So haben wir getestet
Fahrradfahren ist in. Dabei muss es gar nicht immer das eigene Rad sein, das einen von A nach B bringt. Als Einheimischer auf dem Weg zur Arbeit oder an die Uni, als Tourist beim Stadtbummel zum Beispiel. Da leiht man sich eines. Denn inzwischen ist man in vielen Großstädten in der Moderne angekommen und hat öffentliche Fahrrad-Verleihsysteme etabliert. Das Angebot sieht im Idealfall so aus: Gut gewartete Fahrräder stehen flächendeckend und mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) verknüpft an vielen Stationen einer Stadt, wo sie von Herrn und Frau Jedermann mit wenig Aufwand und hoher Flexibilität unter Einsatz moderner Technologie und Kommunikationsmittel auch spontan entliehen werden können. So macht Radfahren in der Stadt Spaß.
-
15 Fahrrad-Verleihsysteme in zwölf Städten verglichen
Ob der Spaß auch überall garantiert ist, wollte der ADAC jetzt wissen und hat einen Test von 15 Fahrrad-Verleihsystemen in zwölf deutschen Städten aufgelegt. Ausgewählt wurden Städte mit mehr als 200 000 Einwohnern, in denen mindestens 500 Räder zur Verfügung standen. Die Fahrrad-Verleihsysteme mussten bereits 2014 etabliert gewesen sein. Fahrradgeschäfte mit Leihrädern wurden nicht einbezogen.
Die Verfügbarkeit der Fahrräder war unterschiedlich: Die einen wurden an festen Stationen entnommen und wieder abgestellt. Die anderen waren an bestimmte, nur online sichtbare oder mit Hinweisschildern gekennzeichnete Sammelplätze gebunden oder standen frei meist an Kreuzungen. Auch Mischsysteme waren anzutreffen.
-
Test bestand aus drei Teilen
Im Mittelpunkt des Tests standen die Vernetzung des Fahrradverleihsystems mit öffentlichen Verkehrsmitteln sowie die technische Sicherheit und Zuverlässigkeit der Räder, Stationen und Apps. Mit standardisierten Internet-Recherchen sowie schriftlichen Befragungen der Betreiber und Kommunen wurden die Basis-Daten der Systeme erhoben. Vom 20. April bis 6. Mai 2015 fanden praktische Tests vor Ort statt. Dabei unternahmen die Tester mit jeweils sieben verschiedenen Rädern sieben genau definierte Fahrten und schlüpften in die Rolle von Pendlern, Anwohnern, Studenten und Touristen. Alle Checkpunkte wurden fotografisch dokumentiert.
Mit der Erhebung und Auswertung der Daten beauftragte der ADAC die Innovationsberatung team red Deutschland aus Berlin. Sie ist in Europa und Amerika vor allem in den Bereichen Verkehr, Mobilität und Tourismus forschend und beratend tätig und führt seit mehr als zehn Jahren Projekte zum Thema Fahrrad durch.
-
Ergebnisse geben Aufschluss über Nutzerfreundlichkeit
Basis der Recherche ist ein umfangreicher Kriterienkatalog mit den Kategorien Zugänglichkeit (Gewichtung 15 Prozent), Information (10 Prozent), Tarife (20 Prozent), Ausleihe (35 Prozent) und Rückgabe (20 Prozent). Jede dieser Hauptkategorien hatte zahlreiche Unterpunkte.
Bei besonders schwerwiegenden Defiziten griff das sogenannte K.O.-Kriterium: Wenn das Ausleihen oder die Rückgabe aus bestimmten Gründen nicht möglich war, das Fahrrad einen sicherheitsrelevanten Defekt aufwies oder Probleme mit der Hotline auftraten. Das K.O.-Kriterium bewirkt, dass die Kategorie im Ergebnis für diese Fahrt auf null Punkte heruntergestuft wird.
Die insgesamt erreichte Punktzahl des Systems in der jeweiligen Stadt gibt Aufschluss über dessen Nutzerfreundlichkeit und drückt sich aus in den Noten sehr gut, gut und ausreichend im positiven Bereich sowie mangelhaft und sehr mangelhaft im negativen.
Die Deutsche Gesellschaft für Qualität hat die rechnerische Richtigkeit der Auswertung und die daraus abgeleiteten Aussagen im Abschlussbericht überprüft.
