Absehen vom Fahrverbot: Behauptung, den Arbeitsplatz zu verlieren, reicht nicht
Genügen die pauschale Behauptung und eine schriftliche Bestätigung des Arbeitgebers, dass bei einem Fahrverbot der Verlust des Arbeitsplatzes droht, um von diesem abzusehen? Das hatte das Oberlandesgericht Hamm zu entscheiden.
Der Fall: Das Amtsgericht Essen hatte einen Autofahrer wegen vorsätzlicher Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße verurteilt. Ein Regelfahrverbot verhängte es nicht, weil der Betroffene angegeben hatte, sonst seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Er sei als Verkaufsberater in einem großen Autohaus tätig. Dabei gehöre auch zu seinen Aufgaben, Überführungs- und Probefahrten mit gebrauchten Fahrzeugen zu machen. Sein Arbeitgeber bestätigte schriftlich, dass er sich im Falle eines Fahrverbots arbeitsrechtliche Sanktionen bis hin zur Kündigung vorbehalte. Auch sei es aus betrieblichen Gründen nicht möglich, dem Betroffenen einen zusammenhängenden Urlaub von drei Wochen zu gewähren. Die Staatsanwaltschaft legte gegen die Entscheidung des AG Essen Rechtsbeschwerde ein.
Absehen vom Fahrverbot nur nach Prüfung
Das Oberlandesgericht Hamm entschied, dass die pauschal vorgebrachte und nicht näher belegte Behauptung des Betroffenen und die Bestätigung des Arbeitgebers zum drohenden Arbeitsplatzverlust kein Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigen. Das AG Essen dürfe diese nicht ungeprüft übernehmen, sondern müsse die Behauptungen auf ihre Richtigkeit überprüfen und im Urteil darlegen, warum es die Angaben für glaubhaft halte. Das sei hier nicht geschehen.
Arbeitsplatz wirklich gefährdet?
Tatsächlich bestünden Zweifel an der Richtigkeit des drohenden Arbeitsplatzverlustes im Fall eines Fahrverbots, so das Oberlandesgericht. Das AG Essen hätte den Betriebsinhaber, den Geschäftsführer oder den verantwortlichen Personalsachbearbeiter vernehmen müssen, um zu überprüfen, dass der Arbeitergeber keine Gefälligkeitsbescheinigung ausstellte. Kurzfristige Fahrverbote rechtfertigen nur in Ausnahmefällen eine Kündigung, so die Richter.
Fahrverbot mit Urlaub abdecken
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts war nicht nachvollziehbar, warum dem Betroffenen als Beschäftigtem in einem großen Autohaus kein zusammenhängender Urlaub von drei Wochen gewährt werden könne, sodass ein Teil des Fahrverbots mit dem Urlaub abgedeckt werde. Es sei erforderlich festzustellen, wie viele Mitarbeitende das Autohaus hat und welche konkreten betrieblichen Belange gegen einen zusammenhängenden Urlaub sprechen.
Arbeitgeber kann andere Aufgaben finden
Außerdem hätte das Tatgericht darlegen müssen, warum der Arbeitgeber den Betroffenen für den überschaubaren Zeitraum des Fahrverbots nicht anderweitig beschäftigen könne. Dieser sei als Verkaufsberater angestellt, sodass er auch in den Verkaufsräumen des Autohauses Kundinnen und Kunden beraten und Verkaufsgespräche führen könne, so das Oberlandesgericht.
OLG Hamm, Beschluss vom 3.3.2022, Az.: 5 RBs 48/22