BGH-Urteil: Beidseitige Fahrbahnverengung – wer hat Vorrang?

Verkehrszeichen zur Fahrbahnverengung
Wer hat bei einer beidseitigen Fahrbahnverengung Vorrang?© ddp/zoonar

Zwei Fahrstreifen einer Straße verengen sich zu einem. Wer haftet, wenn es hier zu einem Unfall kommt? Das hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden.

Der Fall: Ein Pkw und ein Lkw waren auf einer zweispurigen Straße unterwegs und fuhren auf gleicher Höhe – das Auto rechts, der Lastwagen links. Hinter einer Ampel wurde die Straße einspurig: Auf der Fahrbahn war diese Stelle mit dem Zeichen für "beidseitige Fahrbahnverengung" (Gefahrenzeichen 120) markiert.

Zwei Fahrstreifen werden zu einem – wer hat Vorrang?

Der Lkw-Fahrer zog nach rechts, weil er das Auto nicht gesehen hatte. Die Autofahrerin ging jedoch davon aus, dass sie Vorrang hat. So stießen die Fahrzeuge zusammen und wurden beide beschädigt. Die Autofahrerin verlangte den gesamten Schaden ersetzt, bekam von der Haftpflichtversicherung des Lkw-Fahrers aber nur die Hälfte. Weil die Frau damit nicht einverstanden war, ging die Sache vor Gericht. Nachdem sie in zwei Instanzen gescheitert war, hatte sich der Bundesgerichtshof mit dem Fall zu beschäftigen.

Gegenseitige Rücksichtnahme: Verständigung oder Vortritt lassen

Der BGH bestätigte die Vorinstanzen: An dem Unfall sei nicht nur der Lkw-Fahrer schuld, so die Richter. Anders als bei einer "einseitig verengten Fahrbahn" ende im vorliegenden Fall nicht ein einzelner Fahrstreifen. Vielmehr werden beide Fahrstreifen in einen überführt. In dieser Situation hätten somit beide auf die Engstelle zufahrenden Personen eine erhöhte Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflicht. Sie müssten sich also verständigen, wer zuerst fahren dürfe, führte das oberste deutsche Zivilgericht aus. Wenn die Verständigung nicht gelinge, müssten die Verkehrsteilnehmenden im Zweifel jeweils dem anderen den Vortritt lassen. Dabei spiele es keine Rolle, wer rechts fährt und wer links, so die Richter.

BGH, Urteil vom 8.3.2022, Az.: VI ZR 47/21