Raus aus der Marktnische, rein in den Alltag
Was wird ihnen nicht alles zugetraut: Sie könnten den Nahverkehr ergänzen und Autofahrten vermeiden helfen, Tourismus und Radverkehr fördern, den Umwelt- und Gesundheitsgedanken stärken, das Image der Kommune aufbessern, ja sogar Probleme des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) lösen. Dem Nutzer sollen sie Unabhängigkeit, Flexibilität, Spontanität, geringe Kosten und nicht zuletzt Spaß bringen. Soweit die Förderer öffentlicher Fahrrad-Verleihsysteme. Den Skeptikern sind zu viele Räder ein Dorn im Auge. Sie beklagen den durch das Aufstellen der Räder noch knapper werdenden öffentlichen Raum oder befürchten sogar, dass dem ÖPNV wichtige Kunden weggenommen würden. Und wieder andere sagen: „Ganz nett, aber nicht unbedingt notwendig.“ Tatsache ist: Keiner weiß so richtig, wohin die Reise mit dem (Leih)Rad geht. Allerdings: Angespornt von vielfältigen und durchaus auch erfolgreichen Aktivitäten im Ausland, kommen die Räder auch bei uns in Deutschland ins Rollen.
-
Modellwettbewerb des Bundes sollte Anreize schaffen
Dazu beigetragen hat der Modellwettbewerb „Innovative öffentliche Fahrradverleihsysteme – Neue Mobilität in Städten“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). Der Zweck: Anreize für Kommunen zu schaffen, gemeinsam mit ÖPNV-Betreibern und Verkehrsverbünden innovative öffentliche Fahrrad-Verleihsysteme als integrierte Verkehrslösungen für die örtlichen Mobilitätsbedürfnisse zu entwickeln, aufzubauen und zu betreiben. Mit anderen Worten: Die Vorteile des Radfahrens sollten mit denen des ÖPNVs sinnvoll verknüpft werden. Acht Kommunen erhielten für die Realisierung ihrer Idee Bundesmittel in Höhe von insgesamt 12,7 Millionen Euro: Dresden, Kassel, Mainz, Nürnberg, die Metropolregion Ruhr, Saarbrücken, die Insel Usedom sowie Stuttgart für ein Projekt mit sogenannten Pedelecs (Elektrofahrrädern). Dresden und Saarbrücken stiegen aus dem Modellversuch aus, bei allen anderen standen Leihräder auf der Straße. Die Modell-Städte Kassel, Mainz, Nürnberg, Stuttgart und Bochum aus der Metropolregion Ruhr waren auch im aktuellen ADAC-Test vertreten.
Ein anspruchsvolles Vorhaben: Konkurrenzdenken musste überwunden, verkrustete Strukturen mussten aufgebrochen, Zuständigkeiten neu geregelt, Synergien genutzt werden. Das Ziel: Eine Win-Win-Situation durch eine verstärkte Fahrradnutzung und höhere ÖPNV-Fahrgastzahlen. Die Modellprojekte wurden mehrmals evaluiert. Das Ziel: übertragbare Konzepte zu schaffen, um die Systeme aus der Marktnische zu holen und massentauglich zu machen. Heraus kamen ganz unterschiedliche konzeptionelle Ansätze, die alle eine sinnvolle Mobilitätsalternative darstellten.
-
Deutschland hinkt in der Entwicklung hinterher
Beherrscht wird der Markt in Deutschland derzeit von zwei Anbietern. Zum einen von der Deutschen Bahn (DB Rent) mit Call a Bike, die insgesamt rund 8 500 sowohl an Stationen als auch frei im Straßenraum stehende Räder unterhält. Konkurrent ist das Leipziger Privatunternehmen Nextbike, 2005 gegründet, das in rund 40 deutschen Städten aktiv ist und international zu den Top 5 gehört. Der Expansion vor allem von Nextbike ist es zu verdanken, dass Deutschland europaweit nach Spanien und Frankreich auf Platz 3 im Ranking der Systemanzahl liegt. Bei der Anzahl der Räder und Stationen kann man hierzulande allerdings noch lange nicht zum Beispiel mit Frankreich mithalten, wie überhaupt die Entwicklung in anderen Ländern wesentlich dynamischer verlief.
