Crashtests beim ADAC: 1000 Autos kaputtgefahren
Für Autofahrer lebensrettend, von der Industrie gefürchtet: Seit 30 Jahren fährt der Club Autos an die Wand – alles für die Sicherheit. Was das gebracht hat, zeigt ein Vergleich zwischen Golf II und dem neuem Golf VII. Dazu: Die wichtigsten Tests im Überblick

Eine Szene wie im Film: Es wird hell. Taghell. 300 Halogen-Metalldampf-Scheinwerfer mit jeweils 1000 Watt leuchten den Platz aus, den Highspeed-Kameras, die 1000 Bilder pro Sekunde schießen können, schon ins Visier genommen haben. Wann sie auslösen, ist elektronisch programmiert. Mit ihrer Hilfe wird man später in allen Perspektiven das nachvollziehen können, was jetzt passiert. Ein Signal ertönt. Und gleich darauf rauscht das Auto vorbei, knallt frontal mit exakt 64 km/h auf eine Barriere. Ein Aufprall wie eine Explosion. Glassplitter und Teile fliegen durch die Luft. Der Wagen wird zurückgeworfen, dreht sich mit dem Heck ein. Erst jetzt kommt er zum Stehen.
Golf II: Passagiere schwerst verletzt
Heute musste ein alter VW Golf II aus den 80er-Jahren dran glauben. Volker Sandner, der Leiter der Crashanlage im ADAC Technikzentrum in Landsberg, möchte mit seinen Kollegen damit demonstrieren, was sich in den letzten 30 Jahren in Sachen Sicherheit bei Fahrzeugen alles getan hat – denn 1987 führte der Club seinen ersten Frontcrashtest durch.
Das Bild, das der zerstörte Golf bietet, lässt auch den crashtesterfahrenen Sandner nicht kalt: Die Fahrgastzelle hat sich beim Aufprall so massiv verkleinert, dass sie keinen Schutzraum mehr bietet. Durch die Analyse der Daten des Test-Dummys lassen sich schwere und schwerste Verletzungen attestieren: Oben sorgen das ungesicherte Lenkrad ohne Airbag und der einfache Gurt für extreme Belastungen im Kopf- und Brustbereich. Unten wurden das Armaturenbrett und die Pedalerie in den Innenraum gedrückt, wodurch ein sehr hohes Verletzungsrisiko für Oberschenkel und Füße entsteht.
Hier finden Sie ein Interview mit dem ADAC Crashtest-Dummy "Hybrid III".
Golf VII: Ein Schock und wenig Blessuren
Mit dem identischen Versuchsaufbau muss jetzt ein aktueller Golf VII beweisen, ob er das Unfallszenario besser übersteht. Und tatsächlich: Die Fahrgastzelle bleibt stabil und macht so ein Überleben des Unfalls überhaupt erst möglich. Rückhaltesysteme wie Airbags, Gurtstraffer und Gurtkraftbegrenzer sorgen für deutlich geringere Verletzungsrisiken. Und die Köpfe von Fahrer- und Beifahrer prallen mittig in ihre Frontairbags.
Dass es solche lebensrettenden Sicherheitselemente überhaupt gibt, ist keine Selbstverständlichkeit. Denn in der Epoche von VW Käfer und Opel Kadett waren chromblitzende Accessoires am neuen Auto wichtiger als Sicherheitselemente. Deshalb gab es damals auch kaum relevante Vorschriften, um einen Crashtest in Deutschland zu bestehen. Lediglich ein Frontalcrash an eine starre Wand reichte für die entsprechende Typprüfung. Für den ADAC war das zu wenig. Er überprüfte daher – damals noch eingemietet bei TÜV, Allianz oder Dekra – die Fahrzeuge in einem neuartigen Seitencrashverfahren und forderte, dass dieser Test gesetzlich verankert wird. Die Beharrlichkeit zahlte sich aus, als das Europäische Parlament 1998 den Seitencrash bei der Typprüfung gesetzlich festlegte. Und eine ähnliche Pionierarbeit leisteten die Crashtests bei der Einführung des Gurts oder des Airbags.
Der ADAC baut eine eigene Crashanlage
1999 hatte der Wanderzirkus ein Ende. Der ADAC eröffnete in Landsberg Europas modernste Crashanlage, die sofort zum Prüfinstitut des nicht staatlichen Euro-NCAP-Konsortiums wurde, das die Sicherheit der Autos mit Sternen bewertet. Seitdem kann im eigenen Haus mit einem Seilzugsystem das Deformationsverhalten von Fahrzeugen bei verschiedenen Kollisionsarten wie Frontal-, Seiten- und Heckaufprall sowie Überschlagversuchen geprüft werden.
Zahlreiche Beispiele zeigen, wie wichtig die Landsberger Crashtests sind. So mussten chinesische Autohersteller den deutschen Markt aufgeben, weil ihre Produkte beim ADAC Crash durchfielen und deshalb unverkäuflich waren. Kindersitzhersteller erweiterten ihre eigenen Prüfungen zum Schutz der Kleinen um den ADAC Seitenaufpralltest und mussten schon etliche Sitze wegen schlechten Testergebnissen zurückrufen.
Autohersteller veränderten Karosseriestrukturen, weil beim ADAC Kompatibilitätscrash Schwächen im Frontbereich nachgewiesen wurden. Und so manche Gesetzesmaßnahme, wie die Überarbeitung des Lkw-Unterfahrschutzes oder die Einführung des Notbremsassistenten, wurden durch ADAC Tests angestoßen.
Große Bedeutung haben auch die „kleinen“ Crashtests, die das tägliche Leben mit sich bringt: Was passiert beim Bremsen mit dem Christbaum auf dem Dach? Der Bierbank im Auto auf dem Weg zum Grillen? Dem Wildschwein, das die Straße quert? Oder wenn der Sitz falsch eingestellt ist? Volker Sandner und sein zwölfköpfiges Team aus der Crashanlage tüfteln bereits an neuen Herausforderungen.
30 Jahre Crash: Die wichtigsten Meilensteine













Mehr zum Thema und viele Testergebnisse finden Sie hier: ADAC Crash-Test
Text: Thomas Kroher. Fotos: Uwe Rattay, Martin Hangen, Ralph Wagner, Thorsten Rother, ADAC. (acfo).
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