Mercedes V-Klasse: Volle Fahrt ins Nobelsegment

Die neue Mercedes V-Klasse fahrend von vorne fotografiert
Überarbeitete V-Klasse: Mercedes nimmt die Kurve Richtung Luxus© Mercedes

Neue Front, bessere digitale Vernetzung und selbstbewusste Preispolitik: Mercedes zielt mit der 2024 aufgemöbelten V-Klasse deutlicher als zuvor auf das Nobelsegment. Auf der Haube feiert sogar ein alter Bekannter sein Comeback. Testfahrt.

  • In drei Längenversionen Platz für bis zu acht Passagiere

  • 120 kW/163 PS starker Basismotor, bald kommt auch ein Benziner

  • MBUX erweitert den Bedienkomfort merklich

Die einen denken beim Kleinbus an das auseinandergeschraubte, mit Schlamm bespritzte Mountainbike im Kofferraum. Die anderen an die Fahrt zum Flughafen mit gestapelten Rimowa-Koffern. Kein Wunder, denn das reichliche Platzangebot macht Kleinbusse bzw. Großraumvans zu idealen Gefährten für ganz unterschiedliche Bedürfnisse.

Auch Mercedes tritt mit seiner V-Klasse (elektrisch als EQV) an, um Freizeit und Business zu vereinen. Doch im Gegensatz zu VW mit dem "Bully" T7 oder Ford mit dem Tourneo Custom mit noblerem Anspruch – und eher mit Blick auf die Kundschaft mit dickerem Gelbbeutel. Die aktuelle Überarbeitung des Kleinbusses verstärkt diese Tendenz: Für den Schlamm hat die neue V-Klasse nicht mehr viel übrig, eher für den Champagner im Massagesitz. Doch neben Zugeständnissen an die VIP-Kundschaft gibt es durchaus auch ein paar handfeste Verbesserungen für alle Nutzer.

V-Klasse: Bedienung auf neuestem Stand

Das Cockpit der neuen Mercedes V-Klasse
Angenehm aufgeräumt und hilfreich digital: Das Cockpit macht in der V-Klasse einen merklichen Sprung nach vorne© Mercedes

Die Verbesserungen sieht man gleich vorne im Cockpit. Hier bediente sich die Nutzfahrzeug-Abteilung beim Pkw-Ressort und holte die neueste Version des MBUX-Infotainmentsystems auch in die V-Klasse. Eine gute, aber auch dringend nötige Neuerung. Die alte Version nutzte noch ausschließlich eine kleine Steuerkonsole, nun klappt die Bedienung flüssig und intuitiv auf dem Touchscreen.

Nur ein Beispiel: Der Tempowarner lässt sich mit Druck auf das im Touchscreen dargestellte Verkehrsschild ganz einfach abstellen, sollte er zu sehr nerven. Man braucht also kein weiteres Untermenü oder umständliches Gesuche.

Und auch sonst findet man alle benötigten Funktionen schnell und problemlos. Dabei hilft auch, dass Funktionen wie die Lautstärke-Regelung immer noch über Drehrädchen möglich ist. Und wer auf Touch verzichten will, kann sogar weiter das alte Konsolenpad benutzen. Konsequenterweise hätte man dieses mit der Neugestaltung auch weglassen können.

Bildergalerie: Die V-Klasse im Detail

Innenraum: 10.000-Euro-Luxussitze

Die Rücksitzbank des neuen Mercedes EQV
Massagesitze in der ersten Reihe: Gerade für Taxi- und Shuttlefirmen eine gute Option© Mercedes

Die V-Klasse setzte sich von ihrer Minibus-Konkurrenz immer schon vor allem durch den anspruchsvollen Innenraum ab. Der ist nach wie vor hochwertig verarbeitet und verströmt mit viel Holz und gepolsterten Oberflächen alles andere als Nutzfahrzeug-Flair. Hartplastik findet man nur in Bodennähe und an Stellen, an die man sowieso nie mit der Hand kommt.