Dabei hätte Deutschland mit ein wenig Durchhaltevermögen durchaus eine Vorreiterrolle einnehmen können. Denn bereits im Jahr 2000 gründeten zwei Start-up-Unternehmer Call a Bike in München mit rund 1 000 Leihfahrrädern auf hohem technischem Niveau. Das Angebot wurde zwar gut angenommen und hoch gelobt, doch die Einnahmen blieben hinter den Erwartungen der Geldgeber zurück. Das bedeutete das Aus im Jahr darauf. Die Deutsche Bahn übernahm Idee und Räder und zog damit auch in andere Städte. Seither ist die Nachfrage sprunghaft angestiegen: 2014 zählte die Bahn nach eigenen Angaben 750 000 registrierte Kunden mit fast viereinhalb Millionen Fahrten. Zum Vergleich: Nextbike hatte im selben Zeitraum 570 000 Kunden mit mehr als zweieinhalb Millionen Fahrten.
-
Deutsche Kommunen sind eher zurückhaltend
Sollen die Systeme erfolgreich sein, braucht man ein dichtes Stationsnetz mit vielen, gut gewarteten Rädern, ausgereifter Technik und leichtem Zugang, was nicht zuletzt auch der Modellwettbewerb verdeutlicht hat. All das kostet, und zwar nicht nur in der Anschaffung, sondern auch im Betrieb. Der Modellversuch hat Investitionskosten je nach Ausführung zwischen 450 und 1 200 Euro pro Rad sowie 400 und 2 850 Euro pro Stellplatz ergeben.
Die zögerliche Haltung der Kommunen, angesichts leerer Kassen auf den derzeit von DB und Nextbike gesteuerten Zug aufzuspringen, dürfte auch in den Kosten begründet sein. Denn allein aus Nutzergebühren lassen sich die Systeme nicht kostendeckend finanzieren. Also müssen zusätzliche Einnahmen her. Die kommen entweder als Zuschüsse aus öffentlicher Hand oder durch Werbung auf den Fahrrädern. Letzteres ist in manchen Städten nicht gerne gesehen, begreift man die Werbe-Räder doch schon mal als wandelnde Litfasssäulen, die man gerne als Sondernutzung öffentlichen Raums darstellen würde – was sie allerdings laut Urteil eines Hamburger Gerichts nicht sind. Denkbar, aber weil kartellrechtlich nicht unumstritten in Deutschland bisher nicht praktiziert, sind auch Kompensationsgeschäfte. Dabei werden dem Betreiber zusätzliche städtische Werbeflächen zur Verfügung gestellt, deren Erlöse dann in das Verleihsystem fließen – für Unternehmen der Werbebranche durchaus interessant. Insgesamt gesehen aber ist es ein finanzielles Wagnis, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. Möglich ist allerdings auch eine Kooperation mit öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen einer Stadt. So können zum Beispiel auf einem Firmengelände Stationen aufgebaut und den Mitarbeitern günstige Konditionen eingeräumt werden.
-
Hand in Hand mit Öffentlichem Personennahverkehr
Die Einbindung der Fahrradverleihsysteme in den Öffentlichen Personennahverkehr einer Kommune ist mitentscheidend für ihren Erfolg. Dazu braucht es ein ausreichend großes Angebot von Rädern in unmittelbarer Nähe von Haltestellen als entscheidenden Faktor für eine gelungene Integration. Und nicht nur das: Es erfordert den Aufbau multimodaler Strukturen, zum Beispiel einer gemeinsamen „Nutzeroberfläche“, also Ansprechpartner, Tarifsystem, Netzplan und dergleichen mehr. Hier aber gibt es immer noch Berührungsängste.
-
Mehr Engagement lautet das Gebot der Stunde
Aus Sicht des ADAC können Fahrradverleihsysteme insbesondere in Großstädten mit hohen Besucher- und Pendlerzahlen eine sinnvolle Mobilitätsalternative im Verkehrsverbund darstellen. Sie sollten nicht als Konkurrenz zum ÖPNV aufgebaut werden, sondern als Ergänzung, zum Beispiel für die sogenannte letzte Meile zwischen Haltestelle und Ziel. Wenn die Räder in nicht allzu ferner Zukunft zum gewohnten Alltag gehören sollen und Deutschland auf europäischer Ebene nicht den Anschluss verpassen will, braucht es noch mehr Engagement insbesondere von den Kommunen sowie jemanden, der sich an die Spitze der Bewegung setzt. Und die Überzeugung, dass die Räder nicht nur nett, sondern auch notwendig sind.
