg stehen. Er verlangt Schmerzensgeld von der Vermieterin der E-Roller. Mit Erfolg?
Der Fall: Zwei E-Scooter standen in Bremen quer auf einem Gehweg. Ein blinder Mann stolperte darüber und stürzte. Dabei erlitt er einen Oberschenkelhalsbruch, musste operiert werden. Von der Vermieterin der E-Roller forderte er 20.000 Euro Schmerzensgeld und klagte.
500 E-Scooter in der Stadt im Einsatz
Die Vermieterin durfte in Bremen 500 E-Roller im sogenannten Free-floating anbieten. Das heißt: Die E-Scooter hatten keinen festen Standort, sondern wurden flexibel im öffentlichen Raum abgestellt. Dafür hatte die Vermieterin zum Zeitpunkt des Unfalls eine offizielle (Sondernutzungs-)Erlaubnis.
Blinder Mann stolpert über E-Roller
Der blinde Mann war nach eigenen Angaben mit seinem Langstock in gemäßigtem Tempo entlang der Hauswand gegangen. Diese dient als sogenannte innere Leitlinie Menschen mit Sehbehinderung als Orientierung. Den ersten E-Scooter habe er noch erkennen können, gab er an. Beim Versuch, über den E-Scooter zu steigen, sei er dann aber über das Trittbrett des zweiten E-Rollers gefallen.
Bei Sturz verletzt: Schmerzensgeld?
Das Oberlandesgericht Bremen urteilte, der Mann habe keinen Anspruch auf Schmerzensgeld. Die sogenannte Gefährdungshaftung der Vermieterin scheide aus, weil diese nicht für sogenannte Elektro-Kleinstfahrzeuge gelte, die nicht mehr als 20 Kilometer pro Stunde fahren.
Kein Verstoß gegen Verkehrssicherungspflicht
Zwar habe die Vermieterin eine Verkehrssicherungspflicht für die von ihr betriebenen E-Scooter. Sie müsse daher möglichst verhindern, dass andere geschädigt werden, so das Gericht. Sie hafte aber nicht für besonders eigenartige und fernliegende Umstände.
In diesem Fall habe die Vermieterin ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Dass die E-Roller quer auf dem Gehweg standen, habe nicht gegen die konkreten Vorgaben der Sondernutzungserlaubnis verstoßen. Auch ihre allgemeine Pflicht zur Rücksichtnahme auf besonders schutzbedürftige Menschen sei dadurch nicht verletzt, führten die Richter aus.
Gehweg noch breit genug
Nach der Sondernutzungserlaubnis müsse neben den abgestellten E-Rollern ein Gehweg von 1,50 Metern Breite frei bleiben. Am Unfallort sei der verbleibende Gehweg sogar 4,35 Meter breit gewesen, so das Gericht. Besonders gefährlich sei es dort ansonsten nicht gewesen. Nach Ansicht des Gerichts durften die E-Roller deshalb auch quer abgestellt werden.
Die Vermieterin habe keine besonderen Sicherheitsmaßnahmen für sehbehinderte Menschen treffen müssen. Das begründeten die Richter unter anderem damit, dass "die grundsätzliche Zulassung von gewerblich genutzten E-Rollern im Straßenverkehr politisch und gesellschaftlich gewollt" sei.
Eine andere Beurteilung lasse auch die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) nicht zu, führte das Gericht aus. Denn die Sondernutzungserlaubnis der Vermieterin verstoße nicht gegen diese Konvention.
OLG Bremen, Urteil vom 15.11.2023, Az.: 1 U 15/23
Hinweis der ADAC Juristinnen und Juristen: Das Gericht ließ die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) nicht zu. Denn E-Roller seien zwar relativ neu, rechtlich aber mit Fahrrädern und Mopeds vergleichbar. Dazu gebe es in Hinblick auf die Haftung ausreichend Rechtsprechung, so das Gericht.