Vom Facelift profitiert nun unter anderem die Basisversion. Der schwäbische Minibus kommt nun immer mit zwei Schiebetüren, Lederlenkrad, Spurhalte- und Abstandsassistent. Aber abgesehen davon bleibt die V-Klasse ein Fest für Freunde der Extraausstattungen: Automatisch abblendende Seitenspiegel, Lenkrad mit Nappaleder, elektrische Schiebetüren, Dachreling, auf den Boden projiziertes Logo, Multibeam-LED-Licht – als kleine Auswahl. In insgesamt drei Ausstattungsvarianten können Kundinnen und Kunden munter kombinieren und dazubestellen.

Ein Highlight sind natürlich die optional erhältlichen Luxussitze mit Massage-, Sitzklimatisierungs- und Liegefunktion. Zwei Stück kosten knapp 10.400 Euro, dafür bekommt man fast einen Dacia Sandero.

Und wer die Exclusive-Ausstattung wählt, wird Zeuge einer echten Daimler-Premiere. Auf diesen Modellen prangt dann der Mercedes-Stern, ein Privileg, das bis jetzt nur den Pkws vorbehalten war. Ein kleines, aber aussagekräftiges Detail, das zeigt, welchen Wert der Hersteller neuerdings auf gehobenen Stil bei seiner V-Klasse legt.

Mercedes-Bus: Vorn ist alles neu

Frontdetail der neuen Mercedes V-Klasse
Kleine Sterne umschwirren den großen in der Mitte: Nur eines der insgesamt drei Frontdesigns© Mercedes

Bei all dieser Ausstattungsvielfalt überrascht es da kaum, dass auch die Front nicht für jeden Besitzer gleich aussieht. Drei Kühler-Gestaltungen haben sich die Designer ausgedacht, die Basis muss mit zwei Querstreben vorliebnehmen, während bei Avantgarde viele kleine Sterne rund um das zentrale Logo aufgestickt wurden. Vorne ist das Facelift also unschwer zu erkennen, hinten muss man aufs Detail achten. Unter dem Rückfenster prangt dort neuerdings ein Schriftzug mit dem Markennamen.

Die V-Klasse ist wie gehabt in drei Längen von 4,90 bis 5,37 Meter und mit zwei Radständen, 3,20 und 3,43 Meter, erhältlich. Bis zu acht Personen passen also hinein, ob man eine dritte Sitzreihe einbaut oder den Platz für Koffer und Gepäck nutzt, bleibt jedem selbst überlassen.

Das Platzangebot war bei einer vom ADAC vor dem Facelift getesteten Langversion immens, das ist auch beim aktuellen Modell nicht anders. Die V-Klasse zeigt sich hier sehr variabel: Beine ausstrecken, Sitze verschieben, Vis-à-vis-Stellung, damit man seinen Mitfahrern in die Augen schauen kann – all das ist möglich. Allerdings bringen die massigen Sitze auch ein ordentliches Gewicht mit, so dass man sich jegliche Umbauten im Innenraum sehr genau überlegen dürfte.

Dass bei voller Besetzung das Gepäck zu Hause bleiben muss, ist bei der Langversion auszuschließen. Hinter der dritten Sitzreihe passen bis zur Fensterunterkante stolze 755 Liter in den Bus, bis zum Dach sind es 1330. Und werden alle Sitze bis auf die erste Reihe ausgebaut, lassen sich mit gemessenen 4785 Litern Fassungsvermögen sogar kleine Umzüge stemmen.

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Drei Diesel, bald auch ein Benziner

Die neue Mercedes V-Klasse fahrend von vorne fotografiert
Schwungvoll, sicher und diskrete Geräuschentwicklung: Der Fahreindruck der V-Klasse lässt kaum Wünsche offen© Mercedes

Als Antrieb dient ein Zweiliter-Vierzylinder-Diesel, der in drei Leistungsstufen als 220 d, 250 d und 300 d mit 163, 190 und 237 PS angeboten wird. Allrad ist optional. Hier hat sich mit dem Facelift nichts geändert.