Die Hightech-Enkel sind den Kinderschuhen entwachsen
Alle drehen am Rad - so lässt sich der derzeitige Markt innovativer öffentlicher Fahrrad-Verleihsysteme beschreiben, und zwar europaweit. Während in den Anfangszeiten so mancher Versuch in schmerzhaften Stürzen endete, werden seit rund zehn Jahren ständig neue Systeme gestartet und bestehende erweitert. Finanzstarke Konzerne engagieren sich dabei ebenso wie Nahverkehrsbetriebe und Bahnunternehmen oder kreative Start-Ups. Zukunftsträchtige Standards werden entwickelt. Selbst in Städten mit traditionell eher verhaltener Liebe zum Fahrrad wie etwa Barcelona, Paris oder Prag bringen die neuen Systeme Menschen in Bewegung, sprich auf's Fahrrad, und feiern Erfolge.
-
Grundprinzip ist überall ähnlich
Trotz unterschiedlicher Anbieter von Fahrrad-Verleihsystemen ist das Grundprinzip ähnlich: Sie sollen, für jedermann öffentlich zugänglich, nach dem Prinzip der Selbstbedienung funktionieren, also mit selbständiger Aus- und Rückgabe bequemer, gut ausgestatteter Räder im Stadtgebiet. Dabei gibt es grundsätzlich Systeme mit festen Stationen und flexible, bei denen man die Räder irgendwo im Nutzungsgebiet an sich nimmt und irgendwo wieder abstellt. Der Trend geht zu Ersteren. Dazwischen gibt es allerdings mehrere Spielarten. Für die Sicherheit sorgt der Betreiber durch regelmäßige Wartung der Fahrräder.
-
Interessen und Ziele sind vielfältig
Die Interessen hinter den Kulissen sind durchaus vielfältig. Entscheidend ist, welche Ziele mit einem öffentlichen Fahrrad-Verleihsystem verfolgt werden sollen. Dabei nehmen die Konstellation der Beteiligten und deren Philosophie maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung des entsprechenden Systems und die damit angesprochenen Nutzergruppen. Sollen hauptsächlich ÖPNV-Pendler angesprochen werden? Oder eher Touristen? Oder Studenten? Wie auch immer, in den meisten Fällen steckt eine verkehrspolitische Maßnahme dahinter: Man will das Zusammenspiel der Verkehrsträger im urbanen Umfeld fördern und damit städtische Mobilität nachhaltig sichern. Je nach Träger- und Kooperationsmodell wird der Betrieb zwar einem privaten Akteur überlassen, aber mindestens von der örtlichen Verwaltung geduldet, wenn nicht sogar aktiv vorangetrieben. So findet oft kein Wettbewerb zwischen den Systemen statt. Häufig etabliert sich in einer Stadt ein Platzhirsch, was einem Monopol gleichkommt. Konkurrenten können traditionelle Fahrradvermieter wie etwa Fahrradgeschäfte, Hotels oder andere Dienstleister sein. Doch anders als deren tage- oder gar wochenweisen Vermietungsangebote bewegen sich öffentliche Fahrrad-Verleihsysteme vorrangig im Bereich der Kurzfahrten.
-
Den Anfang machte „Witte Fietsen“
Die Anfänge dieser Art Mobilität gehen auf ein Experiment in den Niederlanden zurück. Die aus Künstlern, Hippies und Anarchisten bestehende Bewegung "Provo" stellte mit ihrer Initiative "Witte Fietsen" im Sommer 1966 weiß gestrichene Fahrräder im Stadtgebiet von Amsterdam zur freien Verfügung. Jeder sollte ein Rad nehmen, zu seinem Ziel fahren können und es dort für den nächsten Nutzer stehen lassen. Die Räder waren ausrangiert, gespendet oder herrenlose Fundstücke, von denen nie mehr als zehn gleichzeitig im Umlauf waren. Doch das Experiment ging gründlich daneben. Die Räder wurden demoliert, gestohlen, in den Grachten versenkt oder von der Polizei als unsicher und zum Diebstahl verleitend einkassiert. Trotzdem fanden sich in den folgenden Jahren ein paar Nachahmer in anderen europäischen Städten, so in Bremen in Deutschland, in La Rochelle in Frankreich oder in Bern in der Schweiz. Die erste Generation öffentlicher Fahrrad-Verleihsysteme war geboren.