Im dritten Quartal 2024 ergänzt Mercedes die Motorenpalette allerdings noch um einen Benziner. Laut eigener Aussage reagiert Mercedes damit auf die Nachfrage vor allem vom chinesischen Markt. Ganz uninteressant dürfte dieser Antrieb aber auch für Deutschland nicht sein, zumal eine erste Testfahrt mit der noch nicht offiziell homologisierten Version ein ebenso souveränes Gefühl vermittelt. Gerade auf der Autobahn "segelt" der Benziner dank Mild-Hybrid-Technik geräuschlos bei abgeschaltetem Motor. Dem Verbrauch dürfte dieser Kniff nicht schaden.

Die Preise der V-Klasse klettern

Die neue Mercedes V-Klasse fahrend von hinten fotografiert
Sparfüchse sehen bei der neu aufgelegten V-Klasse nur die Rücklichter© Mercedes

Den Weg Richtung Noblesse führt – wenig überraschend – zu deutlich gestiegenen Preisen. Die absolute Basisversion liegt nun bei 59.500 Euro, 20.000 Euro mehr als die der alten Generation. Zwar sind mehr Assistenzen verbaut und auch die Schiebetüren sind inklusive, der Sprung ist dennoch sehr bemerkenswert.

Die Avantgarde-Ausstattungslinie beginnt (für den kurzen Radstand) bei 72.400 Euro. Für das extralange und top ausgestattete Modell schrammt man knapp unter einer sechsstelligen Summe vorbei, allerdings dürfte es dank der zahlreichen verfügbaren Extras nicht allzu schwer sein, diese Schallmauer zu durchbrechen.

Die geliftete V-Klasse wird auch als Campingfahrzeug "Marco Polo" kommen. Er startet ab 80.000 Euro. Den Benzinmotor kann man sich in diese Spezialversion allerdings nicht einbauen lassen.

ADAC Test des Vorgängers

Der ADAC hat das Vorgängermodell der V-Klasse getestet. Da sich am Fahrwerk und den Motoren wenig getan hat, sind die Erkenntnisse durchaus auch auf das Update übertragbar.

Fahrverhalten

Der 300 d kann sich sehr gut in Szene setzen. Die 237 PS bringen den 2,5-Tonner zügig in Schwung. Weil das maximale Drehmoment von 500 Nm bereits bei 1600 Touren anliegt, braucht der Motor keine hohen Drehzahlen, was einer entspannten Fahrweise entgegenkommt.

Der simulierte Überholvorgang (Beschleunigung von 60 auf 100 km/h) wird so in flotten 5,6 Sekunden absolviert – damit braucht sich die V-Klasse wirklich nicht zu verstecken und kann mit flacheren Pkw sehr gut mithalten. Angesichts einer Beschleunigung von unter acht Sekunden auf Tempo 100 und einer Spitze von 220 km/h stellt sich allerdings schon die Frage, ob so viel Leistung bei einem Van überhaupt sein muss oder ob es nicht die schwächere Variante 250 d auch tut.

Auf allerhöchstem Niveau arbeitet auch die Neungang-Automatik, die ein völlig übergangs- und ruckelfreies Beschleunigen zulässt und das ruhige, aber kraftvolle Fahrgefühl unterfüttert.

Testverbrauch: 8,2 l Diesel/100 km

Beim Verbrauch kann der Dieselmotor keine Wunder vollbringen. Im ADAC Ecotest konnten die Testingenieure 8,2 Liter Diesel auf 100 Kilometer messen, was einer Well-to-Wheel-CO₂-Bilanz (also mit den Emissionen bei der Kraftstoffherstellung) von 258 g/km entspricht. Ein eher schlechter Wert, der sich aber angesichts des hohen Nutzwerts der V-Klasse wieder ein wenig relativiert. Positiv: Die Schadstoffbilanz fällt wegen der umfangreichen Abgasreinigung sehr gut aus. Beides zusammengenommen, also CO₂ und Schadstoffe, ergibt drei von fünf Sternen im ADAC Ecotest.

ADAC Ausweichtest

Für einen Bus ist die V-Klasse ziemlich wendig und man hat nicht das Gefühl mit einem unhandlichen Transporter unterwegs zu sein. Die Größe merkt man am ehesten in engen Parkhäusern und das hohe Gewicht beim Handling. Denn auch wenn der starke Motor zum sportlichen Fahren verleitet: Ein Sportwagen wird aus der kastigen V-Klasse nicht. Das zeigt sich insbesondere beim ADAC Ausweichtest, der ein plötzliches Ausscheren vor einem Hindernis simuliert. Das Heck drängt beim ersten Anlenken nach außen und beim Gegenlenken schiebt die V-Klasse deutlich über die Vorderräder.

Insgesamt ist der Van dadurch sehr behäbig und kurzzeitig kaum lenkbar. Kipp- oder Schleudergefahr besteht zwar nicht. Aber eine allzu flotte Fahrweise führt schnell zur Überforderung des Fahrwerks – zu Lasten der Fahrstabilität und Sicherheit.

Für noch mehr Komfort soll das Luftfederungssystem Airmatic sorgen. Damit lässt sich die V-Klasse je nach Bedarf um zehn Millimeter absenken oder im Programm "Lift" bis maximal 30 km/h um bis zu 35 Millimeter anheben, etwa für holprige Feldwege. Kostenpunkt: 2213,95 Euro.

Hier können Sie den ausführlichen ADAC Test (vor Facelift!) als PDF herunterladen
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Technische Daten Mercedes V-Klasse 2024

Technische Daten (Herstellerangaben)

Mercedes-Benz V 220 d kompakt 9G-TRONIC (ab 01/24)

Mercedes-Benz V 250 d kompakt 9G-TRONIC (ab 01/24)

Mercedes-Benz V 300 d lang Style 9G-TRONIC (ab 01/24)

Motorart

Diesel
Diesel
Diesel

Hubraum (Verbrennungsmotor)

1.950 ccm
1.950 ccm
1.950 ccm

Leistung maximal in kW (Systemleistung)

120
140
174

Leistung maximal in PS (Systemleistung)

163
190
237

Drehmoment (Systemleistung)

380 Nm
440 Nm
500 Nm

Leistung maximal bei U/min. (Verbrennungsmotor)

4.200 U/min
4.200 U/min
4.200 U/min

Antriebsart

Hinterrad
Hinterrad
Hinterrad

Beschleunigung 0-100km/h

10,7 s
9,5 s
7,4 s

Höchstgeschwindigkeit

193 km/h
204 km/h
220 km/h

CO2-Wert kombiniert (WLTP)

185 g/km
190 g/km
192 g/km

Verbrauch kombiniert (WLTP)

7,1 l/100 km
7,2 l/100 km
7,3 l/100 km

Kofferraumvolumen normal

610 l
610 l
1.030 l

Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank

4.200 l
4.200 l
4.630 l

Leergewicht (EU)

2.192 kg
2.205 kg
2.254 kg

Zuladung

908 kg
895 kg
846 kg

Anhängelast ungebremst

750 kg
750 kg
750 kg

Anhängelast gebremst 12%

2.000 kg
2.000 kg
2.000 kg

Garantie (Fahrzeug)

2 Jahre
2 Jahre
2 Jahre

Länge x Breite x Höhe

4.895 mm x 1.928 mm x 1.907 mm
4.895 mm x 1.928 mm x 1.907 mm
5.140 mm x 1.928 mm x 1.901 mm

Grundpreis

59.471 Euro
61.338 Euro
67.572 Euro

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