-
Weder Geld noch langes Leben
Die zweite Generation kam schon etwas ausgefeilter daher. Die Räder standen nicht mehr einfach so auf der Straße herum, wo sie jedermann mitnehmen konnte. Nein, jetzt wurden sie abgesperrt und ließen sich nur noch mit einem Chip oder einer Pfandkarte aufschließen. Dazu musste man sich registrieren lassen. Zudem waren die Räder dadurch auch an bestimmte Standorte gebunden – die ersten Verleihstationen entstanden. Allerdings ließ sich damit weder Geld verdienen noch überlebten die meisten Systeme über längere Zeit. Denn diese Spielart litt unter denselben Kinderkrankheiten wie ihre Eltern eine Generation zuvor: Diebstahl, Vandalismus und eine zumindest zeitweise Privatisierung, indem das geliehene Rad mit einem eigenen Fahrradschloss „gesichert“ wurde, so dass es niemand anderer nutzen konnte. Und doch konnten sich einige der Systeme in die Jetzt-Zeit hinüberretten: BUGA im portugiesischen Aveiro sowie in Dänemark Aarhus bycykel und Bycyklen i København als das größte und älteste Verleihsystem dieser Generation.
-
Technische Innovationen brachten Durchbruch
Es folgte eine dritte Generation, in der das System Leihrad dank technischer Innovationen zu einem Hightech-Produkt mutierte. Durch die An- und Abmeldung im System kann der Nutzer identifiziert, der aktuelle Standort der Räder lückenlos verfolgt werden. Eine Vorreiterrolle hatte dabei zum Beispiel Call a Bike in München, das als kleines Start-up-Unternehmen um das Jahr 2000 bis zu 1 000 Leihräder bereitstellte. Als Sammelpunkt und Verleihstation dienten Telefonzellen. Die Nummern-Kombination für das Fahrradschloss erhielt der Nutzer über einen Anruf in der Zentrale, nachdem er sich hatte registrieren lassen. Die Gebühren für das Ausleihen wurden über die Kreditkarte abgerechnet. Nach einem Jahr musste Call a Bike Konkurs anmelden und wurde von der Deutschen Bahn aufgekauft.
Dennoch verhalf diese Enkel-Generation den öffentlichen Fahrrad-Verleihsystemen zum Durchbruch. Die Hightech-Variante erobert die Welt und lässt nicht nur die Anzahl der Systeme, sondern auch deren Größe steigen. Vélib in Paris ging 2007 mit einer bis dahin nicht gekannten Zahl von 21 000 Rädern und 1 400 Verleihstationen an den Start und ist mittlerweile nochmals gewachsen. London, Barcelona und Lyon haben ebenso eine beachtliche Größe erreicht, auch Valencia, Sevilla, Mailand und Brüssel spielen in der oberen Liga mit. Die größten Systeme mit mehr als 70 000 Rädern finden sich in chinesischen Städten. Zum Vergleich: In ganz Frankreich stehen im Rahmen von Fahrrad-Verleihsystemen insgesamt rund 43 000 Räder auf der Straße, in Spanien immerhin 25 000 und in Deutschland nur müde 12 000. Weltweit gab es Ende 2014 Fahrrad-Verleihsysteme in 855 Städten, vorwiegend in Europa, den USA und China.
-
Auf gutem Fundament die Zukunft gestalten
Sicher ist aber: Die Enkel sind den Kinderschuhen entwachsen und sorgen fleißig für Nachwuchs. Nun gilt es, den Schwung mitzunehmen, die verschiedenen Verkehrsträger miteinander zu vernetzen und damit öffentliche Mobilität für jedermann preisgünstig auf einfache Weise nutzbar und attraktiv zu machen. Als ein sehr wichtiger Beitrag zu einer modernen urbanen Mobilitätskultur der Zukunft.